Messe Nürnberg:"Im besten Fall die ganze Welt"

Warum die Frankfurter Konkurrenz ein Vorbild ist und es in Nürnberg erstmals Oldtimer zum Christkindlesmarkt gibt. Ein Gespräch mit den Messechefs der Frankenmetropole.

Interview von Katharina Wetzel

Ihr Ziel ist anspruchsvoll. Unter die Top zehn weltweit wollen die Geschäftsführer Roland Fleck, 55, und Peter Ottmann, 50, die Messe Nürnberg führen. Das Potenzial der Messe, die je Doppelgeschäftsjahr mindestens mit einer schwarzen Null abschließen soll, ist noch groß.

SZ: Die Stararchitektin Zaha Hadid, die Ende März gestorben ist, hinterlässt Ihnen einen Entwurf für eine neue Messehalle. Können Sie uns schon mal einen architektonischen Ausblick geben?

Roland Fleck: Zaha Hadid hat ja vieles gebaut: Opernhäuser, Museen, Ski-Sprungschanzen, aber nie eine Messehalle. In Nürnberg steht die bislang einzige, die 2014 eröffnete Halle 3A. Die Halle 3C wird nun posthum umgesetzt. In der Formensprache lehnt sich die neue Halle sehr stark an die 3A an. Künftig prägt dann nicht nur im Südosten, sondern auch im Südwesten die ausdrucksstarke Architektur von Zaha Hadid unser Gelände.

Peter Ottmann: In zwei Jahren wird die Halle fertig sein. Sie wird klasse aussehen. Das wird der schönere Zwilling zur 3A.

Der 70-Millionen-Euro-Bau aus Beton, Stahl und Glas wird fast doppelt so teuer wie der erste von Hadid. Warum?

Fleck: Bei der 3A waren fast alle Anschlüsse und notwendigen Infrastrukturanbindungen schon vorhanden. Auf der jetzigen Fläche müssen wir diverse Trassen umlegen und andere erst neu errichten - auch in Vorleistung für künftige Bauprojekte.

Wie hoch wird der Investitionsbedarf in den nächsten Jahren noch sein?

Fleck: In der nächsten Dekade reden wir da schon über einen deutlich dreistelligen Millionenbetrag.

Wie haben Sie die Hauptgesellschafter, die Stadt Nürnberg und den Freistaat Bayern, für die neue Halle gewinnen können?

Fleck: Mit überzeugenden Konzepten für Nutzung und Finanzierung. Wir können die Halle 3A wie auch schon die Halle 3C aus eigener Kraft finanzieren - ohne Zuschüsse oder Kapitalerhöhungen. Das heißt: Aus eigenen Mitteln kombiniert mit Fremdkapital, das im Moment aber auch zu guten Konditionen zu erhalten ist.

Ist die neue Halle denn nötig?

Fleck: Wir brauchen die Halle in erster Linie als Puffer, um später einmal die eine oder andere ältere ersetzen zu können. Aber auch als Expansionsfläche.

Ottmann: Einige unserer Messen brauchen entweder jetzt schon oder in naher Zukunft eine Fläche von 180 000 Quadratmetern.

Wollen Sie auch neue Themen besetzen?

Ottmann: Ja. Wir starten mit den "MT Connect" eine neue Plattform, die gezielt die Medizintechnikbranche adressiert. Das Thema passt zu uns, da die Region Nürnberg hier führend ist. Außerdem starten wir 2017 ein neues Kongressthema. Da geht es um die Frage, welche rechtlichen Auswirkungen "Industrie 4.0" auf uns hat. Wer entscheidet etwa, ob das selbstfahrende Auto bei einem unausweichlichen Unfall die zwei Rentner, die junge Mutter mit dem Kind oder den Fahrer selbst in tödliche Gefahr bringt? Wer haftet dafür? Es gibt noch kein Forum für solche Diskussionen. Das wollen wir schaffen.

Messehalle 3A, NuernbergMesse

Tennis wie noch in den Siebzigerjahren wird hier schon lange nicht mehr gespielt. Heute treffen Besucher der Messe Nürnberg auf Architektur der Stararchitektin Zaha Hadid und gut gebuchte Veranstaltungen.

(Foto: Messe Nürnberg)

Sind denn die bestehenden Veranstaltungen schon am Ende ihres Potenzials?

Fleck: Mitnichten. Zum Beispiel ist unser ältestes Pferd im Stall die IWA, Weltleitmesse für Jagd- und Sportwaffen seit 43 Jahren hier am Standort und wächst weiter mit Outdoorausrüstung. Vor drei Jahren haben wir sogar einen Ableger daraus entwickelt: die Fachmesse Enforce Tac, die sich mit Produkten für die öffentliche Sicherheit beschäftigt, also der Ausstattung für Polizeibehörden, Innenministerien, Sondereinsatzkommandos. Die Budgets für diesen Markt sind gerade in ganz Europa kräftig erhöht worden.

Sie machen bis auf eine Ausnahme nur Fachmessen. Soll das auch so bleiben?

Fleck: Im Prinzip ja. Wir konzentrieren uns ganz stark auf das Thema Fachmesse, weil das unser Kerngeschäft ist und erfolgreich läuft.

Ottmann: In Nürnberg verfügen wir mit der Consumenta und der Freizeit, beide werden von der AFAG Messen und Ausstellungen veranstaltet, bereits über große und ausgesprochen beliebte Publikumsmessen. Im Dezember startet mit der RetroClassics Bavaria ein neues Spezialthema für Endverbraucher - ebenfalls als Gastveranstaltung. Wenn Sie aber zu oft in demselben Großraum eine Endverbrauchermesse anbieten, dann kommen die Menschen irgendwann nicht mehr, weil deren Budget ja endlich ist.

Fleck: Das Interesse auch.

Ottmann: Genau. Mit Fachmessen adressieren Sie im besten Fall die ganze Welt. Damit haben Sie theoretisch ein nahezu unlimitiertes Wachstumspotenzial. Vorausgesetzt, Sie schaffen es, die Nummer eins oder zumindest die Nummer zwei der jeweiligen Branche zu etablieren.

Warum dann gerade eine Oldtimermesse? Gibt es nicht schon genügend?

Fleck: Es gibt eine Reihe, aber in Bayern, Teilen Österreichs, Tschechiens, Polens und der Slowakei haben wir ein gewisses Vakuum ermittelt. Und die Kombination macht es aus: Eine Old- und Youngtimermesse im Dezember zum Christkindlesmarkt . . .

Ottmann: . . . sollte laufen. Und wenn Sie geistig einfach mal einen Zirkelschlag um Nürnberg machen würden - etwa 150, 200 Kilometer - dann finden Sie tatsächlich keine Veranstaltungen zu diesem Thema.

Die nächsten sind in Stuttgart und Essen.

Fleck: Genau, aber Essen ist weit weg für Endverbraucherbesuch. Und Stuttgart merkt auch, dass der Besuch dort ab Ansbach Richtung Osten dünn wird. Und dass aus Oberbayern, Niederbayern, Schwaben, der Oberpfalz und aus Franken vergleichsweise wenig kommt. Da ist aber viel Potenzial - vor allem auch solange EZB-Chef Mario Draghi weiterhin die Nullzinspolitik fährt und Oldtimer damit immer attraktivere Anlageobjekte werden.

Sie exportieren viele Messen auch ins Ausland, etwa nach Brasilien. Das Land hat große Schwierigkeiten.

Fleck: Brasilien ist ein im Moment schwieriger Markt mit unübersichtlichen politischen Rahmenbedingungen. Dennoch ist und bleibt Brasilien ein Land mit Zukunft. Und deshalb setzen wir darauf, dass in drei oder vier Jahren auch die brasilianische Wirtschaft wieder Tritt fassen wird.

Ottmann: Und jetzt werden wir die nächsten Jahre nutzen, um gegebenenfalls weiter zu investieren, weitere Veranstaltungen dort zu platzieren oder zu kaufen, weil jetzt dafür ein guter Zeitpunkt ist.

Messe Nürnberg: Zwei Alphatiere, die sich gut verstehen: Roland Fleck, (links) und Peter Ottmann führen seit August 2011 die Nürnberger Messe.

Zwei Alphatiere, die sich gut verstehen: Roland Fleck, (links) und Peter Ottmann führen seit August 2011 die Nürnberger Messe.

(Foto: Thomas Geiger/Messe Nürnberg)

Trotz der Korruption?

Ottmann: Korruption hat unseres Erachtens damit nichts zu tun. Das Problem ist deutlich vielschichtiger. In Brasilien ist die Euphorie der Wachstumsjahre interessanterweise mit der Fußballweltmeisterschaft wie weggeblasen gewesen. Weil die Menschen festgestellt haben, es sind Milliarden investiert worden . . .

Fleck: . . . und sie merkten: Wir verlieren trotzdem sieben zu eins. Scherz beiseite . . .

Ottmann: . . . heißt: Wir haben ja nichts davon. Ganz anders etwa in München, wo man noch heute von den Infrastrukturmaßnahmen für Olympia 1972 und zur Fußball-WM 1974 profitiert. Etwas Vergleichbares werden Sie in Brasilien nicht finden. Das bedeutet: Die Leute sind frustriert. Und diese Frustration lässt Zweifel an der Zukunft wachsen. Und wer an der Zukunft zweifelt, der investiert nicht. Was wir auf unseren Messen dann erleben, ist eine Investitionszurückhaltung.

Dennoch gibt es in Ländern wie Brasilien oder Russland besondere Herausforderungen, oder etwa nicht?

Ottmann: In Brasilien ist es beispielsweise eine Herausforderung, dass Sie nicht immer Strom haben. Der kann für zwei Stunden mal weg sein. Dann knipsen die Menschen die Taschenlampen an ihren Handys an und dann wird weitergearbeitet. Eine der größten Herausforderungen in Russland ist gerade der Rubelkurs, der es russischen Firmen ziemlich schwer macht, einem deutschen Unternehmen die Standmiete zu bezahlen. Das sind aber keine unüberwindlichen Schwierigkeiten. Am Ort ist man immer überrascht, wie glatt das läuft. Insgesamt mussten wir noch keine Veranstaltung abbrechen oder absagen.

Absagen mussten Sie im Dezember aus Sicherheitsgründen eine Pressekonferenz in der Türkei. Wie sieht da angesichts des Terrors und des gescheiterten Putschversuchs ihre weitere Planung aus?

Fleck: Die Absage war aus unserer Sicht notwendig und richtig. Und an exakt diesem Dienstag ist nach dem ursprünglich angesetzten Pressekonferenztermin ja auch prompt eine Bombe an der U-Bahnstation in Istanbul hochgegangen. Auch was sich in den letzten Wochen dort ereignet hat, bestätigt unser Vorgehen. Im Moment herrscht eine hohe politische Unsicherheit.

Ottmann: Solange die Lage aus unserer Sicht nicht stabil ist, beobachten wir den Markt, entfalten aber keine weiteren Aktivitäten.

In Iran beteiligen Sie sich nun an der Fenster- und Türenbaumesse Dowintech. Sind weitere Aktivitäten geplant?

Ottmann: Die Kollegen prüfen unterschiedliche Optionen und sind relativ häufig am Ort. Der Nachteil ist: Das machen gerade alle. Wir konnten seinerzeit auch deshalb erfolgreich in den brasilianischen Markt einsteigen, weil gerade kein anderer hinschaute. Mit dem Kauf einer Messegesellschaft in Brasilien hatten wir einen echten Coup gelandet. Seitdem schauen wir immer mal wieder auf Märkte, die nicht so im Fokus sind.

Haben Sie etwas Konkretes im Auge?

