Militär-Geländewagen "Hummer":Das Monsterauto hat ein Imageproblem

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Jahrelang war der Hummer ein Spielzeug für reiche Amerikaner, bis 2004 der Umsatz zurückging. Jetzt soll ein Modell für Frauen die Nachfrage beleben.

Von Marc Hujer

Mehr als eine Stunde hat Herr Craig Mac Nab nun schon durch die Fabrik von AM General geführt.

Als Zivilmodell eines Militärfahrzeugs gilt der Hummer als besonders geländetauglich. (Foto: Foto: AP)

Er hat gezeigt, wo der Militär-Humvee gebaut wird, wo die militärische Produktion in die zivile übergeht, und wo der riesige Geländewagen Hummer die Montagestraße verlässt.

Er hat die Gemeinsamkeiten zwischen den Autos hervorgehoben, nicht so sehr die Unterschiede und einmal hat er sogar gesagt, dass am Schluss sowieso alle gleich seien, die Militärgefährte und die zivilen Monster-Vehikel, weil sie alle den Belastungstest überstehen müssten, den "künstlichen Taifun".

Vor ihm steht nun ein Rohling, ein Hummer H1, das erste, teuerste, mächtigste, raueste Modell aus Amerikas exzentrischster Allradwagenserie.

Er ist unlackiert, hässlich und "taifun"-getestet. "Die größte Herausforderung", sagt Mac Nab, "war der Lack. Unsere Ingenieure haben zuerst nicht geglaubt, dass sich dieses Auto überhaupt lackieren lässt."

Er blickt in die Runde, triumphierend, weil er weiß, dass es den H1 jetzt auch in "sandmetallic" oder "wettbewerbsgelb" gibt. "Aber wir haben es möglich gemacht".

Fahrtraining für 5500 Dollar

Natürlich ist der Hummer nicht einfach ein Auto. Der Hummer ist ein Statussymbol, ein Statement, oder, wenn man es mit den Worten seiner Besitzer ausdrücken will, ein wildes Tier, das zugeritten werden muss, am besten täglich.

AM General hat ein Dutzend Hummer-Besitzer an den Firmensitz nach South Bend im US-Bundesstaat Indiana eingeladen. Sie wohnen im Marriott Hotel, und sie alle haben das Privileg, gegen die Gebühr von 5500 Dollar eine Woche lang einen Kurs bei der Hummer-Fahrschule zu belegen, Firmenführung im Werk Mishawaka inbegriffen.

Nur ausgewiesene Hummer-Eigentümer sind zugelassen, Leute, die 140 000 Dollar für einen H1 oder 50 000 Dollar für einen H2 hingelegt haben. Im Schnitt haben Hummer-Eigentümer ein Jahreseinkommen von mehr als 200 000 Dollar. Und meistens besitzen sie gleich mehrere Hummer.

Keith Donovan ist aus Detroit nach South Bend gekommen, ein PR-Mann des weltgrößten Autobauers General Motors. GM hat vor fünf Jahren die Markenrechte an Hummer gekauft und vermarktet seitdem die Monsterautos.

Es war eine Erfolgsgeschichte, die 1992 damit begonnen hatte, dass Arnold Schwarzenegger nach einem Auto suchte, dass der "Ausdruckskraft seiner Persönlichkeit" entspricht. Er holte schließlich eine Sondergenehmigung bei der US-Regierung ein, um das bis dahin zu Militärzwecken genutzte Auto zu Hause in Los Angeles fahren zu dürfen, danach ging Hummer in Serie.

Heute gibt es den Hummer als Hardcore-Ausführung H1 und als "freundlicheren" H2, und Mitte Mai soll der frauenfreundliche H3 hinzukommen.

Verkaufszahlen eingebrochen

Seit letztem Jahr jedoch sind die Umsatzzahlen schlecht, die Zahl der verkauften Autos sank um 17 Prozent, und in South Bend rollten 2004 nur noch 30 000 Hummer H2 statt der geplanten 40 000 vom Band. Vielleicht ist es der hohe Benzinpreis, der inzwischen viele verschreckt, vielleicht auch, dass der Hummer heute normaler geworden ist.

Der H3 soll auch die Verkaufszahlen im Ausland verbessern, wo General Motors zurzeit nur 1600 Hummer pro Jahr verkauft, 600 davon in Europa. Donovan hat ein Vorführmodell aus Detroit mitgebracht und als er damit in South Bend herumgefahren ist, haben ihm die Leute noch interessiert nachgeschaut.

