Milchpreise:Die Wut der Bauern auf Aldi und Lidl

Die Wut der Landwirte richtet sich auf die Discounter, die über die Preise entscheiden. Den Biobauern geht es besser: Denn Biomilch ist knapp - und entsprechend teuer.

Schwere Zeiten für Aldi: Deutschlands größte Discount-Kette sieht sich von den protestierenden Milchbauern an den Pranger gestellt. Der Handelsriese trage die Hauptverantwortung für den drastischen Preisverfall bei Milchprodukten, schimpfte am Mittwoch der Bauernverband. Die Konzernzentralen von Aldi in Mülheim und Essen wurden von mehr als 400 Bauern mit Treckern belagert.

Milchpreise: Wie viel soll die Milch kosten? Kommt darauf an, ob es Biomilch oder konventionell erzeugte Milch ist.

Wie viel soll die Milch kosten? Kommt darauf an, ob es Biomilch oder konventionell erzeugte Milch ist.

(Foto: Foto: dpa)

Tatsächlich kommt Aldi, Lidl und Co. nach Einschätzung von Branchenexperten eine Schlüsselrolle im Milchpreis-Konflikt zu. Das liegt schon an der schieren Marktmacht der Billiganbieter. Immerhin landen mehr als 40 Prozent des Geldes, das die Bundesbürger für Lebensmittel ausgeben in den Kassen der Discounter. Bei Milchprodukten liegt ihr Marktanteil sogar bei mehr als 50 Prozent.

Aldi ist Vorreiter bei Milchpreisen

Doch das allein erklärt noch nicht den Einfluss von Aldi. Die Nummer eins unter Deutschlands Discountketten setzt traditionell den Schwellenpreis für Milch und eine Reihe anderer Produkte des tägliche Bedarfs. Keiner dürfe hier billiger sein, heißt es in der Branche. Wer es versuche, riskiere einen Preiskrieg mit dem Marktführer. Aldi habe in der Vergangenheit bereits bewiesen, dass das Unternehmen bereit sei, seine Führungsrolle auch unter hohen Kosten zu verteidigen.

Die Vorreiterrolle zeigte sich im Herbst, als Aldi angesichts der gestiegenen Weltmarktpreise für Milch als erster Anbieter die Preise erhöhte und alle anderen erleichtert nachzogen. Und sie bestätigte sich Anfang April, als Aldi die Milchpreise wieder senkte und die Konkurrenten praktisch im Gleichschritt folgten. Tatsächlich bleibt den Aldi-Konkurrenten - egal, ob Edeka, Rewe oder Lidl - kaum eine Wahl, als sich an den Vorgaben von Aldi zu orientieren.

Denn Milch gilt im Einzelhandel als eine Art "Leuchtturmprodukt". Die Verbraucher kennen den Preis genau und vergleichen die Angebote der verschiedenen Handelsketten. Der Milchpreis spielt deshalb eine große Rolle für das Preisimage eines Geschäfts. Eine Preiserhöhung im Alleingang wäre selbst für Deutschlands größten Lebensmittelhändler Edeka ein gefährliches Unterfangen.

Domino-Theorie beim Milchpreis

Deshalb verlangte der Generalsekretär des Deutschen Bauernverbandes Helmut Born im Westdeutschen Rundfunk: "Aldi und Lidl müssen die Preise wieder hochziehen, damit der Bauer, und zwar jeder, zu seinem Recht und zu seinem kostendeckenden Preis kommt." Die Idee dahinter: Wenn die Discounter den Anfang machen, werden alle anderen wie bei einem Domino-Spiel folgen. Die Discounter schwiegen allerdings zunächst zu den Forderungen.

Das Vorgehen der Bauern stößt ohnehin bei Branchenkennern auf Skepsis. Der Kieler Professor für Landwirtschaftliche Betriebslehre und Produktionsökonomie, Uwe Latacz-Lohmann, etwa glaubt allenfalls an einen kurzfristigen Erfolg der Bauern. "Der Protest ist eine Auflehnung gegen die unterschiedlichen Machtverhältnisse am Markt", meint er. Der Einkaufsmacht der wenigen großen Handelsketten hätten die zersplitterten Molkereien und die Bauern letztlich jedoch kaum etwas entgegenzusetzen.

