Milliardärin Liliane Bettencourt:Madame spricht - und schweigt

L'Oréal-Erbin Liliane Bettencourt, drittreichste Frau der Welt und reichste Frankreichs, redet erstmals offen über ihr Privatleben, verliert aber kein Wort über ihre angeblichen illegalen Parteispenden.

S. Ulrich

Paris - Erst ging es nur um ihr Geld und ihren Geisteszustand. Dann um ihre Steuermoral. Und schließlich um die Politik und die Zukunft des französischen L`Oréal-Konzerns: Die Affäre um Liliane Bettencourt, die drittreichste Frau der Erde, treibt Frankreich um. Madame aber lebt still und geheimnisumwittert im Auge des Taifuns. Seit Juni, als der Fall Schlagzeilen machte, äußerte sie sich kaum und gewährte keinen Einblick in ihr Reich, eine großbürgerliche Villa in Neuilly bei Paris. Nun erklärt sich die 88 Jahre alte Tochter des L`Oréal-Gründers Eugène Schueller in einem Interview mit dem Paris Match. "Die Wahrheiten der Liliane Bettencourt", titelt das Magazin.

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Liliane Bettencourt, drittreichste Frau der Welt und reichste Frankreichs, hat viel Ärger: Ihre Tochter will sie entmündigen lassen. Ihr Günstling, dem sie Geschenke im Wert von einer Milliarde Euro gemacht hat, kriege nicht genug, klagt sie. Und außerdem soll ihre Steuererklärung nicht in Ordnung sein. Aber das bestreitet Madame.

(Foto: dpa)

Die Bettencourt-Saga ist fast so komplex wie die Fernsehserie Dallas. Da streiten die Mutter Liliane und ihre Tochter Françoise miteinander, Richter streiten mit Staatsanwälten, die Regierung mit der Opposition. Behörden und Justiz führen zahlreiche Ermittlungen. Der L`Oréal-Konzern fürchtet um sein Image. Eine Kommission berät über Interessenkonflikte in der Politik. Arbeitsminister Éric Woerth ist beschädigt, und Präsident Nicolas Sarkozy wird von einer Ex-Buchhalterin der Familie Bettencourt beschuldigt, illegale Parteispenden bekommen zu haben. Daher ist es durchaus von nationalem Interesse, was Liliane Bettencourt zu sagen hat.

Die Hauptaktionärin von L`Oréal versucht zunächst, den Vorwurf ihrer Tochter auszuräumen, sie sei nicht mehr bei Trost und gehöre - schon im Interesse des Kosmetikkonzerns - entmündigt. Die Fotos zeigen eine ältere, keineswegs greisenhafte Dame samt Butler, Gärtner und Garderobiere. "Sie ist politisch, neugierig, schelmisch, charmant und manchmal hart, aber immer unterhaltsam", schmachtet Paris Match: "Ihr Körper und ihre Bauchmuskeln lassen ihre Angestellten träumen." Sodann erfährt Frankreich, dass die betagte Dame allmorgendlich eine Stunde schwimmt, jeden Mittag Politiker und Geschäftsleute trifft und ihre Dackel mit Fisch füttert, dem schönen Fell zuliebe. Außerdem soll Mao für Madame geschwärmt haben, "vielleicht zu viel", wie sie findet.

Gravierender dürfte sein, dass die Milliardärin in dem Interview mit ihrem langjährigen Günstling, dem Fotografen François-Marie Banier, bricht. Bettencourt hatte dem 25 Jahre jüngeren Lebemann Geld- und Sachgeschenke im Wert von einer Milliarde Euro gemacht. Ihre Tochter hat Banier deshalb wegen "Missbrauchs der psychischen Schwäche" ihrer Mutter verklagt. Sie fürchtete, Banier könne Einfluss auf L`Oréal bekommen. Nun sagt auch die Mutter, Banier sei ein Mensch, der nie genug bekomme. Sie könne in seiner Gegenwart nicht mehr atmen. "Er ist allzu mühsam geworden." Vor kurzem hat Liliane Bettencourt den Dandy bereits als Erben gestrichen. Mit ihrer Tochter aber versöhnt sie sich nicht. Mit Françoise werde es schwierig bleiben, sagt sie. Einen Satz später verspricht sie: "Was L`Oréal anbetrifft, werde ich, solange ich lebe, dafür sorgen, dass die Gruppe französisch bleibt."

Das dürfte viele Franzosen beruhigen. Sie fürchten, der Streit im Hause Bettencourt könnte dazu führen, dass der als nationales Prunkstück angesehene Konzern ins Ausland verkauft wird, etwa an Nestlé, das bereits zweitgrößter L`Oréal-Aktionär ist. Sarkozy selbst sagte: "Ich will, dass L`Oréal, 17 Milliarden Euro Umsatz, 64 000 Beschäftigte, nicht ins Ausland abwandert." Auch bei L`Oréal macht man sich Gedanken.

Bislang sei der Konzern unbeschädigt durch die Affäre gelangt, versicherte diese Woche Vorstandschef Lindsay Owen-Jones. Allerdings werde im Ausland bereits von einer "Affäre L`Oréal" gesprochen. Daher fordert Owen-Jones: "Es ist wichtig, dass Liliane und Françoise Bettencourt den Weg der Versöhnung finden."

Dazu wird es, hört man die Mutter, nicht kommen. Die Familiensaga wird die Politik weiter umtreiben. Allerdings verrät die Milliardärin nichts über ihre Beziehungen zum Regierungslager. Sie räumt nur ein, in der Vergangenheit hätten ihre Verwalter "Dummheiten" gemacht, und meint damit Auslandsanlagen, die der Steuer entzogen wurden. Fragen nach ihrem Verhältnis zum früheren Finanz- und heutigen Arbeitsminister Éric Woerth beantwortet sie nicht. Woerth wird verdächtigt, als Schatzmeister der Regierungspartei UMP von Madame Bettencourt illegale Spenden für den Präsidentschaftswahlkampf Sarkozys angenommen zu haben; als Minister habe er die Milliardärin in Steuerangelegenheiten begünstigt. Woerth bestreitet dies, aber die Affäre belastet die Regierung Sarkozy schwer.

Da Bettencourt schweigt, hängt die Aufklärung ganz an der Strafjustiz. Doch die ist zerstritten. Der zuständige Staatsanwalt hat den Ruf, Sarkozy nahezustehen. Die Opposition argwöhnt, er schütze Woerth. Zudem ist der Staatsanwalt an die Weisungen des Justizministeriums gebunden. Der Generalstaatsanwalt am Kassationsgerichtshof - er entspricht dem Bundesgerichtshof - forderte deshalb diese Woche, die Affäre um Bettencourt und Woerth einem unabhängigen Untersuchungsrichter zu überweisen. Der Staatsanwalt von Nanterre aber weigert sich, den Fall aus der Hand zu geben. Die Sozialistin Ségolène Royal findet, die Freiheit der Justiz werde auf schockierende Weise behindert.

Es geht also ums Grundsätzliche in der Republik. Um das Verhältnis von Macht und Milliarden, Politik, Wirtschaft und Justiz. "Diese Affäre ist eine sehr große Prüfung", meint Liliane Bettencourt. Doch sie kann der Sache eine gute Seite abgewinnen. Sie bekomme viel Unterstützung, sagt die alte Dame. "Ich habe dabei wunderbare Leute kennengelernt, angefangen bei meinen Rechtsanwälten, die charmant sind!"

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