Merchandising:Das Geheimnis von Lillifee

Der Buchverlag Coppenrath begeistert Millionen Kinder mit der Prinzessin in Ringelstrumpfhosen und dem Hasen Felix. Am besten verkaufen sich die Zusatzprodukte wie Brillen, Butterbrotdosen und Lineale.

Berit Schmiedendorf

Schon als kleiner Junge wusste Wolfgang Hölker sehr genau, was er wollte: Zu Weihnachten wünschte er sich nicht einfach nur ein Fernglas, sondern eines mit zehnfacher Vergrößerungsleistung von der Firma Zeiss. Auch der Lastwagen für sein Kinderzimmer musste ein ganz Besonderer sein: feuerrot und vom Fürther Spielzeugautohersteller Schuco. Selbstredend, dass das Fahrrad auf seinem Wunschzettel ein schwarzes Rixe-Modell mit einer Torpedo-Drei-Gang-Schaltung war.

Felix, Coppenrath Verlag

Er sorgt für hohe Umsätze: Die Geschichten von Felix haben sich in zehn Jahren mehr als sieben Millionen Mal verkauft

(Foto: Foto: Coppenrath Verlag)

"Ich habe alles bekommen, was ich mir gewünscht habe - aber das Fernglas kam aus Fernost, das Auto war blau und das Fahrrad hat mein Vater günstig gekauft, das war irgendein einfaches Modell", erinnert sich der mittlerweile 58-Jährige. Doch die Ignoranz seiner Eltern bezüglich seiner ästhetischen Vorlieben hat ihn nicht entmutigt, ganz im Gegenteil.

Das Entdecken schöner Dinge ist seine Passion, allein sein sich über eine Etage erstreckendes Büro in einem alten Kornspeicher gleicht einem liebevoll zusammengetragenen Flohmarkt.

Da prangt beispielsweise eine zweieinhalb Zentner schwere Schiefertafel neben einem kleinen Original von der Malerin Sonja Delaunay an der Wand, und man hätte dieses Arrangement inmitten von Bücherstapeln und bunt zusammengewürfeltem Mobiliar glatt übersehen, wenn der Hausherr einen nicht darauf aufmerksam gemacht hätte.

Erster Verlag mit 24 Jahren

Bereits als 20-Jähriger war Hölker Galeriebesitzer, mit 24 gründete er seinen ersten Verlag, den Hölker-Verlag, in dem er Kochbücher herausbringt. Mit 29 kaufte er sich dann in einen weiteren kleinen, unbedeutenden Münsteraner Verlag ein. Den hat er heute noch, und die schönen Dinge, die stöbert er zwar immer noch gerne auf, doch er produziert längst auch selbst welche: Hölker ist Inhaber des für seine Kinderbücher berühmten Coppenrath-Verlags.

"Kinder glücklich zu machen und eine Spur zu hinterlassen", das ist es, was Hölker will. Letzteres ist ihm vor allem durch die Felix-Kinderbücher mit Sicherheit gelungen: Die Geschichten des reiselustigen Kuschelhasen, der seiner kleinen Besitzerin Sophie regelmäßig informative Briefe nach Hause sendet - und die tatsächlich als echte Briefe im Buch stecken - , werden weltweit in 25 Sprachen übersetzt und in fast 30 Ländern gelesen. Die sieben Felix-Bücher haben sich in mehr als zehn Jahren sieben Millionen Mal verkauft, das ist eine für den Kinderbuchmarkt exorbitant hohe Zahl.

Auf Brillen und Linealen

Doch Hölker ist nicht nur ein außerordentlich erfolgreicher Verleger, der den Coppenrath-Verlag binnen 29 Jahren von einer Provinzbude, die vorwiegend Westfälisches und Doktorarbeiten verlegte, in die Top Ten der deutschen Kinderbuchverlage hievte.

Der Mann mit der Vorliebe für fröhliche Hemdenfarben ist auch ein Marketingtalent. Der Grafiker und Verlagskaufmann hat - wie der Disneykonzern - eine Warenwelt rund um seine Kinderbuchfiguren geschaffen, die in ihrer Omnipräsenz in deutschen Kinderzimmern wohl ziemlich einmalig sein dürfte.

Allein Felix tummelt sich auf Butterbrotdosen, Linealen, Reisekoffern, Jeanskleidern, Kinderbrillen, Badetüchern, ja sogar auf Camping-Sesseln.

