Messe Nürnberg:Sicherheit geht vor

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Süleymaniye-Moschee in Istanbul. Die Türkei ist ein interessanter Markt. Doch die geopolitischen Risiken sind derzeit groß. (Foto: imago/imagebroker)

Für die Messe Nürnberg ist die Türkei ein interessanter Wachstumsmarkt. Wegen der Terrorgefahr hat sie die Pläne aber erst mal auf Eis gelegt. Erst müsse sich die Sicherheitslage stabilisieren.

Von Uwe Ritzer

Eigentlich wollte die Nürnberg-Messe noch in diesem Jahr verkünden, dass sie in Kürze größer in den türkischen Markt einsteigen wird. Doch eine eigens zu diesem Zweck Anfang Dezember in Istanbul geplante Pressekonferenz wurde kurzfristig abgesagt. "Aufgrund der vom Auswärtigen Amt ausgesprochenen Warnung vor einer Terrorgefahr explizit in Istanbul", wie der Sprecher der Nürnberger Messegesellschaft auf Anfrage erklärte. Die Warnung kam nicht von ungefähr; in der Tat explodierte tags darauf im belebten Istanbuler Stadtteil Bayrampasa eine Bombe unweit einer U-Bahn-Station. Der Anschlag ging verhältnismäßig glimpflich ab; ein Mensch wurde leicht verletzt.

"Dieses schreckliche Ereignis bestätigt uns, dass die Absage richtig war", sagt der Nürnberger Messesprecher. Die Türkei ist ohnehin ein Land mit vielen politischen und ökonomischen Baustellen. Nicht nur die dortige Touristikbranche muss um ihre Geschäfte fürchten, nachdem Moskau Sanktionen verhängt hat und Russen nicht mehr in der Türkei urlauben. Umgekehrt können türkische Obst- und Gemüsebauern ihre Produkte nicht mehr nach Russland exportieren. Drehen die Russen zudem noch am Gashahn, würde das die gesamte türkische Wirtschaft treffen. Schließlich bezieht das Land 60 Prozent seines Gases aus Russland.

Die politische Eiszeit mit Moskau, die Terrorismusgefahr, dazu das ungelöste Flüchtlingsproblem und der "Islamische Staat" unmittelbar in der Nachbarschaft - die Türkei als Wirtschaftsstandort ist volatil geworden.

Die Nürnberg-Messe ist nicht das einzige ausländische Unternehmen, das sein Engagement am Bosporus aktuell auf Eis gelegt hat. Am grundsätzlichen und dauerhaften Interesse, stärker in der Türkei aktiv zu werden, ändere dies jedoch nichts, beeilt sich ihr Sprecher zu versichern. "Die Türkei ist für uns grundsätzlich ein interessanter Wachstumsmarkt." Seit diesem Jahr pflegt die Nürnberg-Messe bereits eine Partnerschaft mit der türkischen Fluggesellschaft Turkish Airlines. Als "Preferred Carrier", als bevorzugter Airline-Partner also, transportiert die Gesellschaft Aussteller und Besucher zu Messen nach Nürnberg und zurück um bis zu 20 Prozent günstiger als der herkömmliche Flugpreis.

Die Zahl der türkischen Besucher bei den Fachmessen am Standort Nürnberg hat sich binnen zehn Jahren weit mehr als verdoppelt, ebenso jene der Aussteller. Ob Spielwarenmesse, Biofach, Waffen-, Fensterbau- oder Kältetechnik-Messe - türkische Beteiligte spielen in Nürnberg eine immer wichtigere Rolle. An Ort und Stelle in der Türkei jedoch arbeiten die Franken bislang nur mit einer Agentur in Istanbul zusammen, die möglichen Ausstellern und Besuchern den Messeplatz Nürnberg schmackhaft machen soll.

Nun müssten nur noch die politischen Rahmenbedingungen stimmen. In Nürnberg ist man nicht nur angesichts etwaiger Terrorgefahren traditionell vorsichtig, wenn es um internationales Engagement geht. Deutlich später als andere deutsche Messegesellschaften haben die Franken ihr Auslandsgeschäft angekurbelt. Die erste Auslandstochter wurde erst 2007 in Nordamerika gegründet. Ihr folgten China (2008), Brasilien und Italien (2009), sowie Indien (2013). Seit diesem Jahr gibt es auch in Österreich einen Nürnberger Ableger.

Die Geschäfte laufen unterschiedlich. Knapp 21 Millionen Euro ihrer insgesamt etwa 229 Millionen Euro Umsatz im vergangenen Jahr erwirtschaftete die Messegesellschaft im Ausland. Allein neun Millionen Euro steuerte dazu die brasilianische Tochterfirma bei. In einem langfristigen Entwicklungsplan ist für das Jahr 2020 für das Geschäftsfeld International Umsatzziel von 50 Millionen Euro festgeschrieben. Eine Marke, die aus organischem Wachstum heraus wohl nicht mehr erreicht werden kann. Soll das Ziel nicht verfehlt werden, muss also im Ausland hinzugekauft oder über Beteiligungen zusätzliches Geschäft akquiriert werden.

Also schaut man sich um. Gerade war Roland Fleck, der sich mit Peter Ottmann die Geschäftsführung teilt, mit Bayerns Wirtschaftsministerin Ilse Aigner in Iran. Fleck war Teil der bislang größten Wirtschaftsdelegation, die sich aus dem Freistaat in das vom Westen lange gemiedene und mit Sanktionen abgestrafte Land aufgemacht hat. Umso größer ist dort nach den Jahren der internationalen Ächtung der Investitionsbedarf. Auch die Nürnberg-Messe hofft auf ein Stück vom Kuchen und präsentierte sich in Teheran im Zuge der Heiz- und Klimatechnikmesse HVAC. Denn auch in Nürnberg findet etwas Vergleichbares regelmäßig unter dem Namen Chillventa statt. Konzept der Nürnberger ist es ohnehin, ihre am Heimatstandort erfolgreichen Messen möglichst auch auf Auslandsmärkten zu etablieren.

Seit einem Jahr bearbeiten sie Iran, den Irak und Aserbaidschan mit einer eigenen Auslandsvertretung. Insgesamt unterhält die Nürnberg-Messe 50 solcher Satelliten, die in 114 Ländern Aussteller und Besucher werben. Offenbar mit Erfolg. Vier von zehn Besuchern in Nürnberg kommen nicht aus Deutschland, nie waren die Franken so gesehen internationaler.

Ob und wann sie in der Türkei präsent sein werden, ist derzeit fraglich; niemand mag sich in Nürnberg nach der kurzfristig abgesagten Pressekonferenz zeitlich festlegen. Erst müsse sich die Sicherheitslage stabilisieren, heißt es. In einem anderen Land, das politisch latent im Fokus steht, haben die Nürnberger Messemacher unlängst zumindest einen Messe-Ableger etabliert. Im Oktober fand in Moskau die erste Getränkemesse Beviale statt, ein Ableger der Nürnberger Brau-Beviale. 112 Aussteller "entlang der Wertschöpfungskette der Getränkeproduktion", wie es hieß, nahmen teil, 2600 Besucher kamen. Offenbar genug. Die Neuauflage ist für Frühjahr 2017 geplant.

© SZ vom 09.12.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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