Gleichberechtigung:Mehr Frauen in den Chefetagen

Frauen rücken vor: In den 160 größten börsennotierten Unternehmen ist die Anzahl der weiblichen Aufsichtsräte und Vorstände 2013 weiter gestiegen. Doch wo die strategischen Entscheidungen fallen, heben in den meisten Firmen nach wie vor nur Männer die Hand.

Von Thomas Öchsner, Berlin

Das erste Superwahljahr hat Deutschland bereits hinter sich - nicht in der Politik, die sich auf die Bundestagswahlen im September einstimmt. Aber bei den Aufsichtsräten in den 160 größten, an der Börse notierten Unternehmen. Allein bei den 30 Konzernen, die Mitglied im Deutschen Aktienindex (Dax) sind, waren bei den diesjährigen Hauptversammlungen 80 Kontrolleursposten auf der Seite der Anteilseigner neu zu vergeben. Zwölf Jahre nach der freiwilligen Selbstverpflichtung der deutschen Wirtschaft, den Frauenanteil in Top-Positionen zu erhöhen, zeichnen sich dabei zumindest teilweise spürbare Fortschritte ab, auch bei den kleineren Aktiengesellschaften.

Der Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI) hat für die Süddeutsche Zeitung die Führungsetagen der Dax-Unternehmen, der 50 Nebenwerte im MDax, der 50 kleineren Firmen im SDax sowie der 30 Technologiewerte im TecDax durchleuchtet. Der Anteil der weiblichen Mitglieder in den Aufsichtsräten der 30 Dax-Konzerne ist danach auf 21,5 Prozent im Juni 2013 geklettert. Anfang 2011 lag dieser laut einer Untersuchung der Initiative "Frauen in die Aufsichtsräte" (Fidar) noch bei 13,6 Prozent. Bislang kamen die meisten Frauen von der Arbeitnehmerseite, die aufgrund der gesetzlichen Mitbestimmung die Hälfte der Aufsichtsratsmandate besetzen darf. Nun holen die Anteilseigner hier auf.

Auch bei den Vorständen heißt für mehr Dax-Konzerne die Devise: Frauen nach oben. Der Anteil hat sich - allerdings von einem äußerst niedrigen Niveau aus - in den vergangenen zweieinhalb Jahren auf 7,4 Prozent mehr als verdreifacht. Die Durchschnittswerte geben aber nur ein unvollständiges Bild: In 19 Dax-Unternehmen gibt es im Vorstand nicht eine einzige Frau. Positive Beispiele wie die Deutsche Lufthansa, bei der jeder zweite Posten in der obersten Führungsriege weiblich besetzt ist, oder die Deutsche Telekom und Siemens ziehen den Durchschnitt nach oben. Beim Gesundheitskonzern Fresenius und dem Dialyseunternehmen Fresenius Medical Care sitzen im Aufsichtsrat und Vorstand sogar nur Männer.

Homöopathische Dosierung

Deutliche Zuwächse beim weiblichen Geschlecht gibt es auch bei den kleineren 130 Firmen in der Index-Familie der Deutschen Börse, vor allem in den Kontrollgremien. Im MDax kletterte der Frauenanteil im Juni laut BDI-Statistik auf mehr als 16 Prozent. Anfang 2011 betrug er noch unter neun Prozent. Ähnlich kräftig wuchs der Wert auch im SDax und im TecDax. Holger Lösch, Mitglied der BDI-Hauptgeschäftsführung, sieht deshalb einen "klaren Aufwärtstrend. Die Entwicklung in den vier wichtigsten Börsensegmenten zeigt, dass die Selbstverpflichtungen der Wirtschaft greifen", sagt er.

