Middelhoff:Fundstück

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Eine alte E-Mail entlastet den früheren Arcandor-Vorstandschef Thomas Middelhoff und andere Wirtschaftsgrößen. Danach wurden die umstrittenen Boni gründlich geprüft, bevor sie beschlossen wurden.

Von Klaus Ott

Die Mail, die jetzt in den Akten des Essener Arcandor-Prozesses überraschend gefunden wurde und die gleich mehrere frühere Wirtschaftsgrößen stark entlastet, ist acht Jahre, sechs Monate und drei Wochen alt. Verdammt lang her also, dass ein Jurist des Warenhauskonzerns Arcandor (Karstadt, Quelle) notiert hatte, wie damals über Bonuszahlungen für Vorstandschef Thomas Middelhoff und weitere Manager diskutiert worden war. Die Mail stammt vom 1. Dezember 2008. Sie dokumentiert: Die Boni waren nicht nebenbei beschlossen worden, einfach mal so. Sondern nach einer offenbar ausreichend gründlichen Prüfung.

Das Fundstück trägt zum vorzeitigen Ende des Prozesses bei, kaum dass dieser so richtig begonnen hat. Am heutigen Mittwoch will das Landgericht das Verfahren gegen den ehemaligen Arcandor-Chef Middelhoff einstellen, der kurz vor der Pleite des Konzerns noch 2,3 Millionen Euro Bonus kassiert hatte. Er war verdächtigt worden, Aufsichtsräte zur Zahlung einer ungerechtfertigten Prämie und somit zur Veruntreuung von Firmenvermögen angestiftet zu haben. Auch die sechs früheren Arcandor-Kontrolleure, die der Untreue angeklagt sind, können den Gerichtssaal wohl bald als freie Leute verlassen.

Zwei von ihnen, beide ehedem Arbeitnehmervertreter, sollen wegen geringer Schuld gar nichts zahlen. Die anderen vier sollen, nicht als Strafe, sondern als Geldauflage, jeweils 75 000 Euro überweisen. Kein Problem für den Ex-Chef des Handelskonzerns Rewe, Hans Reischl; für Leo Herl, den Ehemann der seinerzeitigen Quelle-Erbin und Arcandor-Großaktionärin Madeleine Schickedanz; für den einstigen Sal.-Oppenheim-Bankchef Friedrich Carl Janssen; und für einen weiteren Ex-Finanzmanager. Sie sind zwischen 62 und 77 Jahre alt, sie wollten den Sommer lieber mit ihren Familien verbringen, statt noch monatelang auf der Anklagebank zu sitzen, heißt es aus Kreisen von Prozessbeteiligten. Das Verfahren war ursprünglich bis kurz vor Weihnachten terminiert.

Für die Staatsanwaltschaft Bochum, die Middelhoff & Co. unbedingt verurteilt wissen wollte, sind die 75 000 Euro allenfalls eine Art Gesichtswahrung. Das ist in solchen Wirtschaftsprozessen so üblich, macht den Ausgang für die Ankläger aber nicht viel besser. Rätselhaft ist ohnehin, wieso die entlastende Mail jahrelange verschollen blieb. Und erst jetzt gefunden wurde, offenbar von Verteidigern, die sich durch die Akten wühlten. Die Anwälte der Angeklagten hatten schon vor Prozessbeginn erklärt, die Prämien seien so geprüft und bewilligt worden, wie die Justiz das vorschreibe. Seit den Prozessen um umstrittene Boni in Millionenzahlungen bei Mannesmann ist klar: Ein Aufsichtsrat darf den Vorstand nicht mit einer Sonderzahlung belohnen, für die es keine Grundlage gebe und die nicht ausreichend geprüft sei.

Die Mail könnte Middelhoff auch in weiteren Prozessen helfen. Bei Gericht wird seit Jahren gestritten, wer nach der Arcandor-Pleite wem etwas schuldig ist. Auch da geht es um Millionenbeträge. Das absehbare Ende des Essener Strafverfahrens ist nicht das Ende der Arcandor-Prozesse.

© SZ vom 21.06.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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