Medien:Spannungen bei der FAZ

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Bei dem Frankfurter Verlag braust und rauscht es kräftig: Zwischen den fünf Herausgebern und der Geschäftsleitung wuchert Misstrauen.

Von Hans Leyendecker

Gesellschafterversammlungen der Frankfurter Allgemeinen Zeitung (FAZ) sind so unterhaltsam wie das Tanzen mit der eigenen Schwester. Was passieren wird, steht schon vorher fest.

Auch die heutige Gesellschafterversammlung der FAZ wird die übliche Tagesordnung bieten: Entlastung der Gremien, Allgemeines zur Lage. Widrigkeiten und Zwistigkeiten sind nicht vorgesehen.

Dabei braust und rauscht es bei dem Frankfurter Verlag kräftig. Zwischen den fünf Herausgebern und der Geschäftsleitung gibt es Spannungen, es wuchert Misstrauen.

In den Aufsichtsrat soll in der heutigen Sitzung der Rechtsgelehrte Michael Hoffmann-Becking berufen werden. Alle Versuche der Herausgeber, einen eigenen Kandidaten zu nominieren oder den sechsköpfigen Ausschuss um einen Platz zu vergrößern, sind gescheitert.

Nichts gegen Hoffmann-Becking. Im Bereich des Gesellschafts- und Aktienrechts ist der Seniorpartner der Düsseldorfer Kanzlei Hengeler Mueller die Berühmtheit. Als Zeitungssachverständiger ist er allerdings noch nie aufgefallen.

"Verkrustet und kenntnisfrei"

Die meisten der Herausgeber kennen ihn nicht. Der Aufsichtsrat sei "verkrustet und kenntnisfrei", sagt ein führender FAZ-Journalist. Mitglieder des Gremiums, wie der CDU-Bundestagsabgeordnete Heinz Riesenhuber, erweckten zudem den Verdacht, wie ein anderer FAZ-Gewährsmann sagt, "dass die Institution in die Hände von selbst ernannten Besitzern gelegt wurde, die politische Interessen haben". Erobern am Ende die Schwarzen auch noch die FAZ?

Der Kandidat der Herausgeber für den Aufsichtsrat, dessen Name anonym bleiben soll, war ein ehemaliger Richter des Bundesverfassungsgerichts. Er ist vermutlich einzig daran gescheitert, dass ihn die Herausgeber partout wollten.

Alle fünf hatten einen Brief an den Aufsichtsrat geschrieben, der an die Geschäftsleitung weitergereicht wurde, und dass alle fünf eins waren, galt als Revolutiönchen. Im Verlag war von einer Verschwörung die Rede. Die Herren tauschten sich noch über die Feinheiten des Aktienrechts aus, und alle Versuche, eine Lösung für den Vertrauensmann der Herausgeber zu finden, sind gescheitert.

Vorher hatte der starke Mann des Verlages, der derzeitige Sprecher der Geschäftsführung, Wolfgang Bernhardt, 69, listenreich verhindert, dass der Wunschkandidat der Herausgeber, Peter Jürgen Asmussen, zu seinem Nachfolger berufen wurde.

Asmussen wechselt in diesen Tagen als Chef eines FAZ-Tochterunternehmens nach Potsdam. Der 49-Jährige hatte sich dafür eingesetzt, freitags das FAZ-Magazin und am Sonnabend die Wochenendbeilage "Bilder und Zeiten" in veränderter Form aufleben zu lassen, weil es eben besonders am Freitag und am Samstag bei der FAZ Auflagenprobleme gibt.

"Ich kenne das alles nicht"

Es gab erste Pilotprojekte, die wegen des Ausscheidens von Asmussen auf Eis gelegt sind. Bernhardt setzte als seinen Nachfolger Tobias Trevisan von der Neue Zürcher Zeitung AG durch, der im Herbst zunächst in die Geschäftsführung der FAZ wechselt und mit Wirkung vom 1. Januar 2006 Sprecher der Geschäftsführung sein soll. Trevisan hat einen exzellenten Ruf. Bernhardt ist sehr schweigsam. "Ich kenne das alles nicht, was Sie sagen", sagt er der SZ auf Anfrage.

Es gibt Büchermenschen und Zahlenmenschen. Nur bei der FAZ war es einst so, dass die Zahlenmenschen zumindest den Eindruck erweckten, sie könnten über den Zauberberg reden oder über Stefan George.

Redaktion und Herausgeber der FAZ trauern dem langjährigen früheren FAZ-Geschäftsführer Wolfgang Pfeifer nach, der den Journalisten alle Freiräume ließ und ihnen Selbstvertrauen und Arbeitslust injizierte.

Ein unnaiver Romantiker, der Welt und dem Theater zugetan. Der Sanierer Bernhardt, den Pfeifer, schwerkrank, um Hilfe gebeten hatte, ist von ganz anderem Format. Bernhardt arbeitete einst bei Flick, dann beim Stahl-Rebellen Willy Korff und fiel auch als Sanierer bei Coop auf. Ein Zahlenmensch eben.

Weil Bernhardt, der im katholischen Fulda vor fünfzig Jahren Abitur machte, altmodisch katholisch ist und als Wirtschaftsprüfer auch für den Heiligen Stuhl arbeitet, steht er bei manchem Verschwörungstheoretiker des Blattes sogar im Verdacht, Mitglied bei Opus Dei zu sein. Das ist Unsinn, aber auf den Zeitungsfluren braucht es Gerüchte, um die Welt zu verstehen.

Wie andere Blätter auch hat die FAZ eine tiefe Krise durchlebt. Rund 500 Millionen Euro soll der Verlag bei Abenteuern verloren haben. Auch gibt es noch wegen Geschäften im Osten Probleme mit dem Fiskus. Vierzig Prozent der Beschäftigten sollen verabschiedet worden sein. Genaue Zahlen gibt es nicht. Bernhardt hat getan, was er immer getan hat: Er trat als Sanierer auf. Die FAZ soll im vergangenen Jahr einen Gewinn in Höhe von acht Millionen Euro erzielt haben, immerhin. Das Blatt hat keine Bankkredite aufnehmen müssen. Ein Segen.

"Wenn Bernhardt nach der Sanierung im Vorjahr abgetreten wäre, hätten wir ihm danken müssen", sagt ein kluger Kopf des Blattes. "Aber er ist geblieben, und wir trauen ihm nicht zu, dass er versteht, was Journalismus heute braucht." Alle reden nur verdeckt. Sagt ihm das heute bei der Sitzung jemand offen ins Gesicht?

© SZ vom 01.06.2005 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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