Milliarden für den Währungsfonds:Der Washington-Moment

Was passiert, wenn sich die Wirtschaftskrise weiter verschärft? Vorsorglich mobilisiert der Internationale Währungsfonds 430 Milliarden Dollar. USA und Kanada machen zwar nicht mit, dafür könnten sich einige Schwellenländer beteiligen. Allerdings wollen sie etwas dafür haben.

Nikolaus Piper

Der Internationale Währungsfonds hat die Europäer aufgefordert, Reformen zur Überwindung der Schuldenkrise zu beschleunigen. Zuvor hatte der IWF Zusagen über 430 Milliarden Dollar an neuen Krediten bekommen. Das Geld soll für den Fall bereitstehen, dass sich die Krise verschärft und eine Panik ausbricht. Gleichzeitig verpflichteten sich die Mitglieder des Fonds während ihrer Frühjahrstagung in Wa-shington, den Schwellen- und Entwicklungsländern so bald wie möglich mehr Einfluss in der Organisation zu geben.

Der amerikanische Finanzminister Timothy Geithner lobte die Krisenpolitik der Euro-Mitglieder in den vergangenen Wochen und Monaten. Sie hätten die "Grundlagen für mehr Stabilität" gelegt, hieß es in einer Erklärung. Gleichzeitig forderte Geithner aber wesentlich mehr: Der Erfolg der nächsten Phase der Krisenpolitik hänge von "Europas Bereitschaft und Fähigkeit ab, einschließlich jener der Europäischen Zentralbank, die Instrumente und Prozesse kreativ, flexibel und aggressiv anzuwenden, um schwache Länder dabei zu unterstützen, Reformen umzusetzen und mit den Finanzmärkten fertig zu werden".

IWF drängt auf Zinssenkungen

Der Währungsausschuss IMFC, das wichtigste Steuerungsgremium des IWF, verlangte von den Mitgliedern der Euro-Zone ebenfalls "mutige Strukturreformen". In seinem Weltwirtschaftsausblick hatte der Fonds zuvor sogar nahegelegt, die EZB solle die Zinsen noch einmal senken und den europäischen Banken direkte Hilfe aus Mitteln des Rettungsschirms EFSF und dem Stabilitätsfonds ESM gewähren - eine Forderung, die Bundesregierung und Bundesbank strikt ablehnen. Im Kommuniqué des Steuerungsausschusses taucht die Forderung auch nicht mehr auf.

Deutschlands Finanzminister Wolfgang Schäuble lehnte eine neue Debatte über die weitere Vergrößerung des europäischen Rettungsschirms ab. "Wir haben die Aufgaben gelöst und getan, was wir bis heute tun konnten", sagte er. Schäuble wandte sich gleichzeitig gegen ein Nachlassen der Sparpolitik. Die Industrieländer müssten zu ihrem Versprechen stehen, bis 2013 ihre Haushaltsdefizite zu halbieren. Das Versprechen hatten sie beim Wirtschaftsgipfel in Toronto 2010 abgegeben. Die IWF-Mitgliedsstaaten hätten "ein hohes Maß an Solidarität gezeigt", als sie die Mittel des Fonds um 430 Milliarden Dollar aufstockten, meinte Schäuble.

Viel Geld aus der Euro-Zone

Die Summe gilt als großer Erfolg für IWF-Direktorin Christine Lagarde. Bei der Konferenz, so sagte sie, habe sich ein "Washington-Moment" gezeigt, also eine Dynamik, die die kollektive Lösung der Probleme künftig erleichtern werde. Nach Einschätzung von Bundesbankpräsident Jens Weidmann könnte die Summe sogar noch größer ausfallen. Mehrere Länder hätten Absichtserklärungen abgegeben, wollten aber noch nicht genannt werden. Der größte Beitrag kommt mit 200 Milliarden Dollar (150 Milliarden Euro) von den Ländern der Euro-Zone. Die Bundesbank liefert dazu 41 Milliarden Euro. 60 Milliarden Dollar steuert Japan bei, größere Summen kommen auch von Korea, Saudi-Arabien und mehreren europäischen Ländern, die nicht zum Euro gehören. China, Russland, Indien, Brasilien, Indonesien und andere Länder hätten ihre grundsätzliche Bereitschaft erklärt, aber noch keine Summe genannt, teilte der IWF mit.

Nicht beteiligen werden sich Kanada und die Vereinigten Staaten. US-Finanzminister Geithner hätte keine Chance gehabt, einen Großkredit an den IWF durch den Kongress zu bringen, hieß es am Rande der Konferenz. Am kritischsten äußerte sich der kanadische Finanzminister Jim Flaherty. Er wollte den nicht-europäischen Währungsfonds-Mitgliedern die Möglichkeit geben, ein Veto gegen den Einsatz von IWF- Geld in Europa einzulegen.

Geld gegen Macht

Bei den 430 Milliarden Dollar handelt es sich allerdings ausdrücklich nicht um einen zusätzlichen Rettungsschirm für den Euro, das Geld soll allen Mitgliedern zustehen. Die Bedingung ist auch aus Sicht der Bundesbank wichtig, wie ihr Präsident Weidmann betonte. Wären die Kredite für bestimmte Euro-Staaten reserviert, käme die Aktion einer verbotenen Finanzierung dieser Staaten durch die Notenpresse gleich. Das Geld soll erst bei Bedarf fließen und nach den strengen Konditionen des IWF vergeben werden.

Die Mittelaufstockung beim IWF ist eng mit der Frage verknüpft, ob und wie schnell die Europäer bereit sind, auf Macht und Einfluss beim Fonds zu verzichten. Brasiliens Finanzminister Guido Mantega kritisierte, die Industrieländer unterstützten die Reform des IWF immer nur mit Worten. "Das ritualisierte Wiederholen solcher Art von Erklärungen reicht nicht annähernd aus." Die Bereitschaft von China, Indien und Brasilien, Mittel bereitzustellen, hängt nach Meinung von Beobachtern vom Tempo der Veränderungen ab.

Tatsächlich ist eine Reform, die den Einfluss der Schwellen- und Entwicklungsländer erhöht, längst beschlossen, wurde aber von den meisten Industriestaaten, darunter den USA ebenso wie den EU-Mitgliedern, noch nicht ratifiziert. Bundesfinanzminister Schäuble versprach, dass Europa dies bis zur Jahrestagung von IWF und Weltbank im Oktober nachgeholt haben werde. "Wir liefern, was wir versprochen haben", sagte der Minister.

Im Zuge der Reform wird Europa Kapitalanteile ("Quoten") und zwei Exekutivdirektoren im Verwaltungsrat des Fonds verlieren. Nach der geltenden Quotenaufteilung hat Belgien mit einem Anteil von 1,93 Prozent ein größeres Gewicht als Brasilien (1,79). Durch die Reform wird sich aber an der Vorrangstellung der Vereinigten Staaten (derzeit 17,69 Prozent) nichts ändern. Deutschland wird zwar Rang drei unter den 188 IWF-Staaten zugunsten Chinas aufgeben müssen, kann seinen Exekutivdirektor aber behalten. Bis Januar 2014 werden die Gewichte im Fonds dann erneut justiert. Dabei solle der Anteil der Schwellen- und Entwicklungsländer noch weiter steigen, hieß es in der Abschlusserklärung des Währungsausschusses.

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