Fleck: Da werden wir uns zum gegebenen Zeitpunkt noch mal unterhalten.

Sie haben ja den Plan mal ausgegeben, dass Sie bis 2020 im Geschäftsfeld international ein Umsatzziel von 50 Millionen Euro erreichen wollen.

Ottmann: Ja, das ist sportlich. Das war es aber schon immer.

Das ist ja nur durch Zukäufe noch zu erreichen, oder?

Ottmann: Ja, organisches Wachstum allein reicht nicht.

Fleck: Dadurch, dass wir erst vor neun Jahren begonnen haben, im Ausland mit eigenen Tochtergesellschaften aktiv zu sein, geht es nur so. Wenn Sie völlig neu anfangen, müssen Sie erst ein paar Standorte bauen und dann geht es auch dort mit organischem Wachstum, aber in der Phase sind wir noch nicht.

War es im Rückblick ein Fehler, dass die Messe Nürnberg so lange gezögert hat, ins Ausland zu gehen?

Fleck: Sie hat nicht gezögert. Vor 40 Jahren haben wir hier erst begonnen, Messe zu machen. Zu dem Zeitpunkt sind die Kollegen in Frankfurt, Düsseldorf und München alle schon ins Ausland gegangen, weil sie zu Hause schon eine kritische Größe hatten. Wir mussten erst gute drei Jahrzehnte in der Heimat eine Basis aufbauen. Zur Illustration: In den Siebzigerjahren machte die Messe drei Millionen Umsatz, fünf Millionen Verlust. In einigen unserer Messehallen ist zehn Monate lang Tennis gespielt worden, wenn nicht gerade Consumenta und Spielwarenmesse war.

Ottmann: Mitte der Neunzigerjahre, als wir dann ins Ausland gingen, hatten wir kaum über 50 Millionen Euro Umsatz. Das heißt für das Unternehmen waren wir ausreichend zeitig, für den Wettbewerb waren wir spät dran. Wir sind einfach eine junge Messegesellschaft.

Nun haben Sie die kritische Größe und machten 2015 einen Umsatz von 203,7 Millionen Euro. Warum sind Sie so zögerlich?

Ottmann: Wieso zögerlich? Wir veranstalten weltweit doch schon über 30 Messen. Und die Kollegen prüfen permanent Kaufgelegenheiten. Von zehn Prüfungen, die wir durchführen, schafft es allerdings nur eine in die engere Wahl.

Warum ist es Ihr Ziel, im Ausland so stark vertreten zu sein? Muss eine Messe heute, wie etwa die Frankfurter, fast 40 Prozent des Umsatzes im Ausland erwirtschaften?

Ottmann: Dafür gibt es drei zentrale Gründe. Erstens: Deutschland ist eine Exportnation. Dementsprechend wollten wir für unsere deutschen Kunden nicht nur am Ort hervorragende Messen machen, sondern überall in der Welt. Zweitens: Längst laufen nicht mehr alle internationalen Handelsströme über Europa, es haben sich starke Wirtschaftsräume in Südamerika und in Asien gebildet. Dort wollen wir mit unseren Messen präsent sein - auch um unsere Messen in Nürnberg zu schützen. Und drittens können Sie im Ausland mit Messen deutlich höhere Gewinne erzielen.

Ist die Messe Frankfurt also ein Vorbild?

Ottmann: Ja, die Messe Frankfurt hat Vieles früh richtig gemacht. Das gleiche gilt aber für viele Kollegen in Deutschland. Nicht umsonst ist Deutschland Weltmarktführer beim Thema Messen.

Was braucht eine gute Doppelspitze?

Fleck: Vertrauen, Verständnis und ein gutes Miteinander.

Ottmann: Es hilft, wenn man sich gut versteht. Und wenn zwischen zwei Alphatieren nicht die Frage steht, wer als erster durch die Tür geht. Hinzu kommt: Wir schließen unsere komparativen Stärken zusammen. So wird aus der Doppelspitze ein echtes Spitzendoppel.

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