Wohnen:Mietpreisbremse: Nur wer wagt, gewinnt

Zwei Wohnanlagen in München - die Mietpreisbremse zeigt langsam Wirkung.

Nur wenige Hundert Luftmeter trennen ein baufällig anmutende Wohnanlage in München Untergiesing (l) und eine neue gebaute in dem benachbarten Bezirk Obergiesing (r)

(Foto: Jessy Asmus)
  • Viele Menschen haben die Bremse bislang nicht genutzt und Mieterhöhungen akzeptiert.
  • Jetzt gibt es erste Fälle, in denen die Zahlungen nach unten korrigiert wurden.
  • Das liegt auch an einem Berliner Anwalt, der die Durchsetzung der Regeln zum Geschäftsmodell macht - mithilfe eines Online-Portals.

Von Thomas Öchsner, Berlin

Es geht also doch, wenn Mieter auf ihr Recht pochen. 1200 Euro Kaltmiete sollte die Wohnung in München-Schwabing kosten, fast 22 Euro für einen der 55 Quadratmeter. Das war im Juni 2016. Der Mieter zahlte zunächst, bis er sich September 2017 auf die Mietpreisbremse berief. Der Vermieter akzeptierte die Rüge. Seitdem beträgt die Miete nur noch 1044 Euro, das sind pro Monat 156 Euro oder jährlich 1869 Euro weniger.

Das Beispiel zeigt: Die Mietpreisbremse, von Kritikerin schon totgesagt, kann funktionieren. Aber bislang trauen sich erst wenige Mieter, gegen ihre Vermieter vorzugehen. "Das ist bislang wirklich kein Massenphänomen", sagt der Sprecher des Deutschen Mieterbunds. Doch langsam bewegt sich etwas.

Das liegt auch an Daniel Halmer. Der Rechtsanwalt hat in Berlin das Internetunternehmen Mietright mitgegründet. Das betreibt das Internetportal Wenigermiete.de und hilft wie im Fall des Münchner Mieters, wenn Vermieter die Preisbremse unterlaufen. Über das Portal können Mieter prüfen, ob die Eigentümer, wie im Gesetz vorgesehen, bei einer Neuvermietung wirklich höchstens zehn Prozent mehr verlangen als die ortsübliche Vergleichsmiete für Wohnungen dieser Qualität. Ist die Miete zu hoch angesetzt, rügt das Portal den Vermieter schriftlich und versucht, eine niedrigere Miete durchzusetzen.

Die Mietpreisbremse enthält viele Ausnahmen

Mehr als 1000 laufende Verfahren hat Mietright nach eigenen Angaben bereits. Die Zahl der erfolgreich erledigten Fälle sei "dreistellig", sagt Halmer. Auch der Berliner Mieterverein meldet erste Erfolge: Geschäftsführer Reiner Wild spricht von grob geschätzt 300 Fällen alle zwei Monate. Bei jedem zweiten gelinge es dem Mieterverein, eine niedrigere Miete durchzusetzen.

Das ist allerdings nicht ganz einfach. Die im August 2015 eingeführte Mietpreisbremse gilt in mittlerweile 313 deutschen Städten, enthält aber viele Ausnahmen. Sie greift nicht, wenn eine Wohnung neu gebaut, umfassend renoviert wurde oder schon der Vormieter mehr gezahlt hat als die ortsübliche Vergleichsmiete plus zehn Prozent. Und nur, wenn der Mieter danach fragt, müssen die Vermieter die vorherige Miete angeben. Die Mieter müssten den Vermieter rügen, "ohne zu wissen, ob der Vermieter irgendeinen rechtlichen Joker zieht und sich die Miete wirklich verringern lässt". Dieses Risiko gingen viele Mieter nicht ein, heißt es beim Mieterbund.

Halmer lässt sich davon nicht abhalten. Auf Wenigermiete.de müssen die Kunden nur angeben, wann sie wo eingezogen sind, wie groß die Wohnung ist, was sie zahlen. Die Angaben werden automatisch mit den ortsüblichen Vergleichsmieten verglichen. Stellt sich dabei heraus, dass ein Verstoß gegen die Mietpreisbremse vorliegt, wird auf Wunsch des Mieters der Vermieter angeschrieben. Wenn es gelingt, eine niedrigere Miete zu erstreiten, verlangt das Unternehmen die Ersparnis von vier Monatsmieten als Honorar. "Wir verdienen nur Geld, wenn wir für unsere Kunden erfolgreich sind", sagt Halmer.

Große Vermieter und Hausverwaltungen mittlerweile kompromissbereit

So war es auch im Fall des Schwabinger Mieters. Vier Monate Ersparnis ergaben für Mietright rund 623 Euro. Das Geld wurde in diesem Fall wie immer direkt vom Vermieter und nicht vom Mieter an das Unternehmen überwiesen. "Das geht, weil von der Rüge bis zum Abschluss des Verfahrens meist zwei, drei, vier Monate vergehen", sagt Halmer. Außerdem müsse der Vermieter bei einer nachträglich verringerten Miete auch einen Teil der Kaution zurückzahlen, womit sich das Honorar bereits ganz oder teilweise bezahlen lasse. Bei den mehr als 1000 Fällen hätte nach den Berechnungen von Mietright die Miete im Durchschnitt um monatlich 200 Euro verringert werden müssen. Die tatsächlich erzielte Ersparnis beläuft sich auf durchschnittlich 100 Euro pro Monat. Das liegt daran, dass es bei den Verfahren oft zu Vergleichen kommt. Sowohl bei Mietern als auch bei Vermietern sei die große Mehrheit bereit, sich auf einen Kompromiss zu verständigen. "Wir versuchen stets, eine Einigung zu erzielen, ohne die Gerichte einzuschalten. Gerichtsverfahren kosten Geld und dauern lange", sagt Halmer.

So seien einige große Vermieter und Hausverwaltungen nach anfänglicher Ablehnung mittlerweile kompromissbereit. "Vermieter gehen mit unseren Rügen recht professionell um. Bei großen Wohnungsunternehmen haben wir es mit Sachbearbeitern zu tun, das sind Profis, die wissen schon, wenn sie die Gesetze verletzt haben", sagt Halmer. Anders bei privaten Vermietern. "Diese sagen, oh, das wusste ich gar nicht. Oder sie denken sich, dann wurde ich halt erwischt, dann muss ich jetzt eben zahlen." Auch Geschäftsführer Wild vom Berliner Mieterverein bestätigt: "Es kommt häufig zu einem Vergleich."

Beim Münchner Mieterverein gibt es hingegen kaum Mitglieder, die sich wegen der Mietpreisbremse mit ihrem Vermieter anlegen. "Die Leute sind froh, überhaupt eine Wohnung bekommen zu haben. Da wollen sie nicht gleich am Anfang Ärger mit dem Vermieter", sagt ein Sprecherin. Hinzu kommt die unsichere Rechtslage in Bayern. Das Landgericht München hatte gerügt, dass die bayerische Landesregierung nicht ausreichend begründet habe, wann ein angespannter Wohnungsmarkt vorliegt. Aber nur dann greift die Mietpreisbremse. Nun hat die Landesregierung die entsprechende Verordnung nachgebessert - eine ausreichende Rechtsgrundlage, gegen den Vermieter vorzugehen, besteht damit allerdings nur für Neufälle.

Halmer hat deswegen den Freistaat Bayern verklagt. Er will klären lassen, ob dieser den Mietern Schadenersatz leisten muss, die wegen des Formfehlers der Regierung womöglich höhere Mieten zahlen müssen. Bis das in letzter Instanz geklärt ist, wird es wahrscheinlich Jahre dauern.

Der Berliner Rechtsanwalt will den Mietern Mut machen, sich zu wehren, ohne Angst vor einem Rauswurf aus ihrer Wohnung haben zu müssen. Mieter seien in Deutschland rechtlich schon sehr gut geschützt, sagt er. "Es mag Miethaie geben, die versuchen, aus ihrer Sicht renitente Mieter einzuschüchtern, aber das ist die absolute Ausnahme."

Schneller Auskunft vom Vermieter

Union und SPD wollen die Mietpreisbremse verbessern. Wo sie gilt, dürfen Vermieter bislang beim Abschluss eines neuen Mietvertrages nur eine Miete fordern, die höchstens zehn Prozent über der ortsüblichen Vergleichsmiete liegt - es sei denn, die Vormiete lag bereits über dieser Grenze. Die Vormiete muss der Vermieter aber nur auf Anfrage des Mieters nennen. Künftig soll der Vermieter verpflichtet werden, von vorneherein - und nicht erst auf Anfrage des Mieters - Auskunft über die Vormiete zu geben. So steht es im Koalitionsvertrag von Union und SPD. Dem Deutschen Mieterbund reicht das nicht aus. Der Verband fordert, die Mietpreisbremse bundesweit einzuführen, sodass deren Umsetzung nicht mehr von Verordnungen der Landesregierungen abhängt. Für Vermieter müsse es Sanktionen geben, wenn sie das Gesetz unterlaufen. Auch müsse die Regierung Vermieter verpflichten, bei Verstößen zu viel gezahlte Miete von Beginn des Mietvertrags an zurückzuzahlen - nicht erst vom Beginn der Rüge. Die Immobilienwirtschaft fordert, die Mietpreisbremse abzuschaffen. Union und SPD wollen die Mietpreisbremse bis Ende 2018 "auf Geeignetheit und Wirksamkeit" prüfen. Thomas Öchsner

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