Mercedes-Benz Argentinien:Keine Beteiligung an Verbrechen der Militärdiktatur

Die schweren Vorwürfe gegen Manager der argentinischen Mercedes-Benz-Tochter, während der Militärdiktatur zur Verschleppung und Ermordung von Regimegegnern beigetragen zu haben, sind nach Auffassung des Völkerrechtlers Christian Tomuschat unbegründet.

Von Dagmar Deckstein

(SZ vom 9.12.03) — Tomuschat war im vergangenen Sommer von DaimlerChrysler beauftragt worden, zu untersuchen, welche Rolle Mitarbeiter von Mercedes-Benz Argentina zwischen 1976 und 1983 bei der Verfolgung regimekritischer Arbeitnehmer durch die damals herrschende Militärjunta spielten.

In dem Bericht, den der an der Berliner Humboldt-Universität lehrende Tomuschat in Stuttgart vorstellte, heißt es: "Es gibt keinerlei Belege für die Richtigkeit der These, dass die zehn während der Zeit der Militärdiktatur in den Jahren 1976 und 1977 verschwundenen Betriebsangehörigen von Mercedes-Benz Argentina auf Betreiben der Unternehmensleitung von den staatlichen Sicherheitskräften verschleppt worden wären."

Geheimdienstkontakte

Zwar räumte Tomuschat ein, dass es Kontakte zwischen dem Mercedes-Management und staatlichen Geheimdiensten gegeben habe, womit sich das Bild "nicht frei von Flecken" zeige. Geheimdienstdossiers über Regimegegner etwa hätten die gleichen Passbilder aufgewiesen wie Unterlagen der Mecedes-Benz-Personalabteilung. Aber Anstiftung zu Verschleppung und Mord seien in keinem Fall der zehn - Menschenrechtsorganisationen sprechen im Gegensatz zur Untersuchungskommission von 14 - verschwundenen Belegschaftsmitglieder zu belegen und auch nicht wahrscheinlich.

Das dunkle Kapitel in der Firmengeschichte hatten vor allem Kritische Aktionäre aufgeschlagen, indem sie auf Hauptversammlungen immer wieder auf Aufklärung drängten. Der DaimlerChrysler-Vorstand beauftragte nach anfänglichem Widerstand den Völkerrechtler Christian Tomuschat, der sich bereits als Leiter der UN-Wahrheitskommission bei der Aufklärung von Kriegsverbrechen in Guatemala einen Namen gemacht hat.

Seit September 2002 untersuchte Tomuschat zusammen mit dem deutschen Politikwissenschaftler David Erhart und dem argentinischen Rechtswissenschaftler Guillermo Orce die Vorwürfe gegen das argentinische Mercedesmanagement. Für den jetzt vorliegenden, 136 Seiten starken Untersuchungsbericht beschränkte sich das Trio ausschließlich auf die Vorwürfe, Mercedes-Manager hätten aktive Beihilfe zur Verschleppung und Ermordung von gewerkschaftlich organisierten Betriebsangehörigen geleistet, erklärte Tomuschat.

Aufgeheiztes Klima

Im Daimler-Werk in Gonzalez Catan, einem Industrievorort 40 Kilometer von der Hauptstadt Buenos Aires entfernt, hatten Mitte der Siebziger militante Gewerkschafter Beschäftigte zum Streik für bessere Arbeitsbedingungen aufgerufen. Linke Guerilleros hatten versucht, mit der Entführung des Werkleiters auf den betrieblichen Kampf Einfluss zu nehmen. Das alles spielte sich im aufgeheizten politischen Klima ab, das nach der Machtergreifung der Generäle im benachbarten Chile zwischen einer drohenden Militärdiktatur und einer erstarkenden revolutionären Bewegung stand.

Schließlich putschte am 24. März 1976 das argentinische Militär; danach galten Gewerkschafter offiziell als Terroristen galten. 14 oder zehn Betriebsräte des Mercedes-Benz-Werkes wurden in der Folgezeit von Soldaten abgeholt, und gelten bis heute als verschwunden. Sie teilen das Schicksal von 30.000 Oppositionellen, die in Argentinien bis zum Jahr 1983 ermordet wurden.

Vorwürfe gegen Tomuschat

Überlebende Gewerkschafter beschuldigten den damaligen Mercedes-Werksleiter Juan Ronaldo Tasselkraut, die Adressen ihrer Kollegen ans Militär weitergegeben zu haben. Diese Vorwürfe gegen den heute 61-jährigen Tasselkraut wegen Beihilfe zum Mord oder Totschlag wurden von der Kommission zurückgewiesen. Ein entsprechendes strafrechtliches Verfahren gegen Tasselkraut war am 27. November dieses Jahres von der Staatsanwaltschaft Nürnberg-Fürth eingestellt worden.

Der Dachverband der "Kritischen Aktionärinnen und Aktionäre" wirft Tomuschats Team vor, nur oberflächlich recherchiert und angebotene Recherchequellen nicht genutzt zu haben. Der Aktionärsverband beruft sich unter anderem auf die Darstellung der Journalistin Gabriele Weber, die jahrelang in dem Fall recherchiert und 2001 ihr Buch "Die Verschwundenen von Mercedes-Benz" vorgelegt hatte. Tomuschat wies den Vorwurf mangelnder Recherche zurück.

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