Milliardenverlust bei JP Morgan:Reflexe wie vor der Finanzkrise

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Wir doch nicht! Noch vor kurzem hatte James Dimon, der Chef von JP Morgan, steif und fest behauptet, dass die Bank keine Probleme habe. Jetzt muss er zugeben: Zwei Milliarden Dollar sind einfach so futsch. Das löst zwar keine neue Finanzkrise aus, belegt aber: An den Mechanismen, die zur Krise führten, hat sich nichts geändert.

Bastian Brinkmann

Man braucht nur zwei Zitate, um die ganze Misere der Finanzwirtschaft zu erklären. Vor etwa einem Monat kamen die ersten Gerüchte auf, dass JP Morgan Probleme habe, sich verspekulieren könne. Probleme bei JP Morgan? "Das ist ein Sturm im Wasserglas", schnaubte damals Bankchef James Dimon. Die Bank investiere weise und intelligent. Was Dimon meinte: Wir sind unfehlbar.

Noch vor wenigen Wochen erklärte Jamie Dimon, Chef der US-Bank JP Morgan Chase, seinen Finanzkonzern für unfehlbar. Jetzt sagt er: Oops. (Foto: REUTERS)

Das hört sich nun anders an. Die Bank musste den Anlegern eingestehen, sich massiv verzockt zu haben. "Die Geschäfte waren riskanter, als wir gedacht haben", sagt Bankchef Dimon jetzt. Was er meint: Oops.

Zwischen den beiden Aussagen liegen vier Wochen und zwei Milliarden Dollar. Das ist der Verlust, den die riskanten Geschäfte offenbar bisher eingefahren haben. Es könnten noch mehr werden, gestand der Chef. Aufgelaufen sind die Verluste ausgerechnet mit Geschäften, die eigentlich als Risikopuffer gedacht sind. Die betroffene Abteilung sollte JP Morgan davor schützen, dass Unternehmen Kredite nicht mehr zurückzahlen könnten.

Das Debakel löst keine neue Finanzkrise aus, dazu steht JP Morgan zu gut da. Die mittlerweile größte Bank der USA macht genug Profite. Dass sie relativ problemlos durch die Finanzkrise gekommen ist, gilt in der Branche als vorbildlich. Konkurrenten wurden verstaatlicht, aufgekauft oder gingen pleite. JP Morgan blieb groß.

Doch in den beiden Zitaten Dimons zeigt sich ein Denken, das mitverantwortlich gewesen ist für die Finanzkrise.

Für den Milliarden-Verlust gibt es nun drei Lesarten: Es war Pech. Es war Gier. Es war Arroganz.

Pech heißt an der Börse "schwarzer Schwan". Lange glaubten die Menschen, es gebe nur weiße Schwäne. Dass doch schwarze Exemplare gefunden wurden, kam wie ein Schock, der alle alten Annahmen verwarf. Die Tiere wurden so zum Namenspatron für unvorhersehbare Ereignisse. Zwar ermittelt JP Morgan noch selbst, wie es zu dem Fehler nun kommen konnte. Bis die Finanzaufsicht dies kontrolliert hat, wird weitere Zeit vergehen. Doch vieles spricht dafür, dass hier nicht nur Pech im Spiel war. Denn eigentlich sollten sich Banken so absichern, dass solche enormen Verluste gar nicht auftreten können. Hier hat JP Morgan versagt.

Gier ist an der Wall Street so wichtig wie ein Anzug. Finanzmärkte sind in der Theorie deswegen so toll, weil sie brutal effizient sind. Jedes Risiko, jede Zahlung wird eiskalt durchgerechnet, jeder Gewinn wird mitgenommen. Kapital fließt also immer dorthin, wo es volkswirtschaftlich sinnvoll ist. Doch der Mensch funktioniert nicht so mechanisch. Und da Händler auch nur Menschen sind, werden sie stark von Anreizen beeinflusst: Anerkennung in der Branche, Millionen-Boni. Auch bei JP Morgan steckt offenbar hauptsächlich ein Händler hinter den Milliarden-Verlusten, der ein zu großes Rad drehen wollte, der unerschütterlich an seine Wetten glaubte. Er hatte so dicke Risiken angehäuft, dass sein Spitzname in der Branche "der Wal" war.

Dazu kommt Arroganz. Die Banken wissen, dass sie wichtig sind. In der Finanzkrise hat der Steuerzahler sie gerettet. Das ist ein schönes Sicherheitsnetz, das die Institute dazu verleiten kann, mehr und mehr Risiken einzugehen.

Die Politik versucht, Lehren aus der Finanzkrise zu ziehen und verschärft die Spielregeln. Die US-Banken stehen vor einer einschneidenden Regulierung, die Volcker-Regel soll die riskante Spekulation eindämmen. Die Wall Street ist nicht begeistert. Zu bürokratisch, zu komplex. Im Juli tritt die Regel in Kraft. Zu spät, um JP Morgan vor sich selbst zu schützen. Bankchef Dimon hatte sie "unamerikanisch" geschimpft. Oops.

Linktipp: Marketplace hat unterhaltsam und in einfachem Englisch erklärt, was genau bei JP Morgan passiert ist.

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