Am Übungsplatz aber, wo die Hummer-Männer auf ihren Fahrkurs warten, tänzelt niemand um sein Auto herum. "Ich bin mehr ein H1-Hummer-Typ", sagt Mike Read, Ingenieur-Berater und Hummer-Besitzer aus Seattle.

Unfall ohne Kratzer

Er mag die Marke, aber selbst einen H2 würde er wie die meisten hier niemals fahren. Was die Sicherheit seines Hummers betrifft, hat er seine Frau mit einem Foto von einem zerstörten Toyota überzeugt, der in einen Hummer gerast war.

Der Hummer habe keinen einzigen Kratzer abbekommen, der Besitzer habe vielmehr den Vorteil gehabt, dass jetzt endlich das lose Nummernschild festgedrückt worden war.

Einer wie Read, das wissen die Firmenbosse in Detroit, interessiert sich nicht für den H3, im Zweifel lässt er sich von einem H3 sogar vergraulen, weil der H3 das Image vom ungezähmten Monster H1 zerstört, von der "DNA der Hummer-Marke". Ein riskantes Manöver, sagen Marketingexperten, aber General Motors hat keine Wahl.

Nathan, dreifacher Hummer-Besitzer, ist mit seiner Ehefrau angereist. Im Oktober hat ihn General Motors schon einmal zum Testfahren nach Indiana eingeladen, jetzt ist er auf eigene Kosten hier, um an der Driving Academy teilzunehmen.

Er trägt einen Zopf und einen zottigen Bart, ein schwarzes T-Shirt mit Totenkopf und eine blau verspiegelte Sonnenbrille. Er ist zuvorkommend, gut gelaunt und sagt, dass er sich sehr auf das "Spielen" mit dem Hummer freue.

Sein Leben ist sorgenlos, er arbeitet nicht, sondern lebt von den Erträgen geerbter Familienunternehmen, einer Tankstelle und einem Fitnessclub in Minnesota.

Die Hälfte des Jahres verbringt er dort, weil die Familie dort lebt, die andere Hälfte an der Küste in Oregon, wo er mit seinem Hummer regelmäßig in die Sanddünen zum "Spielen" ausfährt. Was sein Leben betreffe, sagt er, habe er "Ying und Yang" gefunden.

Harte Teststrecke zum austoben

Wer den Spaß am Hummer verstehen will, muss mit ihm auf die Teststrecke von AM General gehen. Dann kann man erleben, wie der Hummer in eine 60-Prozent-Steigung kriecht, wie man plötzlich nur noch Himmel sieht und blind vertrauen muss, dass der Wagen die Spur hält.

Man kann erleben, wie ein Hummer meterhohe Matschhügel durchfährt, wie es sich anfühlt, wenn er mit einem Rad in der Luft rudert und sich in den nächsten Hügel fallen lässt.

Crooks' Frau sitzt auf dem Rücksitz und macht Photos von den Manövern, sie macht "wow", und "ahh", und zeigt auf die anderen Hummer, die hier umherkriechen wie Käfer, in der "Spinnenschlucht", in der "Terminator"-Schikane oder auf dem Hügel, der den Namen "Gleichstrom" trägt.

"Hummer-Fahren ist Kriechen", sagt Nathan Crooks, "und Kriechen bringt mindestens genauso viel Spaß wie Geschwindigkeit". Auf dem Weg hierher, sagt Crooks, ist er mit 160 Kilometer pro Stunde von der Polizei geknipst worden. Es waren nur 100 erlaubt.

Wenden im Wasserloch

Müde sollen sie sein, wenn sie am Abend ins Marriott kommen. Aber noch kann man sich Nathan Crooks nicht müde vorstellen. Sein Hummer steuert in ein Wasserloch am Ende des Übungsparcours. Es ist so tief, dass der Hummer fast bis zum Fenster einsinkt.

Es gehört zu den Standards wie die 60-Prozent-Steigerung oder die 40-Prozent-Seitenlage. Langsam sinkt der Hummer ins Wasser, und Nathan Crooks greift mit dem Arm aus dem Seitenfenster, um das Wasser zu spüren, die Bugwelle und den Kampf des Autos mit der Natur.

Brian Krueger, der Übungsleiter, sagt, man solle hier nur sehr langsam durchfahren, nicht schneller als fünf Kilometer pro Stunde, um keine Flutwelle zu erzeugen. "Blubblubblub", macht es, weil der Auspuff des Hummers gerade im Wasser versinkt und von der Hinterbank wiederholt Crooks Frau "blubblubblub". Es ist ein Moment, den Hummerfahrer genießen und erst als der Wagen schon wieder nach oben geht, hebt auch Nathan Crooks seine Stimme und sagt: "Blubblubblub".

© SZ vom 09.05.2005 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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