Medien:In aller Freundschaft

Schleichwerbung im öffentlich-rechtlichen Fernsehen: Was lief, ganz vertraulich, zur besten ARD-Sendezeit?

Von Uschi Treffer und Franz Baden

Bei Skandalen wird üblicherweise erst recherchiert, dann gedruckt- später ringen die Angegriffenen oft vor Gericht um ihre Position.

Im Fall eines Reports, der nun im Evangelischen Pressedienst epd medien erschien, war es anders: Da versuchten die Beschuldigten fast zwei Jahre lang, eine Veröffentlichung zu verhindern. Doch am 20. Januar 2005 verloren sie vor dem Oberlandesgericht München. Die Story konnte erscheinen.

Es geht um den schweren Vorwurf der Schleichwerbung mitten im öffentlich-rechtlichen Fernsehen - in der ARD bei der Daily Soap Marienhof und der Krankenhausserie In aller Freundschaft.

Dabei sollen Mitarbeiter der Produktionsfirma Bavaria Film ausgiebig mit den ebenfalls in München ansässigen Spezialunternehmen H.+S. sowie Kultur+Werbung (K+W) des Andreas Schnoor, 55, gekungelt haben, einem Mann, der das Metier kennt. Er hat in den neunziger Helmut-Kohl-Jahren mal 276.000 Mark aus dem Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung organisiert, die in die ARD-Serie Klinik unter Palmen flossen. Da wurde gut über Entwicklungshilfe geredet.

"Zuschauer ahnt gar nicht, dass man so was so direkt steuern kann"

Wie sich aus internen Unterlagen, die epd medien ausbreitet, ergibt, hat sich wohl ein flotter Betrieb entwickelt. Im seriellen Stil seien Produkte platziert worden - alles nicht ganz passend zu einem Betrieb wie Bavaria, der den gebührenfinanzierten Sendern WDR, SWR und MDR gehört. Schleichwerbung ist per Rundfunkstaatsvertrag verboten.

Eine von 2002/2003 datierte Projektliste von K+W weist demnach 200 Kontaktstellen aus, denen Besitzer Andreas Schnoor ("AS") und Mitarbeiter ihre Ideen präsentiert haben. Fünf Abschlüsse seien zu dieser Zeit für Marienhof erreicht worden: mit Vodafone, dem Kinoverleiher UIP, Nourypharma, Tetra Pak und dem Allgemeinen Deutschen Tanzlehrerverband. "AS telefoniert mit von Mossner", vermerkt ein Protokoll - so heißt der damalige Marienhof-Macher.

Ein anderes Papier legt nahe, was für die 250 Ausgaben in der zehnten Staffel der ARD-Soap zwischen Juni 2002 und Juni 2003 geplant war: "Bitte darauf achten, dass keine Abschlüsse unter fünf Folgen gemacht werden! Bei Abschluss sollte grundsätzlich ein Beratungs- und Requisitenvertrag abgeschlossen werden! Preise: ,Aktive Integration', EUR 17.500."

Gerne soll für zehn Placements ein Paketpreis von 175.000 Euro verlangt worden sein. Auffällig findet epd medien, wie oft ein Reiseveranstalter im Stil der L'tur im Marienhof vorkam oder der Florida Boy, die Badelotion Calinda oder World Vision mit Kinderpatenschaften.

Zum Schleichwerber-Terrain gehörte womöglich auch die Bavaria-Tochter Saxonia. Nach einem Projektstatusbericht von Schnoors Agentur K+W, den epd medien zitiert, kam es in der von Saxonia produzierten Serie In aller Freundschaft 2002 und 2003 in mindestens neun Fällen zu bezahlter Pharmawerbung.

Krankheiten wie Alzheimer, Asthma, Epilepsie oder Multiple Sklerose seien der Anlass gewesen, über Arzneien oder Wirkstoffe zu reden. Das Dokument vom Nikolaustag 2002 benennt Episoden, Sendedaten und Pharmakunden, die mit bis zu 30.000 Euro Zahlung eingeplant wurden.

Einmal musste offenbar das Anti-Erschöpfungsmittel Fatigue rasch in die Serie geschrieben werden: "Drehbuch muss von SF bis 20.12.2002 bearbeitet werden, damit es in der zweiten Drehbuchfassung integriert ist." Hat die Agenturkraft SF Redaktionsarbeiten übernommen?

Über Akquisitionen der Agentur informiert ein heimlich gefertigtes Video, das eine Schnoor-Mitarbeiterin im Kundengespräch zeigt. Sie präsentiert alte Marienhof-Folgen mit Sparkassen-Auftritten als Referenz: "Der Zuschauer ahnt gar nicht, dass man so was so direkt steuern kann."

Das Video und Geschäftspapiere sollten nach dem Willen Schnoors publizistisch nicht verwendet werden. Doch das OLG München entschied, anders als das Landgericht, dass "auch die Publikation rechtswidrig recherchierter Informationen" vom Grundgesetz geschützt sei.

Nichts gewusst

Agenturchef Schnoor erklärt, der epd-Journalist Volker Lilienthal sei als "Matthias Bergkamp" aufgetreten und habe Gespräche über die Bereitstellung von Requisiten geführt. H.+S. habe erwirken wollen, dass Schriftsätze und dergleichen sowie audiovisuell aufgezeichnete Materialien von einer freien Mitarbeiterin vertraulich zu behandeln seien.

Bavaria-Chef Thilo Kleine bestätigt, es habe "Kooperation mit Dritten" gegeben. Die Erlöse seien innerhalb der Bavaria "im Rahmen von zusätzlichen Developments und Eigenproduktionen eingeflossen". Von den Praktiken habe er nichts gewusst; längst seien Maßnahmen ergriffen worden, "die Placements in der Zukunft wirksam zu verhindern". Eine Sonderprüfung wurde vereinbart.

Programmdirektor Günter Struve spricht von einem möglichen "Betrugstatbestand". Er schrieb Produzenten an und bat, ähnliche Konstellationen offen zu legen. Geantwortet hat keiner.

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