Bei den Vorständen zeichnet sich dies allerdings, wenn überhaupt, in eher homöopathischen Dosen ab: Von den 50 MDax-Firmen haben nur acht überhaupt eine Frau in der ersten Führungsmannschaft. Der Frauenanteil liegt nach der BDI-Analyse bei mageren 3,7 Prozent. Minimal besser sieht es im SDax und im TecDax aus mit einem weiblichen Anteil von knapp acht beziehungsweise 5,4 Prozent. Wo die strategischen Entscheidungen fallen, heben in den meisten börsennotierten Unternehmen der Republik nach wie vor nur Männer die Hand.

Andere Länder haben bereits eine Frauenquote

Der Druck durch die Diskussion um die Frauenquote hinterlässt jedoch Spuren: Laut der Studie von Fidar haben seit Anfang 2011 von den 160 Unternehmen 35 erstmals überhaupt eine Frau in die Etagen der Vorstände oder Aufseher berufen. Deutliche Sprünge nach vorne haben dieser Studie zufolge vor allem der IT-Dienstleister QSC, die Comdirect-Bank, die Deutsche Telekom, der Pharmagroßhändler Celesio und TAG Immobilien gemacht. Jede siebte der 160 Firmen kommt mittlerweile zusammengerechnet auf einen Anteil von 20 oder mehr Prozent in der Führungsetage und nähert sich damit dem politischen Ziel von 30 bis 40 Prozent. Gleichzeitig sank die Anzahl der Aufsichtsräte und Vorstände ganz ohne Frauen seit Anfang 2011 von 74 auf 36 Unternehmen.

Spitzenpolitiker wie Bundesarbeitsministerin Ursula von der Leyen (CDU) oder EU-Kommissarin Viviane Reding pochen auf eine gesetzlich festgelegte Frauenquote, zumindest für die Aufsichtsräte. Andere, wie Bundesfamilienministerin Kristina Schröder (CDU) oder Kanzlerin Angela Merkel, setzen zunächst darauf, dass die Firmen in den nächsten Jahren von sich aus mehr Frauen an die Spitze holen. Einige Länder wie Spanien oder Norwegen haben bereits Frauenquoten eingeführt. Dafür macht sich auch Monika Schulz-Strelow, Präsidentin der vom Familienministerium geförderten Initiative Fidar, stark. Ohne den öffentlichen Druck hätte sich viel weniger bewegt, sagt sie. "Es ist nicht mehr politisch korrekt, das Thema nicht auf der Agenda zu haben." Für die Fidar-Präsidentin reicht es allerdings nicht aus, Frauen in die Spitzengremien zu hieven. "Wenn das nicht zu einer Änderung der Firmenkultur führt und auch weiter unten in dem Unternehmen gelebt wird, werden sich die wenigen weiblichen Vorzeigefrauen mittelfristig wieder abwenden", warnt sie.

Schulze-Strelow hält es für auffällig, dass zahlreiche Unternehmen versuchten, mit Kandidatinnen aus dem Ausland sowohl die Geschlechter- als auch die internationale Vielfalt in den Führungsetagen zu erhöhen. "Im internationalen Vergleich fällt Deutschland aber immer weiter zurück, weil in vielen europäischen Nachbarstaaten verbindliche Mindestquoten dafür gesorgt haben, dass deutlich mehr Frauen in Aufsichtsräten und Vorständen vertreten sind", kritisiert sie.

Genau dies will die Wirtschaft unbedingt verhindern. BDI-Mann Lösch hält von "staatlichen Zwangsquoten" gar nichts. Sie gefährdeten "die Balance zwischen der verfassungsrechtlich garantierten unternehmerischen Freiheit und der sinnvollen Einbindung beider Geschlechter in der Privatwirtschaft". Besonders warnt er "vor pauschalen Einheitsquoten von der IT-Branche über die chemische Industrie bis hin zum Maschinen- und Anlagenbau". Fidar-Präsidentin Schulze-Strelow lässt dieses Argument zumindest bei der Besetzung der Aufsichtsräte nicht gelten: In diesen seien häufig Betriebsräte oder Juristen vertreten. "Und das können Frauen genauso."

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