Mensch und Maschine:Nicht ohne meinen Roboter

Mensch und Maschine: Tokio zwischen Tradition und Moderne: Eine junge Frau kutschiert ihren Roboter an heruntergekommenen Wohnhäusern vorbei.

Tokio zwischen Tradition und Moderne: Eine junge Frau kutschiert ihren Roboter an heruntergekommenen Wohnhäusern vorbei.

(Foto: F. Robichon/dpa)

In Science-Fiction-Filmen helfen Maschinenwesen ihren Besitzern und werden ihnen manchmal gefährlich. Die Realität sieht anders aus.

Von Christoph Neidhart, Tokio

Pepper ist der jüngste Mitarbeiter im Laden des Mobilfunk-Anbieters Softbank auf Tokios teurer Einkaufsmeile Ginza. Doch die meisten Kunden ignorieren ihn einfach. Spricht ihn endlich jemand an, reagiert er manchmal nicht. Dafür plappert er zuweilen los, obwohl niemand in seiner Nähe ist. Kein Wunder, dass sich die Kunden lieber in die Schlange am Empfangs-Desk stellen, um jene Auskünfte zu erhalten, die eigentlich Pepper ihnen geben sollte. Doch dem macht das rein gar nichts aus. Denn Pepper ist kein Mensch, er ist ein Roboter.

Der weiße Plastik-Kerl misst 121 Zentimeter und wiegt 28 Kilogramm. In seinem Inneren stecken 19 Sensoren, 20 Motoren, vier Mikrofone, zwei Kameras und ein Wlan-Chip. Das Wichtigste an ihm aber ist seine Software. Denn Pepper soll auch Emotionen zeigen können. Entwickelt wurde er von Aldebaran Robotics, einer französische Firma, die vor vier Jahren von Softbank übernommen wurde. Bisher hat Softbank etwa 10 000 der Pepper-Roboter verkauft, an Privatleute für 1,2 Millionen Yen, etwa 10 000 Euro das Stück, Firmen müssen das Doppelte bezahlen. Allerdings bleibt dabei die Emotions-Software abgeschaltet. Ihr Problem: Sie funktioniert nicht zuverlässig genug.

Und so ist Pepper in den meisten Fällen zu einem Dasein als Nebendarsteller verdammt. Zwar steht in mehr als 150 Softbank-Läden ein Pepper - meist aber steht er nur untätig herum. Für Nestlé versucht er, Kaffeekapseln zu verkaufen, in einigen Bank-Filialen sollte er Auskunft geben. Doch Morten Paulsen, Chef-Analytiker für Robotik der Investment-Firma CLSA in Tokio, fällt ein hartes Urteil: Er hält ihn bloß für "ein animiertes iPad", das kaum beachtet werde.

Experten werfen der Industrie vor, sie verschwende Ressourcen für Spielereien

In Taiwan nimmt Pepper in Pizza-Huts Bestellungen entgegen. Doch Restaurants, in denen man per Tablet bestellt, gibt es längst. Dafür braucht es kein teures Männeken, das ein Tablet hält. Die Eincheck-Roboter mancher japanischer Hotels sehen zwar aus wie Fahrkartenautomaten. Eigentlich wäre das eine Domäne für einen Roboter wie Pepper, der Emotionen wenigstens simulieren könnte. Viele Japaner finden ihn immerhin kawaii, niedlich, hier eine wichtige Eigenschaft. Zudem könnte Pepper Hände schütteln und sogar Menschen umarmen. Doch all das funktioniert nur, wenn die Emotions-Software auch eingeschaltet ist.

Humanoide Roboter gibt es auch von vielen anderen japanischen Firmen: Toyotas Roboter-Orchester spielte bereits auf der Weltausstellung 2005. "Kirobo", ebenfalls von Toyota, so groß wie ein Eichhörnchen, flog sogar mit zur Internationalen Raumstation, er kommt noch dieses Jahr in den Verkauf. Hondas "Asimo" kann gehen, rennen und sogar auf einem Bein hüpfen. Gleichwohl wird immer wieder gefragt: Wozu? Manche Experten werfen der Industrie vor, sie verschwende Ressourcen auf Spielereien, statt sich auf praktische Anwendungen zu konzentrieren. Immerhin aber verhelfen Asimo, Kirobo, Pepper und ihre Kollegen anderer Firmen ihren Herstellern zu viel Publizität. Kitakyushu in Westjapan gehörte einst zu den verschmutztesten Städten der Welt, der Himmel war rostrot, das Meer orange. Heute ist sie eine Stadt der Zukunftstechnologien, auch der Robotik, die mit viel Steuergeld gefördert wird, nur so erhalten Start-ups in Japan Kapital. "Reif" ist ein solches Startup, das Roboter-Lösungen für die Pflege entwickelt. Tree zum Beispiel, ein System, das Patienten hilft, wieder gehen zu lernen. Es kombiniert Sensoren an der Sohle und am Unterschenkel mit einem Tablet auf einem fahrbaren Gestell, das den Patienten führt. Anders als ein Therapeut wird Tree nicht müde und bleibt immer geduldig. Reif baut auch eine Steuerung für Krankenhausbetten, damit ein Pfleger oder eine Pflegerin sie allein durch die Gänge schieben können.

In der Pflegepraxis bereits bewährt haben sich intelligente Exoskelette, also flexible Gerüste um den Körper, die behinderten Patienten helfen, Bewegungsabläufe neu zu erlernen, oder dem Personal, Bettlägrige hochzuheben. "Solche Anwendungen wird es noch viele geben", sagt Reif-Gründer Masao Mori. Über humanoide Roboter, die er geringschätzig als Astroboy-Fantasien abtut, sagt er dagegen: "Einer unbekannten Umgebung können Roboter sich nicht anpassen. Wir müssen genau definieren, wozu wir sie brauchen und was die Maschine kann. Die einzige Verbraucheranwendung, mit der Profite gemacht würden, ist der Roboter-Staubsauger." Das werde noch lange so bleiben.

Am Hafen von Kitakyushu hat Yaskawa seinen Sitz, ein führender Hersteller von Industrie-Robotern. Hier bauen einarmige Motoman-Roboter sich selbst, um dann in Fabriken rund um die Welt Autos oder Halbleiter herzustellen, oder Stahlbleche zu formen. Auf Youtube zeigt ein Motoman Iaijutsu, die japanische Schwertkunst. Der Roboter übertrifft den berühmten Schwertkämpfer Isao Machii an Präzision und Tempo. Und wird nie müde. Dennoch zerstreut Ayumu Hayashita von Yaskawa den gegenwärtigen Hype um künstliche Intelligenz: "Roboter sind nicht schlau, von sich aus können sie gar nichts". Auch die Firma Yaskawa unterhält allerdings ein humanoides Roboter-Orchester - das ist eben gut fürs Marketing.

Hiroshi Ishiguro, der Direktor des Roboter-Labors der Uni Osaka, gilt als japanischer Robotik-Prophet. Er baut keine humanoiden Roboter, sondern androide - Kopien von Menschen. Etwa von sich selbst: "Mit einer perfekten Kopie meines Kopfes", wie er sagt. Der 54-Jährige unterscheidet zwischen autonomen und ferngesteuerten Robotern. "Wenn ich zu einem Vortrag nach England eingeladen werde, ist es billiger, einen Studenten mit meinem Androiden zu schicken", lacht er. Ishiguro hält seinen Vortrag dann von zu Hause aus, die Software steuert die Gesichtszüge des Klons aufgrund der Sprache. Zur Zeit entwickelt er einen Roboter-Klon des Schriftstellers Natsume Soseki. Er soll in Schulen auftreten und die Kinder animieren, Sosekis Bücher zu lesen.

Der Roboter-Klon eines Schriftstellers soll Kinder zum Lesen animieren

Ishiguro glaubt, dereinst würden die Menschen billige humanoide Roboter wie Pepper als Gefährten akzeptieren wie heute das Smartphone, "den Personal Robot". Er werde menschliche Züge haben, "weil es das ideale Interface für einen Menschen ist. "Diese Personal Robots sollten nur nicht so groß sein wie Pepper, so viel Platz haben wir in japanischen Häusern nicht. Eher ein Table-Top-Roboter wie Sharps Robohon", ein humanoides Smartphone, das mit dem Besitzer Frühgymnastik macht. Das Projekt wurde jedoch gestoppt, als Sharp kurz vor der Pleite stand.

"Der Mensch ist ein Tier plus Technologie", glaubt Ishiguro. "Schon heute akzeptieren wir Reiskocher, die reden, und steuern das Smartphone mit Sprache. Manche Athleten der Paralympics integrierten Technologie in ihre Körper. Die Grenze zwischen Mensch und Technologie verschwimmt."

Doch ausgerechnet Ishiguro dämpft die Erwartungen. "Was ist AI (künstliche Intelligenz) und deep learning? Die Computer können nicht mehr als vor zehn Jahren, sie sind bloß größer und haben mehr Kapazität." Der Roboter sei das Symbol der höchsten technischen Entwicklung, daher bildeten sich seit der Dampfmaschine und den Spieluhren immer wieder Roboter-Blasen. "Jetzt befeuern die Erwartungen an AI und deep learning die nächste." Dazu das Geld der Regierung, die auf eine nächste industrielle Revolution hofft. Geld, das der Forscher gern annimmt. Auch Ishiguros Entwicklungen werden zu 100 Prozent vom Staat finanziert.

Zur SZ-Startseite
Jetzt entdecken

Gutscheine: