Milchpreis-Streit:Bauernaufstand in Berlin

Lesezeit: 3 min

Hunderte Milchviehhalter gingen heute in Berlin für einen höheren Milchpreis auf die Barrikaden. Doch selbst in den eigenen Reihen der Landwirte herrscht Krieg.

Stephanie Sartor

Bauer Josef scheppert vor dem Brandenburger Tor so laut mit seiner Kuhglocke, dass es selbst Angela Merkel im nahe liegenden Kanzleramt noch hören könnte. Der Allgäuer mit der Lederhose und dem Gamsbart am Hut will seinen Nachnamen nicht nennen. Bei sich zu Hause, kennt ihn ohnehin jeder. Das reicht, sagt er. Daheim hat er 60 Milchkühe im Stall stehen. Nur melken konnte er die heute Morgen nicht.

In Berlin demonstrierten heute Hunderte Bauern für höhere Milchpreise. (Foto: Foto: Getty Images)

Um zwei Uhr in der Früh ist er mit seinen Mitstreitern aus Kleinweilerhofen nach Berlin gefahren. Hunderte andere Milchviehhalter aus dem ganzen Bundesgebiet haben es ihm nachgetan.

Geschlafen hat Bauer Josef diese Nacht nicht. Warum auch? "Wir wollen hier die Politiker aufrütteln", sagt er und schüttelt noch einmal die messingfarbene Glocke. Schlafen kann er auch später noch. Und um die CSU geht es irgendwie auch. "Die hat die Bauern im Stich gelassen. Dafür haben sie bei der Wahl bezahlen müssen", sagt Bauer Josef. Um's Zahlen geht es auch heute. Denn die Bauern wollen mehr Geld für ihre Milch.

Der Milchpreis hat mal wieder Tiefststände erreicht. Im Bundesdurchschnitt liegt der Milchpreis derzeit bei 33,4 Cent pro Liter. Tendenz fallend. Darum die Milchparade am Brandenburger Tor, organisiert vom Bundesverband Deutscher Milchbauern (BDM). Es müssten schon 40 Cent wenigstens sein, sagen die Bauern hier. "Sonst können wir unsere Betriebe zumachen", erklärt BDM-Sprecher Hans Foldenauer.

Milchquote nach oben geschraubt

Anfang des Jahres liegt der Preis noch bei rund 38 Cent. Dann stürzte der Preis ab, in manchen Regionen auf 27 Cent. Die Bilder haben sich eingeprägt: Milchbauern im ganzen Land riefen im Mai zu Lieferboykotten auf und schütteten täglich bis zu 35.000 Liter in die Abflüsse. Nach dem Boykott erreichte der Preis etwa 35 Cent pro Liter. Seit dem rückt die 40-Cent-Marke in immer weitere Ferne.

Was den Bauern besonders zu schaffen macht: Zum 1. April wurde die Milchquote, die maximale Menge also, die jeder Staat der Europäischen Union an Milch produzieren darf, um zwei Prozent nach oben geschraubt. Deutschland wird in den kommenden Wochen entscheiden, ob die zwei Prozent sofort auf die Milchbauern umgelegt werden, was zu mehr Milch auf dem Markt führen würde, oder ob mit der Erhöhung noch gewartet wird, bis die Preise nach oben gehen.

Für BDM-Sprecher Foldenauer wäre ersteres eine "Katastrophe", weil das Angebot die Nachfrage schon jetzt weit übersteige. Die Folge: noch weiter sinkende Milchpreise.

Am kommenden Montag befasst sich der Agrarausschuss im Bundesrat mit der Verteilung der von der EU genehmigten Milchquotenerhöhung. Ginge es nach Foldenauer, die zusätzliche Quote würde in der so genannten "nationalen Reserve" bleiben, um sie später, je nach Marktlage, abrufen zu können.

Ein anderer Dorn im Auge des BDM ist der Umrechnungsfaktor. Das Problem: Zwar wird die Milch im Supermarkt pro Liter verkauft. Der Bauer wird aber pro Kilogramm Milch bezahlt. Für die Umrechnung zwischen Liter und Kilogramm bei Milch gibt es einen festgesetzten Faktor von 1,02. Um auf 100 Liter Milch zu kommen, muss der Bauer seinen Kühen 98 Kilo Milch abnehmen. Im Rest Europas ist der Faktor jedoch höher. Er liegt bei 1,03. Für 100 Liter Milch benötigt der Bauer in Holland also nur 97 Liter. "Das ist nicht fair", klagt Milchwirt Foldenauer. "Ein Prozent der Produktion verschenken wir quasi."

Verbände arbeiten nicht miteinander

Unberechenbar macht den Markt auch die Saldierung. Die Milchquote darf nur in der Summe nicht überschritten werden. Zwar bekommt jeder Milchbauer eine eigene Quote zugewiesen. Aber er kann sie überschreiten, wenn anderen Bauern zu wenig Milch produzieren. Manche Bauern spekulieren geradezu darauf, dass sich die Kühe des Nachbarn als weniger spendabel zeigen. Schließlich wird jedes Kilo Milch bezahlt, solange die Quote insgesamt nicht überschritten wird. BDM-Sprecher Foldenauer ist deshalb für eine "konsequente Mengenregulierung" um solchen Spekulationen ein Ende zu machen.

Wenig hilfreich ist dabei die Dauerfehde zwischen dem Milchbauernverband und dem Deutschen Bauernverband (DBV). Beide Verbände haben im Grunde das gleiche Ziel: höhere Milchpreise. Doch von Gemeinsamkeiten will BDM-Mann Foldenauer nichts hören. "Der Bauernverband lehnt alle unsere marktwirtschaftlichen Forderungen ab, da können wir doch kaum das gleiche wollen."

Tatsächlich klingen die Forderungen des DBV wie ein Gegenprogramm zum BDM: Der Bauernverband will die Quotenerhöhung sofort auf die Landwirte umgelegt sehen. Auch Saldierung und Umrechnungsfaktoren sollen bleiben wie sie sind. Laut DBV hätten Änderungen eine Schwächung der Wettbewerbsfähigkeit zur Folge. Marktanteile der deutschen Bauern würden an die EU verloren gehen, heißt es in einer Erklärung des DBV.

DBV-Sprecherin Agnes Scharl bestreitet dennoch, dass man die Ziele des BDM untergraben wolle. "Natürlich haben wir gemeinsame Interessen, nur sind die Wege, um die Ziele zu erreichen, unterschiedlich."

Ob Bauer Josef die Politik wachrütteln konnte, wird sich am kommenden Montag zeigen, wenn der Agrarausschuss des Bundesrates zusammenkommt, in dem die Landesagrarminister die Änderung der Milchquotenverordnung beraten. Das könnte bitter für den BDM werden. Momentan sprechen sich die meisten Minister für einen sofortige Verteilung der Quote aus. Den Bauernverband wiederum dürfte das freuen.

© sueddeutsche.de/ld - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite
Jetzt entdecken

Gutscheine: