Mietrecht:Kündigung wegen Eigenbedarfs? Von wegen!

Mietpreisbremse

Darf eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts genau wie jeder andere Vermieter Eigenbedarf anmelden? Das klärt am Mittwoch der Bundesgerichtshof.

(Foto: dpa)
  • Der Bundesgerichtshof entscheidet am Mittwoch, ob eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts (GbR) Eigenbedarf an einer Wohnung anmelden darf.
  • Eine Münchner Familie hatte ausziehen sollen, um die Wohnung für die Tochter eines Gesellschafters frei zu machen. Die Mieter hielten dies für vorgeschoben - tatsächlich habe die Gesellschaft die Wohnung sanieren wollen.
  • Die Eigenbedarfskündigung könnte je nach Urteil zur Allzweckwaffe für Immobiliensanierer werden.

Von Wolfgang Janisch

Das Mietrecht bietet für den, der sich gern streitet, bekanntlich eine Fülle von Möglichkeiten. Man kann wegen pink gestrichener Wände oder wegen des Umlageschlüssels für die Treppenhausbeleuchtung vor Gericht ziehen - gerade im Detail schlummert Konfliktpotenzial. Manchmal aber lohnt es, sich zu wehren, zum Beispiel, wenn im Anschreiben des Vermieters das Wörtchen "Eigenbedarf" aufleuchtet. Dann nämlich geht es ums Ganze - um die Kündigung.

Prinzipiell muss man sagen: Eine Kündigung ist schon okay, wenn der Vermieter die Wohnung etwa für seine Tochter benötigt, die sich nun, da sie Mann und Kind hat, häuslich niederlassen will. So viel Eigentumsrecht muss sein. Die Eigenbedarfskündigung, über die an diesem Mittwoch der Bundesgerichtshof verhandelt, geht jedoch über den trauten Familienkreis hinaus. Sollte der Vermieter damit durchkommen, könnte das zum Kündigungsmodell für günstige Wohnungen in teuren Gegenden werden.

Hier heißt die teure Gegend München, genauer: Lehel. Im Münchner Mietspiegel ist der Stadtteil rot eingefärbt, das steht für "zentrale gute/beste Lage"; zum Viktualienmarkt sind es zwölf Minuten zu Fuß. Sehr viel teurer geht es nicht. Die Mieter aus dem BGH-Fall wohnen dort seit 1985 und zahlen derzeit unfassbar bescheidene 1370 Euro, inklusive einiger Nebenkosten. Für fünf Zimmer mit 166 Quadratmetern. Im Sommer 2014 erhielten sie die Kündigung. Und hier beginnt das Problem. Vermieter ist nicht etwa ein besorgter Vater, sondern eine Gesellschaft des bürgerlichen Rechts (GbR), deren erklärtes Ziel die Modernisierung des Mehrfamilienhauses und dessen Aufteilung in Eigentumswohnungen ist. Zu den Gesellschaftern gehören der frühere Käufer des Hauses und sein Steuerberater. Und wie es der Zufall will, hat die Tochter des Steuerberaters einen Mann und ein Baby. Und braucht eine Wohnung.

Darf eine GbR Eigenbedarf zugunsten eines Gesellschafters geltend machen? Tatsächlich ist die Frage längst entschieden - der BGH hat sie 2007 mit Ja beantwortet. Begründung: Bei Verträgen mit mehreren Vermietern dürften diese ebenfalls wegen Eigenbedarfs kündigen, und eine GbR sei im Grunde nichts anderes. Das Landgericht München I lehnt sich nun aber gegen diese investorenfreundliche Karlsruher Linie auf. Solche Gesellschaften "sind in der Regel klar auf die Amortisierung und Vermehrung der getätigten Investitionen ausgerichtet", das Kündigungsrisiko sei daher schwer überschaubar, heißt es in dem Urteil.

Soll heißen: Mit dieser so harmlos klingenden Gesellschaftsform GbR - das ist ja keine Aktiengesellschaft - könnte die Eigenbedarfskündigung zur Allzweckwaffe für Immobiliensanierer werden; irgendein Mitgesellschafter wird schon einen Neffen oder Schwager mit Wohnbedarf haben. Ohnehin ist der BGH beim Eigenbedarf ziemlich großzügig. "Ernsthafte" Übertragungsabsicht und "nachvollziehbarer" Nutzungswille genügen.

Vollzieht der BGH dennoch einen Schwenk hin zu mehr Mieterschutz? Es ist gerade mal fünf Jahre her, dass er den Eigenbedarf für Gesellschafter zuletzt bekräftigt hat. Und drei der damals beteiligten Richter sind an diesem Mittwoch wieder dabei.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: