Microsoft:Vom Internet überrascht

Gewiefte Vertriebsmethoden führten Microsoft einst an die Spitze der Software-Industrie. Nun sieht das Unternehmen seine marktbeherrschende Stellung durch das Internet gefährdet.

Helmut Martin-Jung

Eigentlich, erinnert sich Sir Alan Sugar, sei er damals, Anfang der 1980er Jahre, "recht zufrieden" gewesen mit dem Betriebssystem, mit dem seine Firma Amstrad ihre Computer auslieferte. Doch da war dieser Amerikaner, Vertreter einer kleinen Firma aus Seattle. Jeden Tag kam der Mann wieder, bis er Sugar überredet hatte mit einem unschlagbar günstigen Angebot.

Microsoft: Nach Expertenmeinung war das Betriebssystem MS-DOS schlechter als seine Konkurrenten. Gates und Allen gelang es trotzdem, ihr Produkt  am Markt durchzusetzen.

Nach Expertenmeinung war das Betriebssystem MS-DOS schlechter als seine Konkurrenten. Gates und Allen gelang es trotzdem, ihr Produkt am Markt durchzusetzen.

(Foto: Foto: dpa)

Dessen Höhe darf der frühere britische Computerhändler bis heute nicht nennen. Die Episode wirft dennoch ein Schlaglicht darauf, wie die Schulfreunde William Gates und Paul Allen es von einer Garagen-Klitsche zur weltweit größten Softwarefirma gebracht haben.

Flankierende Maßnahmen

Als IBM 1981 an Microsoft herantrat, auf der Suche nach einem Betriebssystem für ihren ersten Personal Computer, da sagten Gates und Allen zu, obwohl sie gar kein Betriebssystem im Angebot hatten. Nachdem sie das Original nicht bekamen, kauften sie einen Klon des erfolgreichen Betriebssystems CP/M ein, veränderten ihn ein wenig und verkauften das Produkt als MS-DOS an IBM.

Obwohl MS-DOS, da sind sich die Experten einig, schlechter war als seine Konkurrenten, setzte es sich schließlich durch - vor allem dank flankierender Maßnahmen: Dazu gehörten Verträge mit Hardware-Herstellern, die ihnen Rabatte einräumten, wenn sie für jeden verkauften PC Lizenzgebühr zahlten und nicht für jede verkaufte Lizenz von MS-DOS.

Der Blick auf die Anfänge zeigt exemplarisch das Erfolgsrezept von Microsoft und damit von Bill Gates, das den Aufstieg zur marktbeherrschenden Stellung der Firma erst möglich machte. Das Bestreben Microsofts sei es stets, gute Software zu schreiben, die die Leute gerne benutzen würden, behauptet Gates bei jeder Gelegenheit.

Falls aber nicht, dann half man eben ein wenig nach: Einige Vorabversionen von Windows 3.1 beispielsweise zeigten im Herbst 1991 eine vorgetäuschte Fehlermeldung an, wenn man sie auf der Basis des von einem Konkurrenten entwickelten DR-DOS installierte anstatt des eigenen MS-DOS. Im Rahmen eines Kartellverfahrens gegen Microsoft wurden entsprechende interne Papiere im Nachhinein aktenkundig.

Vertrauliches Memo Mit Windows 95 schien dann endgültig der Punkt erreicht zu sein, von dem an die Macht der Redmonder nicht mehr aufzuhalten sein würde. Während aber alle Welt zur Premiere von Windows 95 - dem laut Microsoft-PR "wichtigsten Produkt seit der Einführung des ersten PC" - im August 1995 über Macht und Monopole sinnierte, sah Bill Gates, dass er einen Fehler gemacht hatte. Einen großen Fehler. Einen Fehler, an dem das Unternehmen noch heute knabbert: Gates und seine Leute hatten das Internet regelrecht verschlafen.

Vom Internet überrascht

In einem achteinhalb engbeschriebene Seiten umfassenden vertraulichen Memo an die Führungskräfte seines Hauses mit dem Titel "Die Internet-Flutwelle" sagte Gates im Frühjahr 1995 voraus, das Internet werde "den Kurs unserer Branche auf lange Sicht bestimmen." Und er, der verschiedene Stadien der Einschätzung des Internets durchlaufen habe, messe ihm nun "höchste Bedeutung" bei. Den gescheiterten Versuch, den Internet-Konzern Yahoo zu schlucken, darf man als vorerst letzte Anstrengung in einer ganzen Reihe werten, im Internet Fuß zu fassen. Richtig gelungen ist es Microsoft nie.

Google macht Druck

Obwohl der Konzern noch prächtig verdient: Es ist eine Welt denkbar geworden, in der nicht Betriebssystem und Bürosoftware das Wichtigste sind, sondern ein Internetanschluss, der sogenanntes Cloud Computing ermöglicht. Die Software, die man braucht, um Texte zu schreiben und Tabellen zu erstellen, würde dann nicht mehr in grauen Kisten unter dem Schreibtisch stecken, sondern auf Rechnerfarmen in einer imaginären Wolke (englisch: cloud), die man über das Internet ansteuert.

Hauptkonkurrent Google wirft ein Produkt nach dem anderen auf den Markt. Die kosten zwar ihre Anwender nichts, der Konzern lebt dennoch hervorragend von den Einnahmen, die er mit Werbung macht. Und so muss sich nun Microsoft einerseits der Konkurrenz auf seinem angestammten Gebiet durch die Betriebssysteme von Apple oder gar durch das frei verfügbare Linux erwehren.

Auf der anderen Seite aber weiß man in Redmond auch, dass auf diesem Terrain in Zukunft wohl immer weniger zu holen sein wird. Ein Renner wie noch das 2001 vorgestellte XP ist das neue Windows Vista nicht. Und was flankierende Maßnahmen betrifft, steht der Konzern unter Beobachtung. Die US-Kartellbehörde beispielsweise untersucht jetzt bereits Windows 7, den für 2010 geplanten Vista-Nachfolger darauf, ob ihre Auflagen eingehalten werden.

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