Metro nach der Aufspaltung:Ein Hauch von Amazon

Real-Markt

Groß, aber oft nicht besonders schick: Supermärkte der Metro-Tochter Real.

(Foto: Oliver Berg/dpa)

Ermittlungen und die Real-Märkte trüben das Bild bei Metro. Dabei verfolgt der Lebensmittelhändler ambitionierte Pläne - er will die Daten seiner Kunden.

Von Michael Kläsgen und Benedikt Müller, München/Düsseldorf

Es sei ein sehr besonderes Jahr gewesen, sagt Olaf Koch, "vollbepackt mit Herausforderungen". Der Metro-Chef hat am Mittwoch seine erste Jahresbilanz vorgelegt, nachdem sich der Handelskonzern in diesem Sommer zweigeteilt hatte: Die Elektronikmärkte von Media Markt und Saturn betreibt nun das Unternehmen Ceconomy, das getrennt an die Börse ging, aber weiterhin unter dem Einfluss der Metro-Großaktionäre steht. Ceconomy hat formell mit der "neuen" Metro nichts mehr zu tun, die sich auf den Lebensmittelhandel in ihren Großmärkten weltweit und auf die Warenhäuser der Kette Real konzentriert.

Mehr als 100 Millionen Euro hat die Aufspaltung gekostet. Doch was hat sie gebracht? Die Metro-Aktie liegt immer noch unter ihrem Ausgabekurs von 18,05 Euro. Und seit einem Monat ermittelt die Staatsanwaltschaft Düsseldorf, ob Spitzenmanager des Konzerns den Aktienmarkt möglicherweise vor Bekanntwerden der Pläne manipuliert haben. Und ob manche von ihnen ihr Insiderwissen gewinnbringend an der Börse genutzt haben.

Hintergrund sind verdächtige Aktienkäufe - wenige Wochen bevor die Metro im März 2016 erstmals öffentlich machte, dass sie eine Aufspaltung des Konzerns prüfe. Der Aufsichtsrat habe damals, als mindestens zwei Manager nachweislich Metro-Aktien gekauft haben, noch nichts beschlossen gehabt, betont Olaf Koch am Mittwoch. Alle, die von den Plänen wussten, hätten sich zudem mehrfach rechtlich abgesichert und vergewissert, dass sie bei der Ankündigung alle Regularien beachten. "Insofern hat die Untersuchung uns alle überrascht", sagt Koch.

Die Metro wolle weiterhin mit der Staatsanwaltschaft kooperieren. Rückstellungen habe der Konzern wegen der Ermittlungen jedenfalls nicht gebildet. "Wir sind sehr zuversichtlich, dass wir uns nichts haben zuschulden kommen lassen", sagt Koch. Keinen Kommentar gab Metro dazu ab, dass ein Kapitalmarktexperte in nicht leitender Funktion bei voller Bezahlung freigestellt wurde, bis die Vorwürfe aufgeklärt sind. Der Mitarbeiter selbst behauptet dem Vernehmen nach, nicht er, sondern sein Vater habe Metro-Aktien gekauft, womit er persönlich nichts zu tun habe.

Die Jahresbilanz der "neuen" Metro fällt gespalten aus. Zwar hat der Lebensmittelhändler seine Umsätze um 1,6 Prozent gesteigert. Unterm Strich ist der Gewinn aber zurückgegangen, auf 345 Millionen Euro. Ein Geschäftsjahr endet bei dem Konzern stets Ende September. Immerhin stellt der Vorstand für das nächste Jahr nun eine Dividende von 70 Cent pro Aktie in Aussicht. Doch die Metro wächst nur im Ausland; in Deutschland erwirtschaftet der Konzern keinen Gewinn.

Besonders schwach fallen die Jahreszahlen von Real aus. Der Umsatz der SB-Warenhäuser ist um gut drei Prozent zurückgegangen; und die Gewinnmarge ist weiter gesunken, auf magere 1,1 Prozent. In Krefeld testet Real derzeit ein neues Konzept mit integrierten Restaurants und einer Kaffeerösterei. Die dortige Markthalle erwirtschaftet mittlerweile ein Zehntel ihres Umsatzes mit der Gastronomie. Koch bestreitet Branchengerüchte, wonach es in Krefeld nicht so gut laufe. Vielmehr gehe der nächste Markt dieser Art, wenn auch verzögert und überarbeitet, demnächst in Braunschweig an den Start, so Koch. "Und wir haben weitere in Planung."

Die Diskussionen mit der Gewerkschaft Verdi über einen Tarifvertrag bei Real, der Abstriche bei Weihnachts- und Urlaubsgeld vorsieht und Lohnerhöhungen aussetzt, sind noch nicht ausgestanden. Die Verhandlungen gehen im Januar weiter. Hoffnung macht dem Metro-Chef das Online-Geschäft von Real. Der Lieferdienst macht zwar einen kleinen Verlust; die Umsätze von Real.de seien im abgelaufenen Geschäftsjahr aber um mehr als 50 Prozent gestiegen. Mittlerweile erwirtschaftet der Konzern fast 16 Prozent seines Umsatzes mit der Belieferung.

Metro steigt zudem im Stil von Amazon oder Facebook in das Geschäft mit Daten ein. Der Konzern ist dabei, eine internationale Internet-Plattform für inhabergeführte Restaurants, Hotels oder Caterer aufzubauen. Metro stellt den Kleinunternehmern die Software kostenlos zur Verfügung. Über die Plattform können die Gastronomen und Hoteliers nicht nur Reservierungen einbuchen, sondern auch die Personalplanung, Buchhaltung, Belieferung und vieles andere optimieren. Koch sagte, Metro wolle dafür 30 Millionen Euro im Jahr investieren. Die Zahl der "Mitglieder" im "Digital Club" von Metro soll von heute 15 000 auf eine halbe Million Ende 2020 steigen.

Laut Kochs Kalkül lohnen sich die Investitionen für Metro, weil der Konzern so an die Schnittstelle der sogenannten Kassensysteme Hunderttausender Klein- und Mittelständler kommen kann. Metro erhält dadurch Einblick beispielsweise darin, ob ein Gastwirt hohen Umsatz etwa mit Fisch macht, diesen Fisch aber nicht bei der Metro bestellt. Den kann Metro dem Restaurantbetreiber dann gezielt anbieten. Ohne die Plattform käme Metro nie in die Lage, so ein Angebot zu unterbreiten.

Für Getränke gilt etwas Ähnliches. Metro kann so ablesen, in welcher Kneipe bestimmte Getränke besonders gut laufen. Vorher hatte der Konzern solche Daten über einzelne Lokale nicht. Jetzt kann er dem Wirt gezielt Werbeaktionen offerieren und als Mittler zwischen der Getränkeindustrie und dem Inhaber fungieren.

Die Daten lassen natürlich auch eine stärkere Kontrolle der Mitarbeiter zu. Welcher Kellner welchen Umsatz erwirtschaftet, ist ebenfalls ablesbar. Wie gesagt, es ist ein bisschen wie bei Amazon, wo die Leistung der Picker im Lager auch genau gecheckt wird.

Zur SZ-Startseite
Jetzt entdecken

Gutscheine: