Medikamentenpreise:Das Risiko trägt der Patient

Wer in den USA krank wird, muss mit exorbitant hohen Arzneimittelpreisen rechnen. Häufig decken Krankenversicherungen diese Kosten nicht, wobei etwa 40 Millionen Amerikaner ohnehin keinen Versicherungsschutz haben.

Von Andreas Oldag

Stephen und Nancy Benton aus New York sind finanziell in die Bredouille geraten. Sie mussten eine Hypothek auf ihre Eigentumswohnung aufnehmen, um das teure Mittel, das ihr herzkranker Mann brauchte, bezahlen zu können, erzählt die 68-jährige Nancy Benton.

Für die Arznei fallen 522 Dollar pro Monat an. Nichts Ungewöhnliches in einem der reichsten Industrieländer der Welt.

Wer in den USA krank wird, muss mit exorbitant hohen Arzneimittelpreisen rechnen. Und häufig decken die Krankenversicherungen die Kosten nicht. Etwa 40 Millionen Amerikaner haben ohnehin keinen Versicherungs-schutz.

Das Risiko trägt im Zweifelsfall der Patient, während die US-Pharmakonzerne wie Pfizer, Merck und Bristol-Myers-Sqibb durch das hohe Preisniveau Milliardengewinne kassieren.

Europa soll schuld sein...

Die Lobbyisten der Pharmaindustrie weisen allerdings die zunehmenden Klagen der Amerikaner über steigende Medikamentenkosten zurück.

"Amerika ist weltweit führend bei der Entdeckung neuer Medikamente. Das darf nicht mit Preiskontrollen kaputtgemacht werden, wie sie zum Verfall der europäischen Forschung geführt haben", meint Alan Holmer, der Präsident des Pharmaverbandes.

Und auch die Washingtoner Arzneimittel-behörde, Federal Drug Administration (FDA), spielt den Ball an die Europäer und den Rest der Welt zurück: Diese sollten die Bürde der Forschung durch Erhöhung der Medikamenten-preise mittragen, forderte FDA-Kommissar Mark McClellan.

Der US-Pharmamarkt macht vom Umsatz her betrachtet rund 43 Prozent des Weltmarktes aus. In keinem Land der Welt werden so viele neue Medikamente auf den Markt gebracht wie in den USA.

Der Arzneimittelumsatz pro Kopf der Bevölkerung ist mit mehr als 700 Dollar pro Jahr rund dreimal so hoch wie in den meisten EU-Staaten.

Amerikanische Patienten profitieren allerdings von relativ billigen Generika, der kostengünstigen Nachahmung lang bewährter Medikamente. Ihre Preise sind oft niedriger als in Europa.

In den EU-Staaten wirken vielfältige staatliche Auflagen und Festbeträge der Krankenkassen kostentreibend. Dagegen sorgt ein harter Wettbewerb zwischen kleineren Generikaherstellern in den USA für niedrige Preise.

Allerdings ist der Marktanteil von Generika in den USA mit zwölf Prozent deutlich niedriger als zum Beispiel in Deutschland mit 17 Prozent.

Nach Meinung von Kritikern setzen die großen US-Pharmakonzerne alles daran, dass dieser Anteil möglichst klein bleibt. Denn das große Geld lässt sich nur mit neuen, vor allem auch so genannten Life-Style-Präparaten machen.

...und die Dicken

Dabei geht es nicht so sehr um die Bekämpfung lebensbedrohlicher Krankheiten, sondern um Leiden, die eher eine Folge der ungesunden Lebensweise sind, wie Bluthochdruck und Fettleibigkeit.

Der Cholesterinsenker Lipitor von Pfizer ist zum Beispiel mit einem Jahresumsatz von neun Milliarden Dollar das weltweit umsatzstärkste Medikament.

Um die hohen Preise zu umgehen, bestellen immer mehr US-Bürger ihre Medikamente im Nachbarland Kanada. Die Einfuhr ist eigentlich illegal, doch sie wird sogar von vielen Bundesstaaten gefördert, die sich davon eine Senkung ihrer Zuschüsse für die Gesundheitsversorgung von Senioren erhoffen.

Die US-Pharmaindustrie protestiert dagegen heftig und versucht mit allen Mitteln, eine Gesetzesinitiative im Kongress zur Liberalisierung dieses Handels zu verhindern.

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