Megafusion:Moskau schmiedet riesigen Luftfahrtkonzern

Nach Gasprom und Rosneft will die russische Regierung jetzt einen weiteren Weltkonzern schöpfen. Die wichtigsten Hersteller des Luftfahrtsektors sollen dazu zusammengefasst werden.

Jens Flottau

Die russische Regierung macht mit einschneidenden Reformen im Luftfahrtsektor des Landes ernst. Noch im September sollen die wichtigsten Hersteller des Landes in einem Einheitsunternehmen, Unified Aircraft Corp. (UAC), zusammengefasst werden. Bis Jahresende ist ein Börsengang geplant.

Megafusion: Die russischen Hersteller - im Bild das schwere Transportflugzeug Iljuschin-76 - benötigen für den internationalen Wettbewerb mit Airbus und Boeing mehr Kapital.

Die russischen Hersteller - im Bild das schwere Transportflugzeug Iljuschin-76 - benötigen für den internationalen Wettbewerb mit Airbus und Boeing mehr Kapital.

(Foto: Foto: ddp)

Die Megafusion soll die Firmen Irkut, Sukhoi, Tupolew, Iljuschin, Kazan Aircraft Production Association und NNAZ Sokol zu einer Einheit zusammenschweißen. Die Wettbewerbsbehörde in Moskau erteilte in der vergangenen Woche die Genehmigung für den Zusammenschluss.

,,Wir sind sicher, dass strukturelle Reformen in diesem Sektor Russland erlauben werden, die Wettbewerbsfähigkeit der Betriebe auf den Weltmärkten zu erhöhen und die Entwicklung von neuen Flugzeugen sicherzustellen'', sagte Andrej Ziganow, stellvertretender Leiter der Behörde.

EADS könnte indirekt beteiligt sein

Indirekt könnte dann auch der europäische Luft- und Raumfahrtkonzern EADS an dem neuen Unternehmen Anteile halten: Er ist derzeit mit zehn Prozent an Irkut beteiligt.

Doch der Schritt ist offenbar nur Teil einer breiteren Initiative, mit der Russlands Präsident Wladimir Putin die Luftfahrtindustrie des Landes stärken will.

Vergangene Woche kursierten Gerüchte, wonach die staatliche russische Wneschtorgbank einen Anteil von 4,5 bis 4,8 Prozent an der europäischen EADS erworben haben soll und weitere Aktienzukäufe plane. Offiziell wollte EADS dies nicht bestätigen - erst ab fünf Prozent sei eine Beteiligung meldepflichtig.

Auch Fluglinien sollen zusammengeschlossen werden

Doch in Branchenkreisen wird nicht ausgeschlossen, dass durch den Aktienkauf Verbindungen nach Westeuropa geknüpft werden sollen. Die Pläne der Reformer reichen noch weiter: Nicht nur die Flugzeugbauer, auch die Fluggesellschaften sollen zu stärkeren Einheiten zusammengeschlossen werden.

Die Zentralregierung erhofft sich von dem Schritt, wieder eine schlagkräftige Industrie zu schaffen, die die heute kleinteiligen Strukturen ersetzt.

UAC soll nicht nur verantwortlich sein für den Bau des so genannten Superjet 100, ein von Sukhoi mit Hilfe Boeings entworfenes Regionalflugzeug. Der neue Konzern soll auch ein Konkurrenzflugzeug zu den Kurz- und Mittelstreckenmaschinen Airbus A320 und Boeing 737 entwickeln - ein Vorhaben, das in den aktuellen Strukturen wohl unmöglich wäre.

Börsengang für Ende des Jahres geplant

Ein Börsengang des neuen Luftfahrtkonzerns UAC ist für Ende des Jahres geplant. Der Staat will aber zumindest vorläufig noch mindestens 75 Prozent der Anteile halten.

Allerdings hat das Wirtschaftsministerium eine Gesetzesinitiative gestartet, nach der künftig ausländische Investoren bis zu 49 Prozent an russischen Luftfahrtunternehmen halten dürfen. Derzeit liegt die Grenze bei 25 Prozent.

Moskau schmiedet riesigen Luftfahrtkonzern

Sowohl Airbus als auch Boeing haben sich bereits Marktzugang über Joint Ventures oder Minderheitsbeteiligungen verschafft. Beide haben auch Ingenieurbüros in Moskau und versuchen, bei den geplanten neuen Flugzeugmodellen mitzumischen. EADS will unter anderem Passagierflugzeuge zu Frachtern umrüsten lassen.

Aeroflot vor Veränderungen

Auf Veränderungen muss sich auch die staatliche Fluggesellschaft Aeroflot einstellen. Dem Vernehmen nach ist ein Gesetz in Vorbereitung, das die Fluggesellschaft von der Liste der Unternehmen nimmt, die unbedingt in staatlicher Kontrolle bleiben sollen.

Derzeit hält die Regierung noch 51 Prozent der Anteile, Chef von Aeroflot ist Waleri Okulow, der Schwiegersohn Boris Jelzins. ,,Das (Wirtschafts-) Ministerium hält es für ratsam, sich aus dem Besitz von Fluggesellschaften zurückzuziehen'', sagte ein Sprecher. ,,Dies ist aber noch kein Verkauf, wir machen nur Schritte in diese Richtung.''

Ursprünglich wollte das Wirtschaftsministerium Aeroflot mit anderen Fluglinien fusionieren. Nun soll jedoch mit Kras Air, Domodedovo Airlines, Samara Airlines und weiteren drei Unternehmen ein starker Konkurrent zu Aeroflot aufgebaut werden.

Die Fluggesellschaft soll den Namen Air Union tragen und mehrheitlich privat kontrolliert sein. ,,Dies wird eine dynamische Marktentwicklung fördern'', heißt es im Ministerium.

Interessanter Allianzpartner für die Lufthansa

Eine zweite große Fluggesellschaft in Russland wäre mittelfristig auch als Allianzpartner für die Lufthansa interessant. Aeroflot hat sich für die SkyTeam-Allianz um Air France-KLM entschieden.

Zur SZ-Startseite
Jetzt entdecken

Gutscheine: