Mieterstrom:So sollen Mieter von der Energiewende profitieren

Berlin Presents Alternative Energy Projects

Solarpaneele auf dem Dach einer Wohnsiedlung in Berlin.

(Foto: Andreas Rentz/Getty Images)
  • Durch ein neues Gesetz können Vermieter eine Förderung bekommen, wenn sie auf Dächern Solarstrom erzeugen und ihn an Mieter verkaufen.
  • Mieter können so an günstigeren Strom kommen, weil Abgaben fürs Netz entfallen. Genau das sei allerdings ungerecht, argumentieren Energieversorger.

Von Michael Bauchmüller, Berlin

Das Besondere am "Gelben Viertel" in Berlin lässt sich vom Gehweg aus nicht ahnen. Eine DDR-Plattenbausiedlung im Stadtteil Hellersdorf, mit viel gelber Farbe renoviert, die Bewohner alles andere als vermögend. Was so besonders ist an dem Viertel, das zeigt nur die Vogelperspektive: Die Hochhäuser sind gepflastert mit Solarzellen. Der Hamburger Stromanbieter Lichtblick versorgt hier Mieter mit Strom vom eigenen Dach. Und geht es nach der Bundesregierung, dann wird es bald bundesweit viele solcher Projekte geben.

Das Bundeskabinett hat am Mittwoch ein entsprechendes Gesetz verabschiedet: Erstmals können Vermieter oder Wohnungsbaugesellschaften damit eine Förderung bekommen, wenn sie auf Dächern Solarstrom erzeugen und ihn an Mieter verkaufen. Die Mieter wiederum sollen dadurch in den Genuss günstigeren Stroms kommen. Ihr Strompreis muss um mindestens zehn Prozent unter dem Tarif des örtlichen Grundversorgers liegen - der freilich auch nicht immer der günstigste ist.

Bislang hatten die Mieter wenig von der Energiewende. Brav zahlten sie jeden Monat die Ökostrom-Umlage, die auf den Strompreis aufgeschlagen wurde. Doch die zugehörigen Anlagen entstanden woanders: Vor allem Hausbesitzer profitierten von der Öko-Umlage, wenn sie ihre Dächer mit Solarpaneelen ausstatteten. Auf Mietshäusern blieben sie die Ausnahme. Damit sich das ändert, werden nun zunächst die Vermieter gefördert: Sie sollen eine Vergütung zwischen 2,5 und 4,1 Cent je Kilowattstunde erhalten, die sie erzeugen. Für einen durchschnittlichen Haushalt, den sie mit dem Strom versorgen, erhielten sie damit im Jahr eine Förderung zwischen 80 und 140 Euro. Je größer die Anlage, desto geringer ist die Förderung.

Allerdings muss der Vermieter - oder ein Unternehmen, das er mit der Stromversorgung beauftragt - seine Mieter nicht rund um die Uhr mit dem Strom vom Dach versorgen. Wenn die Sonne nicht scheint, kann er entweder ein Blockheizkraftwerk anwerfen oder Strom aus dem Netz beziehen. Oder aber, er installiert sich einen Stromspeicher. "Mit dem Mieterstrom wird auch das attraktiver", sagt Florian Henle von der Münchner Mieterstrom-Firma Polarstern. "Damit lässt sich der Strom tagsüber speichern, um auch abends die Mieter zu versorgen." Und das dann samt Förderung.

Auch die sonst üblichen Netzentgelte und Konzessionsabgaben fallen für den Mieterstrom vom Dach nicht an - schließlich ist kein öffentliches Netz nötig, um Elektrizität vom Dach in die dritte Etage zu transportieren. Unter den etablierten Stromversorgern löst bereits dies Unmut aus. Schließlich zahlen die Bewohner der Solar-Siedlungen nicht mehr für das Stromnetz mit, die Kosten für alle anderen steigen. "Wenige privilegierte Haushalte würden von den Netzentgelten befreit werden, während viele andere draufzahlen", kritisiert Stefan Kapferer, Chef des Branchenverbands BDEW. Auch drohten womöglich ganz neue Abhängigkeiten. Schließlich seien die Mieter in vielen Städten in der schwächeren Position: Um die begehrte Wohnung zu bekommen, würden sie gleich auch in den Stromvertrag mit dem Vermieter einwilligen - ob sie nun wollen oder nicht.

Nach Auffassung der Bundesregierung besteht diese Gefahr nicht. "Mieter sollen die Entscheidung für oder gegen den Bezug von Mieterstrom frei treffen können", heißt es im Gesetzentwurf. So sollen Miet- und Stromvertrag grundsätzlich getrennt abgeschlossen werden. Und der Vertrag über den Strom darf nicht länger laufen als ein Jahr. "Nur wenn der Mieter das Wahlrecht hat, bei überhöhten Preisen keinen Mieterstromvertrag abzuschließen oder später zu einem anderen Stromanbieter zu wechseln, wird der Vermieter wettbewerbsfähige Preise anbieten."

Moderne Solaranlagen erzeugen Strom weit billiger

Letzterer wiederum profitiert nicht allein von der staatlichen Förderung, sondern auch von seiner Verkaufsmarge. Schließlich liegt ein Grundversorgungstarif derzeit locker um die 28 Cent je Kilowattstunde. Minus zehn Prozent, wie es das Gesetz verlangt, ließe er sich an die Mieter immer noch für 25 Cent verkaufen. Abzüglich der Ökostromumlage - sie fällt auch auf den Mieterstrom an - blieben immer noch 18 Cent je Kilowattstunde. Moderne Solaranlagen erzeugen Strom weit billiger. Und die Förderung kommt auch noch drauf.

Mit der Marge lockt ein neues Geschäftsmodell, es könnte Stadtwerke und Immobilienwirtschaft auf den Plan rufen. "Viele von ihnen dürften nun bereit sein, bislang ungenutzte Dachflächen zu erschließen und attraktive Mieterstromtarife anzubieten", sagt Carsten Körnig vom Solarverband BSW. Und auch Mieterstrom-Pionier Lichtblick rechnet nun mit vielen neuen Ökodächern. "Das wird der gesamten Energiewende noch einmal einen Schub geben", sagt Lichtblick-Geschäftsführer Gero Lücking, einer der Initiatoren des Solardachs in Berlin-Hellersdorf. "Ohne das 'Gelbe Viertel' hätte es dieses Gesetz vermutlich nie gegeben."

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