Milliardendeal:Harald treibt den Preis hoch

Die Platte lebt

Eine Frage der Perspektive: Wie ungleich ist das Vermögen in Deutschland verteilt? Muss, wer in Berlin-Marzahn (Foto) aufwuchs, dort für immer bleiben? Die Antwort: Je nachdem, wie man die Zahlen interpretiert.

(Foto: Britta Pedersen/dpa)

Die Immobilienfirma Deutsche Wohnen schnappt sich neue Appartments, um eine Übernahme abzuwehren.

Von Benedikt Müller

Es ist erst zwei Monate her, dass zwei Handwerker an der Bochumer Konzernzentrale das neue Firmenschild angebracht haben: Vonovia steht da nun, in weißen Lettern auf blauem Grund. Nach der Übernahme des Mitbewerbers Gagfah hat sich der größte Vermieter des Landes, die Deutsche Annington, einen neuen Namen gegeben. Vonovia soll nicht mehr für heruntergekommene Wohnungen und gierige Investoren stehen. Vonovia will zufriedene Mieter und langfristigen Profit, so lautet das neue Mantra.

Im Alltag der Mieter ist der Name noch gar nicht angekommen. Sie haben noch immer mit "der Annington" beziehungsweise "der Gagfah" zu tun. Da will Vonovia-Chef Rolf Buch bereits den nächsten Konkurrenten kaufen: Deutsche Wohnen aus Berlin, den zweitgrößten Wohnungskonzern bundesweit. Am Montag sollen die Vonovia-Aktionäre bei einer außerordentlichen Hauptversammlung über den Plan abstimmen. Doch gegen die mögliche Rekordfusion auf dem Immobilienmarkt regt sich Widerstand vonseiten der Mieter, der Belegschaft und Teilen der Investoren. Vor allem aber stemmt sich die Deutsche Wohnen mit allen Mitteln dagegen, vom Marktführer aufgekauft zu werden.

Die Rekordfusion würde nur den Investoren nutzen, sagen Vertreter der Belegschaft und der Mieter

Am Freitagabend bestätigte Deutsche Wohnen den Kauf von knapp 14 000 Mietwohnungen, die der Mitbewerber Patrizia aus Augsburg für gut eine Milliarde Euro zum Verkauf angeboten hatte. Das Portfolio war in der Branche unter dem Namen "Obligo" bekannt und wechselt nun als "Harald" den Besitzer. Dadurch wird die Übernahme für Vonovia in letzter Minute teurer. Der Vorstand bewerte die Sachlage zurzeit neu, heißt es bei Vonovia. Die Hauptversammlung finde aber statt.

Damit Rolf Buch seinen Plan weiter verfolgt, müssen am Montag drei Viertel der Vonovia-Aktionäre einer Kapitalerhöhung zustimmen. Das ist eine hohe Hürde. "Sie machen so eine Offerte nicht, wenn Sie sich nicht vergewissert haben, dass einige Ihrer Investoren das gut finden", gab sich Buch kürzlich optimistisch. Sein Plan sah bislang vor, inklusive der Schuldenübernahme 14 Milliarden Euro für die Deutsche Wohnen zu bieten - unter der Bedingung, dass der Konkurrent "keine wesentlichen Vermögensgegenstände" mehr erwirbt. Genau das tut die Deutsche Wohnen: Um die 14 000 Wohnungen zu kaufen, nehmen die Berliner neue Schulden auf.

Wie der Fusionspoker ausgeht, ist nun vollkommen offen, sagt Georg Kanders, Analyst vom Bankhaus Lampe: "Die Entscheidung der Vonovia-Aktionäre bei der außerordentlichen Hauptversammlung wird knapp ausfallen." Die Deutsche Schutzvereinigung für Wertpapierbesitz (DSW) empfiehlt den Anlegern, Vonovias Plänen zuzustimmen. "Mit der Übernahme der Gagfah hat das Unternehmen gezeigt, dass es in der Lage ist, größere Übernahmen zu stemmen und daraus Synergien zu heben", sagt Geschäftsführer Thomas Hechtfischer. Auch die US-Aktionärsberater ISS und Glass Lewis sind der Ansicht, ein Kauf der Deutsche Wohnen würde sich für Vonovia-Anleger rechnen.

Bereits jetzt wohnen bei Vonovia gut eine Million Menschen zur Miete, ein Großteil davon im Ruhrgebiet. Mit dem Kauf der Deutsche Wohnen würde Vonovia ihren Marktanteil in gefragten Städten steigern, beispielsweise in Berlin auf knapp neun Prozent. In der Hauptstadt steigen die Immobilienpreise und Mieten zurzeit besonders stark an. Der Deutsche Mieterbund fürchtet, der fusionierte Konzern könnte in einigen Städten seine Marktmacht im Bereich der günstigen Wohnungen nutzen, um Mieten weiter zu erhöhen.

Auch die Gewerkschaft Verdi kritisiert, die Fusionspläne seien ausschließlich an den Interessen der Aktionäre ausgerichtet. "Weder für die Mieter noch für die Beschäftigten ist ein Vorteil erkennbar", sagt Landesfachbereichsleiterin Andrea Becker. Stets führten Übernahmen zum Verlust von Arbeitsplätzen.

Vonovia-Chef Buch versprach dagegen, von dem Zusammenschluss profitierten Aktionäre wie Mieter gleichermaßen. Ein fusionierter Konzern würde jährlich über 80 Millionen Euro mehr Gewinn einfahren als die beiden Firmen einzeln, rechnete Buch vor. Der Konzern könne mehr Geld in die Wohnungen investieren, weil er nur ein Callcenter, nur eine Buchhaltung bezahlen müsste. Zudem hätte er eine bessere Verhandlungsposition gegenüber Baufirmen, Finanzierern oder Netzbetreibern.

Ein Teil der großen Investoren kritisiert dagegen, Vonovia nehme die Übernahme zu früh in Angriff. Schließlich sei der Konzern noch mit der Integration der Gagfah beschäftigt. "Uns behagt die immer hektischere Geschwindigkeit von Fusionen und Übernahmen in dem Sektor nicht", schrieb die US-Investmentfirma MFS Anfang des Monats in einem offenen Brief an Vonovia. Zudem würde der Verschuldungsgrad der Bochumer wieder steigen. MFS gehört bei beiden Firmen zu den größten Aktionären.

Deutsche-Wohnen-Chef Michael Zahn hatte die feindliche Offerte aus Bochum mit scharfen Worten zurückgewiesen. Die Synergien seien "nicht im Ansatz erreichbar", sagte er. In einem Brief an die Vonovia-Aktionäre nannte Zahn die geplante Transaktion "wertvernichtend". Die Deutsche Wohnen hofft, dass die Mehrheit der eigenen Investoren ihre Aktien am Ende nicht an Vonovia verkaufen wird.

Beide Firmen sind in den vergangenen Jahren durch mehrere Kapitalerhöhungen und Zukäufe stark gewachsen. Dank der niedrigen Zinsen können sich Wohnungskonzerne zurzeit so günstig verschulden wie nie. Gleichzeitig geben Investoren viel Geld in die Branche, weil die Nachfrage nach Stadtwohnungen ungebrochen ist.

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