Medienindustrie:Es zählt, was drin ist

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Große Telekommunikations-Konzerne wie AT&T wollen nicht mehr nur "dumme Pipelines" sein. Sie werden nun auch Inhalte liefern und kaufen dafür Firmen. Aber das wird ganz schön teuer.

Von Caspar Busse, München

Mitte August in der glitzernden Zentrale von Time Warner am Columbus Circle im Herzen Manhattans soll es gewesen sein. Bei einem Mittagessen sei die Idee erstmals aufgekommen. "Als wir mit den Gesprächen anfingen, war klar, wie eilig und dringlich es war", erinnert sich Randall Stephenson, 56. Er drückte jedenfalls auf das Tempo. Am vergangenen Wochenende war es dann soweit: Der Chef von AT&T gab die Übernahme von Time Warner für 85 Milliarden Dollar bekannt.

Es ist eine der größten Akquisitionen in der Medienbranche. Stephenson, der einst bei dem mexikanischen Multimilliardär und Firmenaufkäufer Carlos Slim in die Lehre gegangen ist und wie dieser Listen mit möglichen Übernahmekandidaten führt, jubelte danach. Es handele sich um eine "perfekte Verbindung von zwei Firmen mit komplementären Stärken", sagte er. In Wirklichkeit ist der Telekommunikations- und Kabelkonzern vor allem an den Inhalten von Time Warner interessiert. Auf Deutschland bezogen wäre das übrigens so, als ob die Deutsche Telekom den Münchner Fernsehanbieter Pro Sieben Sat 1 übernehmen würde und künftig dessen Fernsehinhalte über ihr eigenes Netz vertreiben würde.

AT&T stand ursprünglich mal für American Telephone & Telegraph. Die Firma ist bislang vor allem im Geschäft mit Telefon- und Kabelanschlüssen aktiv und durch mehrere und teure Übernahmen zu einem der größten Anbieter in den USA geworden. Nun also soll die Software dazu kommen, also Inhalte wie TV-Sender, Kino- und Fernsehfilme. Time Warner mit seinem umfangreichen Angebot ist dabei durchaus interessant, dazu gehört etwa der Nachrichtensender CNN, der Unterhaltungskanal TNT, Bezahlsender wie HBO, der "Game of Thrones" zeigt, aber auch die Warner-Filmstudios. Insgesamt lag der Umsatz zuletzt bei 28 Milliarden Dollar.

Alle sind auf der Suche, das treibt jetzt die Preise deutlich nach oben

Das Geschäft ist einträglich. Der Gewinn von Time Warner erreichte fast sieben Milliarden Dollar. An dem Unternehmen mit Hauptsitz in New York, das 1989 durch das Zusammengehen von Warner und Time entstand (die Zeitschriften wurden 2014 verkauft), war zuvor bereits der Medienunternehmer Rupert Murdoch interessiert, sogar der iPhone-Konzern Apple soll bereits mit einer Übernahme geliebäugelt haben.

Mit seiner Suche nach Medienunternehmen ist AT&T keineswegs ein Einzelfall. "Content is king" heißt es schon lange in der Internet-und Telekommunikationsindustrie, ganz gleich ob es sich dabei um journalistische Produkte, um Filme, Fernsehserien oder Musik handelt. Schon 2011 übernahm der Kabelkonzern Comcast vom Mischunternehmen General Electric (GE) die Medienfirma NBC Universal, zuletzt kam auch das Trickfilmstudio Dreamworks hinzu. John Malone, der mit dem Kabelgeschäft in den USA groß und reich geworden ist, expandiert derzeit ebenfalls massiv. Er ist unter anderem bei Discovery dabei. Das Unternehmen betreibt ebenfalls Fernsehsender und kaufte aufsehenerregend die Fernsehrechte an den Olympischen Spielen von 2018 bis 2024 für 1,3 Milliarden Euro. Inzwischen hat der Liberty-Media-Konzern von Malone bekannt gegeben, auch den Veranstalter der Formel 1 zu erwerben. Die Rennserie ist weltweit bei Zuschauern attraktiv und eine Garant für hohe Einschaltquoten. Das Geschäft hat eine Volumen von insgesamt immerhin 7,5 Milliarden Euro.

Alle sind also inzwischen auf der Suche, was auch die Preise in die Höhe treibt. AT&T-Konkurrent Verizon beispielsweise kauft den angeschlagenen Internetanbieter AOL, zu dem auch die Online-Zeitung Huffington Post gehört. Vor wenigen Wochen wurde dann auch noch die Übernahme von Yahoo verkündet. Auch vor dem traditionellen Zeitungsgeschäft macht die Entwicklung nicht Halt. Amazon-Gründer Jeff Bezos hat die Washington Post erworben, das japanische Unternehmen Nikkei die Financial Times in London, schon vor einigen Jahren griff Rupert Murdoch beim Wall Street Journal zu und baute es grundlegend um.

Neben sehr teuren Zukäufen von ganzen Medienunternehmen gibt es auch noch einen zweiten Weg: Inhalte werden mit großen Aufwand und erheblichen Mitteln eingekauft oder produziert, um bei den Kunden dann damit zu punkten. So lässt beispielsweise der Internethändler Amazon von Woody Allen eine Fernsehserie mit dem Titel "Crisis in Six Scenes" produzieren, um damit das eigene Streamingangebot attraktiver zu machen. Die Online-Videothek Netflix hat bereits mit "House of Cards" vorgemacht, wie das funktioniert. Die Polit-Serie um den fiktiven amerikanischen Präsidenten Frank Underwood hat für viel Aufmerksamkeit gesorgt, eine Reihe anderer Produktionen folgten.

"Die Zukunft des Mobil-Geschäfts ist Video, und die Zukunft von Video ist mobil", sagte Stephenson am vergangenen Sonntag. Die Telekom- und Kabelkonzerne wollen aber nicht mehr die Rolle von "dummen Pipelines" einnehmen, also nicht mehr lediglich die Programme liefern. Sie wollen nun auch selbst mitverdienen. Auch in Deutschland gibt es diesen Trend bereits. Vodafone und die Tochter Kabel Deutschland etwa bieten eigene Inhalte. Auch bei Entertain, der Fernsehplattform der Deutschen Telekom, sind eigene Paket im Angebot. Aber die Veränderungen haben gerade erst begonnen.

Das alles ist Time Warner (von oben links im Uhrzeigersinn): Die Zentrale in New York, der Kinofilm "Justice League", der 2017 kommen soll, die neue Science-Fiction-Western-Serie "Westworld" auf HBO und der Nachrichtensender CNN. (Foto: Michael Nagle/Bloomberg; Warner Bros.; Erik S. Lesser/dpa; HBO)
© SZ vom 25.10.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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