Milliardenhilfen für Kommunen:Regierung gewinnt Länder für den Fiskalpakt

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Der Weg zur Ratifizierung des europäischen Fiskalpakts in Bundestag und Bundesrat ist frei: Die Bundesländer wollen dem Vorhaben zustimmen. Im Gegenzug entlastet der Bund die Kommunen um mehrere Milliarden Euro bei sozialen Aufgaben.

Peter Blechschmidt und Daniela Kuhr, Berlin

Die Bundesländer wollen dem europäischen Fiskalpakt am kommenden Freitag zustimmen. Dies kündigten mehrere Ministerpräsidenten am Sonntagabend nach dreistündigen Verhandlungen mit der Bundesregierung im Kanzleramt an. Als Gegenleistung für das Ja des Bundesrats versprach die Regierung, vor allem die Kommunen in den kommenden Jahren spürbar zu entlasten. Zum großen Teil werden diese Entlastungen allerdings erst in der nächsten Legislaturperiode ab 2013/2014 wirksam.

An den Verhandlungen im Kanzleramt nahmen Amtschef Ronald Pofalla, Finanzminister Wolfgang Schäuble und Wirtschaftsminister Philipp Rösler für die Regierung sowie auf Seiten der Länder die Ministerpräsidenten Horst Seehofer (Bayern), Winfried Kretschmann (Baden-Württemberg), Kurt Beck (Rheinland-Pfalz), Reiner Haseloff (Sachsen-Anhalt und Hamburgs Bürgermeister Olaf Scholz teil. Bei dem Treffen ging es den Bundesländern darum, Belastungen ihrer Haushalte infolge des Fiskalpakts zu verhindern. Damit der Pakt in Kraft treten kann, müssen Bundestag und Bundesrat mit Zwei-Drittel-Mehrheit zustimmen.

Nach Darstellung der Ministerpräsidenten will die Bundesregierung den Ländern auf vier Gebieten entgegenkommen. Das umfangreichste Zugeständnis betrifft die sogenannte Eingliederungsbeihilfe für Behinderte, die derzeit mit jährlich rund 13 Milliarden Euro zu Buche schlägt und von den Kommunen getragen werden muss. Die Länder hatten gefordert, dass der Bund diese Kosten übernehmen solle. Nun wurde vereinbart, dass in der nächsten Legislaturperiode dafür ein neues Bundesleistungsgesetz verabschiedet wird, im Rahmen dessen der Bund nach den Worten Haseloffs zunächst vier Milliarden der Kosten jährlich übernimmt.

Ferner hat die Bundesregierung zugesagt, die Kosten der sozialen Grundsicherung im Alter früher als bisher abgesprochen zu übernehmen. Das entlastet die Kommunen laut Seehofer um bis zu 700 Millionen Euro jährlich. Schließlich will der Bund die Zahl der geförderten Kindertagesplätze von 750.000 auf 780.000 erhöhen, was ebenfalls ein Plus von mehr als 700 Millionen Euro bedeutet. Und letztlich will der Bund sich in größerem Maß am Ausbau des öffentlichen Nahverkehrs in den Gemeinden beteiligen. Wie viel dies

Grüne billigen Pakt mit knapper Mehrheit

Außerdem hat sich die Regierung verpflichtet, etwaige Strafzahlungen bei einer Verletzung des Fiskalpakts durch Deutschland allein zu tragen. Normalerweise entfiele ein Drittel solcher Sanktionen auf Länder und Kommunen. Schließlich erklärte sich die Regierung bereit, von 2020 an gemeinsame Anleihen von Bund und Ländern aufzulegen. Dies erleichtert den weniger zahlungskräftigen Ländern die Kreditaufnahme.

Die Länderchefs zeigten sich im großen und ganzen mit dem Erreichten zufrieden. CSU-Chef Seehofer sprach von einem vernünftigen Interessenausgleich zwischen Bund und Ländern. Der CDU-Politiker Haseloff sagte, man habe kein Maximalergebnis erzielt, aber der Bund habe die Finanznöte vor allem der Kommunen anerkannt. Der Rheinland-Pfälzer Kurt Beck (SPD) sagte, in vielen Punkten gebe es keine konkreten Zusagen; da müsse man in den kommenden Monaten und Jahren weiter kämpfen.

Der Grüne Kretschmann sprach von guten Kompromissen. Es sei gelungen, die Haushaltsautonomie der Länder zu bewahren. Kretschmann verwahrte sich gegen den Vorwurf, die Forderungen der Länder hätten in keinem Zusammenhang mit dem Fiskalpakt gestanden. Die Länder könnten sich nur auf den Pakt verpflichten, wenn sie wüssten, dass sie ihn auch einhalten könnten.

Zuvor hatte ein kleiner Parteitag der Grünen mit denkbar knapper Mehrheit die von der Parteiführung vorige Woche in Aussicht gestellte Zustimmung zum Fiskalpakt im Bundestag gebilligt. Nur 40 von 78 Delegierten eines Sonder-Länderrats stimmten dafür.

© SZ vom 25.06.2012 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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