Middelhoff-Prozess:Ende einer Freundschaft

Prozess gegen Thomas Middelhoff

Prozess gegen Ex-Arcandor-Chef Thomas Middelhoff: Roland Berger im Landgericht in Essen

(Foto: dpa)

Roland Berger soll vor Gericht als Zeuge über die Reisemotive seines einstigen Freundes und Ex-Arcandor-Chefs Thomas Middelhoff Auskunft geben. Doch es kommt zum Streit über dessen Solvenz.

Von Kirsten Bialdiga, Düsseldorf

- Über eine Stunde dauert es im Gerichtssaal 101, bis im Untreueprozess gegen Thomas Middelhoff das eigentliche Thema zur Sprache kommt. Jenes Thema, das von Anfang an wie eine Wand zwischen Anklagebank und Zeugenstand steht.

"Sie fordern noch Geld von Herrn Middelhoff?", fragt der Richter den vor ihm sitzenden Zeugen Roland Berger.

"Ja. Ja", antwortet der, und das klingt recht ungehalten.

Der Richter hakt nach: "Wie viel?"

Berger wird präzise: "Sechs Millionen sechshundertsechzigtausend plus aufgelaufene Zinsen."

Der Richter ist noch nicht zufrieden. Ob Middelhoff etwas zurückgezahlt habe.

"Leider nicht", erwidert Berger, sein Anwalt fügt hinzu: "Die Vollstreckungsmaßnahmen waren nicht erfolgreich."

Bergers Forderungen als "reine Show"

Über das Verhältnis zwischen dem früheren Arcandor-Chef Middelhoff und dem Unternehmensberater Berger ist damit alles gesagt: Von der langjährigen Geschäftsbeziehung, vielleicht sogar Freundschaft, ist nichts geblieben. Noch im Mai hatte Middelhoff Bergers Forderungen als "reine Show" bezeichnet. Denn man sei schließlich nach wie vor gut befreundet, Berger sei sein "väterlicher Freund".

Wie ernst es Berger mit der Eintreibung seiner Forderungen ist, ließ er Middelhoff Ende Juli spüren. Da schickte er ihm einen Gerichtsvollzieher ins Essener Landgericht und zwang seinen einstigen Geschäftspartner dazu, eine Vermögenserklärung abzugeben. Einen Offenbarungseid, wie das früher hieß. Es war jene Situation, die den einstigen Chef von Bertelsmann und Arcandor dazu verleitete, wegen der wartenden Fotografen aus dem Gerichtsfenster zu türmen. Middelhoff beschönigte das später mit den Worten, er sei "wie die Katze übers Dach". Nachher beschuldigte er Berger, der habe ihm die Presse geschickt, um die Schmach zu vergrößern. Was Berger vehement bestreitet.

Als Berger am Dienstag den Gerichtssaal in Essen betritt, würdigt er den Angeklagten Middelhoff keines Blickes und geht zielstrebig zum Zeugentisch. Eigentlich soll es im Landgericht um Middelhoffs mutmaßliche Privatflüge auf Firmenkosten gehen. Am 12. Januar 2009 zum Beispiel soll Middelhoff den Vorwürfen der Staatsanwaltschaft zufolge für mehr als 17 000 Euro mit einem Charterjet von Essen nach Berlin geflogen sein. Die Ermittler glauben jedoch, dass Middelhoff aus privaten Gründen in Berlin war.

Bergers Auftritt lässt Middelhoff nicht kalt

In der Hauptstadt soll Middelhoff sich auch mit Berger getroffen haben. Doch der kann sich an den Inhalt des Gesprächs vor gut fünf Jahren in Berlin nicht mehr im Einzelnen erinnern. Als Berger seinen glänzenden schwarzen Businesskoffer vor sich auf dem Zeugentisch aufklappt, kleben zwar jede Menge Spickzettel am Innenfutter. Doch viele Erkenntnisse bringt die Befragung nicht. "Ich war noch nie als Zeuge vor Gericht", bringt Berger als Entschuldigung vor. Nach gut einer Stunde ist er entlassen. Der Koffer schnappt wieder zu, und Berger strebt zum Ausgang.

Bergers Auftritt lässt Middelhoff nicht kalt. Kaum hat der 76-Jährige den Gerichtssaal verlassen, setzt der Angeklagte zur Gegenrede an. Er will die Verhältnisse geraderücken. Er sagt, dass er Berger seit 20 Jahren kenne. Dass der Berater über ihn einst schrieb, Deutschland brauche mehr Manager von seinem Schlage. Er bemüht sich, Daten und Namen, die Berger zuvor in seiner Vernehmung genannt hatte, zu korrigieren und versucht, dessen Glaubwürdigkeit in Zweifel zu ziehen.

Schließlich jedoch räumt Middelhoff ein, was Berger ihm seit Monaten vorhält: "Ich schulde ihm Geld."

Aber alles, was er an liquiden Mitteln habe, und das sei nicht wenig, liege zurzeit blockiert beim Bankhaus Sal. Oppenheim, sagt Middelhoff. "Darüber ist Roland Berger auch informiert." Er habe ihn gebeten, wegen seiner guten Beziehungen zur Deutschen Bank eine Moderatorenrolle zu übernehmen, um das Geld loszueisen. Denn Oppenheim ist heute eine Tochter der Deutschen Bank. Seit 2009 komme er nicht mehr an sein Geld, erklärt Middelhoff. "Wie kann ich Cash liefern, wenn das Geld festliegt?", sagt er und dabei schwingt etwas wie Verzweiflung mit. Doch schon im nächsten Satz hat er sich gefangen und platziert einen kleinen Kalauer: Auch in Immobilien sei sein Geld investiert - und die seien nun einmal nicht leicht zu verkaufen: "Darum heißt es ja auch Immobilien."

Streitpunkt ist ein Geschäft von 2008

Seine Verteidiger springen ihm bei, um den öffentlichen Schaden zumindest an diesem Morgen im Gericht in Grenzen zu halten. Middelhoff könne berechtigte Gegenansprüche aus dem Geschäft mit Berger geltend machen, versichern sie. Vielmehr trage Berger eine Mitschuld am Misserfolg der Sache.

Streitpunkt ist ein Geschäft aus dem Jahr 2008. Damals taten sich Middelhoff, Berger und der Investmentbanker Florian Lahnstein zusammen und gründeten den Finanzinvestor BLM mit Sitz in London, benannt nach den Initialen der Beteiligten. Sie brachten Firmenmäntel an die Börse und wollten das eingesammelte Geld in Unternehmen stecken. Der erste Mantel, Germany I, ließ sich gut platzieren, und so kauften die drei Investoren auch noch Optionen für weitere Aktien.

Doch die Optionen wurden nicht gezogen, und das wirft Middelhoff seinem einstigen Geschäftspartner Berger vor. Der habe seine Verpflichtungen als alleinverantwortlicher Geschäftsführer "sträflich vernachlässigt", führte Middelhoffs Anwalt Winfried Holtermüller aus. Danach habe ein massiver Wertverfall eingesetzt: "Wie einen wertlosen Lottoschein kann man die Papiere jetzt wegwerfen." Am 5. Dezember soll ein Gericht klären, wer recht hat. Middelhoff oder Berger.

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