Medien:Großes Fernsehen

Pro Sieben Sat 1 stand 2009 fast vor der Pleite, jetzt ist die Firma in den Dax aufgestiegen - wie konnte das passieren?

Von Caspar Busse

In der Betreffzeile der E-Mail, die die Mitarbeiter von Pro Sieben Sat 1 in der Nacht zu Donnerstag erhalten haben, stand "Wir sind Dax". Der Spruch zusammen mit den Namen aller rund 2000 Mitarbeiter am Hauptsitz in Unterföhring wird auch ein Wandplakat zieren, das in der Zentrale aufgehängt wird. Eine große Party ist zwar nicht geplant, aber die Fernsehmacher sind doch ziemlich stolz, dass ihr Unternehmen nun zu den 30 wichtigsten börsennotierten Unternehmen in Deutschland gehört. "Wir sehen den Aufstieg als Würdigung unserer Arbeit der vergangenen Jahre und als Ansporn, unsere diversifizierte Wachstumsstrategie in Zukunft erfolgreich weiter zu verfolgen", teilte Konzernchef Thomas Ebeling mit.

Pro Sieben Sat 1 ist von Montag, 21. März, an das erste Unternehmen im Dax, das aus der Medien- und Internetbranche kommt. Traditionell beherrschen Banken, Versicherungen und Industriekonzerne wie Siemens, BMW, BASF, Bayer, Daimler den auch international bei Anlegern beachteten Aktienindex. Jetzt also ist auch ein Fernsehunternehmen dabei, eines mit einer sehr wechselhaften Vergangenheit, eines, das nicht nur einmal kurz vor der Pleite stand und das heute an der Börse mehr wert ist als RWE, Lufthansa, Thyssen-Krupp oder die Commerzbank.

Wie konnte das passieren?

Begonnen hat alles 1984, damals ging im Ludwigshafener Kabelnetz die Programmgesellschaft für Kabel- und Satellitenfunk (PKS) mit einem eigenen Programm auf Sendung, daraus wurde ein Jahr später Sat 1. Von Anfang an dabei: der Münchner Filmhändler Leo Kirch. 1989 nahm dann Pro Sieben in Unterföhring in einer ehemaligen Saftfabrik den Sendebetrieb auf, der Kanal wurde zunächst von Kirchs Sohn Thomas betrieben. Das Privatfernsehen hatte erstaunlichen Erfolg in Deutschland: selbstproduzierte Filme und Serien, neue freche Shows, Fußball.

Leo Kirch fusionierte später Pro Sieben und Sat 1 zu einem börsennotierten Fernsehkonzern, gründete weitere Sender wie Kabel 1 oder N 24. Doch der Filmhändler hatte sich mit seinen vielen Geschäften gewaltig übernommen und geriet bald in schwere finanzielle Probleme. Eine (Not-)Fusion der Fernsehsender mit seiner Mediengruppe scheiterte, 2002 ging Leo Kirch schließlich in die Insolvenz.

Auch Pro Sieben Sat 1, als eigenständige Firma nicht direkt von der Pleite betroffen, stand am Abgrund. Der Kirch-Insolvenzverwalter wollte den Konzern verkaufen, doch Interessenten aus dem In- und Ausland winkten alle entnervt ab - bis auf einen Mann aus Los Angeles. Der schillernde Medienunternehmer Haim Saban, der mit Musik für TV-Serien wie "Dallas" und Zeichentrickfilme reich geworden war, stieg 2003 zum Vorzugspreis von geschätzt 800 Millionen Euro ein und machte ein atemberaubendes Geschäft. Zwar scheiterte zunächst die geplante Übernahme des Fernsehunternehmens durch die Axel Springer AG am hartnäckigen Widerstand des Kartellamts. Doch dann verkaufte Saban Ende 2006 an die beiden Finanzinvestoren KKR und Permira - und vervielfachte damit seinen Einsatz.

Medien: Ihre TV-Show ist erfolgreich, vor allem bei jüngeren Zuschauern: Klaas Heufer-Umlauf (links) und Joko Winterscheidt.

Ihre TV-Show ist erfolgreich, vor allem bei jüngeren Zuschauern: Klaas Heufer-Umlauf (links) und Joko Winterscheidt.

(Foto: Benedikt Müller/Pro Sieben)

Für Pro Sieben Sat 1 wurde nichts besser. Die Schulden stiegen und stiegen. Konzernchef Guillaume de Posch - Lieblingsspruch: "Zeig' mir die Zahlen" - drückte erbarmungslos die Kosten, zudem musste er von den Finanzinvestoren deren europäische Fernsehgruppe SBS zu einem sehr hohen Preis übernehmen. Die Finanzkrise kam, die Werbeeinnahmen brachen ein. Ende 2008 war Pro Sieben Sat 1 ziemlich ausgesaugt. "Es war ziemlich ernst. Das Wasser stand uns bis zum Hals", erinnert sich ein Beteiligter. Die Aktie rutschte auf unter einen Euro. In dieser Lage engagierten KKR und Permira auch noch Thomas Ebeling als Vorstandschef, einen Mann, der aus der Pharmabranche kam und keine Medienerfahrung hatte.

Es gibt bereits erste Sorgen: Ist das Geschäftsmodell wirklich nachhaltig?

Aber Pro Sieben Sat 1 schaffte es. Das Programm wurde nicht unbedingt anspruchsvoller, der Nachrichtensender N 24 wurde verkauft, auch der große Fußball läuft nicht mehr bei Sat 1, die Auslandssender wurden versilbert, die Kosten sanken. Shows wie "Germanys Next Topmodel", "Schlag den Raab" oder "Joko & Klaas" hatten und haben gerade bei jüngeren Zuschauern großen Erfolg. Es wurden erfolgreiche Spartensender wie Sixx oder Sat 1-Gold gegründet. Dazu expandierte der Konzern ins Internetgeschäft: Online-Spiele, Reisebüros, Vergleichsportale - all das gehört nun auch zu Pro Sieben Sat 1. Der Umsatz stieg 2015 um 13 Prozent auf 3,3 Milliarden Euro, der Betriebsgewinn um neun Prozent auf 926 Millionen Euro. Beschäftigt werden 4800 Mitarbeiter, 500 davon in den USA. Die Rendite ist hoch. Die Aktie stieg im vergangenen November bis auf mehr als 50 Euro, eine Verfünfzigfachung in sieben Jahren. Die Finanzinvestoren sind schon lange ausgestiegen.

Und jetzt? Eine Mehrheit der Analysten empfiehlt die Aktie weiterhin zum Kauf. Doch es werden Sorgen laut, das Geschäftsmodell könnte nicht nachhaltig sein. Das noch immer sehr profitable Kerngeschäft mit frei empfangbaren Fernsehsendern wird weiter unter Druck kommen, die Online-Aktivitäten sind riskant und tendenziell margenschwächer. Ebeling hat bereits weitere Zukäufe angekündigt, eine halbe Milliarde Euro habe er zur Verfügung, sagt er. Sein Ziel ist auch klar: Er will langfristig im Dax bleiben.

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