Mehr Effizienz gefordert

"Das kann vielleicht kurzfristig zu Knappheiten führen. Langfristig lässt sich das aber nicht durchhalten", meint der Experte. Letztlich werde auch in Zukunft der Markt über die Preise entscheiden. Und es sei eher unwahrscheinlich, dass die Preise am Weltmarkt auf Dauer das jetzt von den Bauern wieder angestrebte hohe Niveau des Vorjahres erreichen würden. "Im Durchschnitt wird der Preis deutlich darunter liegen."

Der Wissenschaftler sieht deshalb auf Dauer nur eine Chance für die deutschen Milchbauern: Effizienter zu werden. Schon heute produzierten die Milchbauern in Norddeutschland die Milch 10 Cent pro Liter billiger als ihre Kollegen im Süden. Allerdings werde dies zwangsläufig das Aus für zahlreiche kleinere Betriebe bedeuten.

Erster Erfolg in Bayern

In Bayern erzielten die Proteste jedoch nach einer Woche Lieferboykott einen ersten Erfolg. Die mittelständischen Milchwerke Berchtesgadener Land Chiemgau erhöhten wegen Lieferengpässen ihre Milchpreise auf 43 Cent pro Liter, wie Firmensprecherin Barbara Steiner im oberbayerischen Piding bestätigte.

Für Biomilch gelte mit Wirkung ab 1. Juni ein Literpreis von 51 Cent. Mit einem Lieferstopp kämpfen die Landwirte seit Dienstag vergangener Woche für die Anhebung der Milchpreise.

Auf der nächsten Seite: Biomilch wird problemlos geliefert - warum die Biobauern kein Problem mit dem Milchpreis haben.

Die Wut der Bauern auf Aldi und Lidl

"Viele Molkereien können den Engpass mit Milch aus dem Ausland überbrücken", sagte Steiner, "das können wir nicht." Der Betrieb garantiere die Herkunft der Milch aus den umliegenden Regionen. "Wenn wir das aufgeben, ist unsere Marke kaputt", fügte die Sprecherin hinzu. Bis auf wenige österreichische Landwirte könne die Molkerei daher nicht auf ausländische Lieferanten zurückgreifen.

Der Bundesverband Deutscher Milchviehhalter (BDM) lobte den Schritt. Da die dafür nötige Preiserhöhung erst noch durchgesetzt werden müsse, gehe die Firma in "erhebliche Vorleistung". Der Verband rief die Lieferanten der oberbayerischen Molkerei dazu auf, ihre Milch wieder an den Betrieb abzugeben. Der allgemeine Lieferstopp sei damit aber nicht beendet.

Der Markt für Biomilch ist stabil

Der BDM appellierte an alle anderen Molkereien, dem Beispiel aus Oberbayern zu folgen. Der Milchindustrieverband habe bislang noch keinen weiteren Gesprächstermin zugesagt, kritisierte der Verband.

Während viele Landwirte also weiter gegen den Preisverfall protestieren, geht es den Biobauern besser: Ihre Milch ist knapp und deshalb teuer. Auf den meisten Biobauernhöfen rollen wie immer die Lastwägen vom Hof. Denn der Preis für konventionell erzeugte Milch bricht ein, weil zu viel angeboten und zu wenig nachgefragt wird. Dagegen ist der Preis für Biomilch stabil, weil immer mehr Deutsche Biolebensmittel kaufen und die Landwirte mit der Produktion kaum nachkommen. Die Situation in vielen Biomolkereien ist deshalb trotz des heftigen Milchstreits vergleichsweise entspannt.

Dennoch solidarisieren sich auch Biobauern mit ihren Kollegen. So machen etwa auch 80 Prozent der brandenburgischen Biobauern, die ihre Milch an Molkereien liefern und nicht selbst vermarkten, beim Lieferboykott mit. "Es ist so, dass sie sich mit ihren konventionellen Kollegen solidarisieren", sagte die Geschäftsführerin des Anbauverbandes Bioland in Brandenburg und Berlin, Heike Kruspe. "Es kann nicht sein, dass ein Liter Wasser im Laden teurer ist als ein Liter Milch." Es sei auch im Sinne der Biobauern, dass die Milchpreise steigen, sagte Kruspe. Die Preisdifferenz zwischen konventioneller und Bio-Milch für die Verbraucher dürfe nicht "ins Unermessliche" steigen.

Zur SZ-Startseite
Jetzt entdecken

Gutscheine: