Milliarden-Deal zwischen Exxon und Rosneft:Ölrausch in der Sperrzone

Ewiges Eis? Von wegen. Das Tauwetter in der arktischen Region hat einen gigantischen Wettlauf um die Rohstoffe rund um den Nordpol ausgelöst. Ganz vorn dabei sind jetzt die Energiegiganten Rosneft und Exxon - bei Umweltschützern weckt der Ölrausch neue Ängste.

Hans von der Hagen und Markus C .Schulte von Drach

Der Auftrag soll von ganz oben gekommen sein. Russlands damaliger Präsident Wladimir Putin soll 2007 persönlich das Hissen einer russischen Flagge aus Titan unter Wasser am Nordpol angeordnet haben.

Studie - Eisfläche der Arktis schmilzt in Rekordtempo

Die Eisfläche der Arktis schmilzt - darum bringen sich nun die Konzerne in Stellung.

(Foto: dpa)

Die Botschaft der aufsehenerregenden Inszenierung in 4000 Metern Tiefe war eindeutig: Die Arktis ist russisch. Anrainerstaaten wie Kanada empörten sich ob dieser Frechheiten, doch Russland sieht Teile des Bodens im Arktischen Ozean vorsorglich als eine natürliche Verlängerung des eigenen Festlandes und will dies in den nächsten Jahren auch beweisen. Darum erhebt es Anspruch auf ein mehr als eine Million Quadratkilometer großes Gebiet, das auch den Nordpol einschließt.

Es geht um viel: Auf der Arktiskonferenz im vergangenen Jahr hatten Vertreter aus Russland erklärt, bis 2020 könne das Land in der Arktis etwa 100 Millionen Tonnen Öl (umgerechnet 729 Millionen Barrel) sowie etwa 150 Milliarden Kubikmeter Erdgas fördern. Manche Forscher gehen gar davon aus, dass die Arktis in den nächsten Jahrzehnten zur weltweit wichtigsten Erdölregion aufsteigen könnte, selbst wenn die geschätzten Vorkommen dies bislang als unwahrscheinlich erscheinen lassen.

Nach Angaben des US Geological Survey könnten in der Arktis knapp ein Drittel der noch unerschlossenen Gasverkommen sowie gut zehn Prozent der unerschlossenen Ölreserven liegen. Ein Großteil der Vorräte wird dabei außerhalb der Küstengewässer - also Offshore - vermutet. Darauf erheben nun neben Russland auch die übrigen Länder der Arctic Five Ansprüche - Kanada, Dänemark über seinen autonomen Landesteil Grönland, Norwegen und die Vereinigten Staaten.

Auch wenn viele Rechtsfragen ungeklärt sind - die nun getroffene Übereinkunft zwischen dem US-Energiegiganten Exxon Mobil und Rosneft über die gemeinsame Ausbeutung von Ölfeldern in der Arktis dokumentiert, dass sich die Konzerne längst in Stellung gebracht haben. Die Region ist für die Unternehmen von überragender Bedeutung. Nach Angaben von Rosneft umfassen allein schon die Fördermöglichkeiten in der Karasee schätzungsweise 36 Milliarden Barrel Öl. Insgesamt werden dort Schätze im Volumen von 110 Milliarden Barrel an Öläquivalenten vermutet. Das wäre mehr als das Vierfache der nachweislichen Reserven von Exxon weltweit.

Heikle Bedingungen

Dass so bedeutende Rohstoffvorkommen bislang kaum erschlossen wurden, ist freilich nicht allein offenen Grenzfragen, sondern auch den schwierigen Bedingungen im hohen Norden, den großen Entfernungen der Lagerstätten von den Absatzgebieten und dem empfindlichen Ökosystem in der Arktis geschuldet.

Bohrungen sind vor allem im kurzen arktischen Sommer möglich, wenn Teile des Meeres eisfrei sind oder die Eisschicht nur noch dünn ist. Käme es während der Arbeiten im Sommer zu einem Leck, müsste dieses vor Winterbeginn geschlossen werden. Sonst könnte das Öl bis zum nächsten Sommer ungehindert austreten und sich unter dem Eis sammeln, warnt etwa Greenpeace.

Zwar arbeiten Ölfirmen an Maßnahmen, mit denen eine Ölpest auch im Nordpolarmeer bekämpft werden könnte. Doch die Erfahrungen mit der Deepwater-Horizon-Katastrophe im Golf von Mexiko 2010 machen Umweltschützer skeptisch. Vor der Küste der USA war es dem Unternehmen BP über Monate nicht gelungen, ein Leck am Meeresboden zu schließen. Im Gegensatz zur Tiefsee im Golf von Mexiko ist die Karasee zwar relativ flach. Doch "es gibt heute keine Technologie, mit der sich Eis von Öl befreien lässt", erklärte im vergangenen Jahr Ron Bowden vom Unternehmen Aqua-Guard Spill Response der kanadischen Regierung, wie die Nachrichtenseite Can-West News berichtete.

Doch es gibt noch weitere Gründe, warum Naturschützer eine Ölkatastrophe im Nordpolarmeer besonders fürchten. So wird Öl unter den arktischen Bedingungen nur sehr langsam zersetzt und kann deshalb langfristig auf das Ökosystem wirken. Die Folgen der Exxon-Valdez-Katastrophe im Prinz-William-Sund Alaskas sind auch nach mehr als 20 Jahren noch zu spüren - obwohl es sich hier "nur" um die begrenzte Ölmenge eines Tankers handelte.

Die Konzerne halten dem entgegen, dass sich das Öl im kalten Wasser langsamer ausbreiten würde. Dies erweitere das Zeitfenster für Gegenmaßnahmen.

Experten des amerikanischen Pew Charitable Trusts kamen freilich Ende 2010 zu dem Schluss, dass die Pläne der Unternehmen für Gegenmaßnahmen bei Ölkatastrophen durch und durch inadäquat seien. "Die Ölfirmen sind einfach noch nicht bereit für die Arktis", erklärte Marilyn Heiman vom Pew-Arktis-Programm dem britischen Guardian.

Unbeeindruckt von derlei Bedenken jubelte Putin bei der Vertragsunterzeichung zwischen Exxon und Rosneft: "Es tun sich neue Horizonte auf." Das sollte wohl auch heißen: Die Sperrzone Arktis ist keine Sperrzone mehr. Aber das hatte der heutige russische Ministerpräsident ja schon im Jahr 2007 angedeutet. Mit einer Flagge aus Titan.

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