Merchandising nennen Markenartikler dieses Zusatzgeschäft, das Hölker 1992 als einer der ersten Kinderbuchverleger konsequent aufbaute. Unter dem Label "Die Spiegelburg", benannt nach Hölkers Ehefrau und Ideengeberin Siggi Spiegelburg, bringt Hölker seit 14 Jahren eigentlich überflüssige, aber schön gemachte Zusatz-Produkte parallel zu den Büchern heraus.

Jüngster Clou: Prinzessin Lillifee. Das kleine, in rosa Tüll gewandete Wesen mit dem Glitzerherzmund gibt es seit knapp drei Jahren nicht nur als Buchfigur. Die Püppchen und Döschen, Blöckchen und Armbändchen, Haarspangen aus Strass und Schmuckbeutelchen mit dem Konterfei der kleinen Fee sind bei Mädchen so beliebt, dass sich die eine Million verkauften Bücher von Prinzessin Lillifee vergleichsweise schlapp ausnehmen.

400 Bücher pro Jahr

Braucht ein Verleger wie Hölker also überhaupt noch ein Buch? Würde sich der rosaglitzernde Lillifee-Tinnef nicht auch ganz ohne die Geschichten von Monika Finsterbusch vermarkten lassen? "Ohne die Bücher gäbe es die anderen Produkte gar nicht" ist sich Hölker sicher.

Und dann erzählt Hölker, dass er jedes Jahr zwischen 100 und 120 neue Bücher in seinem Verlag herausbringt, und wenn man die Hefte für 95 Cent mitzählte, seien es sogar 400 Bücher im Jahr. "Die Bücher, das ist die Basis unseres Tuns", sagt er und das klingt fast ein bisschen beschwörend.

Schließlich verändert das Geschäft mit Zusatzprodukten einen Verlag. Bereits die Hälfte des Umsatzes macht Hölker zur Zeit mit den Ablegern von Felix, Lillifee und Co. Die Erlöse des Coppenrath-Verlags kletterten zwischen 1995, also drei Jahre nach Einführung des Merchandising, und 2005 von 11,5 auf 55 Millionen Euro, obwohl Hölker keine Anzeigen oder Werbespots schaltete.

Allein der Felix-Wecker hat sich 500 000 Mal verkauft. Doch auch Spürnasen tappen mal daneben. Ausgerechnet Hölkers Lieblingsbuch war sein größter Flop: Monika Finsterbuschs Erstlingswerk "Olli und Fips im roten Flitzer".

Mit Begeisterung hat sich der Verleger für diese Geschichte im Verlag stark gemacht, die von einer Abenteuerreise zu einer Pirateninsel erzählt. Ähnlich wie der Filmkäfer Herbie kann der rote Flitzer von Olli nicht nur fahren, sondern fliegen, schwimmen und sogar tauchen.

Gegen die Bedenken seiner Mitarbeiter ließ Hölker vor vier Jahren 5000 Exemplare dieses Kinderbuches drucken, auch eine kleine Kuscheltier-Edition von Olli und Fips samt Plüschauto brachte er heraus. Doch die Geschichte kam nicht sonderlich gut an. Von den 5000 Büchern hat Hölker immer noch 3500 auf Lager.

Engpässe im Weihnachtsgeschäft

Dieselbe Autorin hat nun mit Lillifee einen regelrechten Hype ausgelöst. Eltern von Mädchen im Kindergartenalter kommen an ihr kaum vorbei. Wer noch keine Lillifee-Puppe für die Bescherung erstanden hat, erhält auch keine mehr, die Fee mit der Ringelstrumpfhose und den rosa Ballettschühchen ist bundesweit ausverkauft. Was ist das Geheimnis? Warum Lillifee und nicht Olli und Fips?

"Es hat, glaube ich, noch nie eine Figur gegeben, die so viele Gestaltungsvorlieben von Mädchen bedient: Die Farbe Rosa, das viele Plüsch, der Glitzer", sagt Axel Dammler von Iconkids & Youth in München, einem Marktforschungsinstitut für Kinder und Jugendliche, und fügt hinzu: "Lillifee spricht die Mädchen beim Mädchensein voll an, das ist ihr zentrales Geheimnis. Denn die Schönste ist sie nicht, mit Schneewittchen von Disney kann sie nicht mithalten."

(SZ vom 23.12.2006)

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