Media Saturn:Tod des Patriarchen

Aus kleinen Verhältnissen stieg Erich Kellerhals zum Milliardär auf. Nun ist der Media-Markt-Gründer verstorben.

Von Uwe Ritzer, Ingolstadt

Seine letzte Attacke ritt Erich Kellerhals 20 Tage vor seinem Tod. "Das Sündenregister von Pieter Haas hat die rote Linie überschritten", schrieb er da in seinem Blog. Einer höchst persönlichen Internetseite, die der letzte im Unternehmen aktive Gründer von Europas größtem Elektronikhändler Media-Saturn auch mit 78 Jahren alleine voll schrieb. Sprachlich ungelenk, Rechtschreib-, Grammatik- und Kommafehler inklusive. Seine PR-Leute jaulten häufig auf, wenn er an ihnen vorbei in dem Blog Top-Manager von Media-Saturn wie besagten Vorstandschef Haas pausenlos wild attackierte. Doch Erich Kellerhals, aus kleinen Verhältnissen zum Selfmade-Milliardär aufgestiegen, war keiner, der sich von irgendwem geschmeidig bügeln ließ. Nicht einmal sprachlich. Erst recht nicht, wenn er sich im Recht fühlte.

Und das tat der Wahl-Salzburger, bis er am ersten Weihnachtsfeiertag im Kreise seiner Familie überraschend starb. Das Herz machte nicht mehr mit. Als am Donnerstagmorgen die Nachricht von seinem Tod die Runde machte, setzte an der Börse ein geradezu zynischer Reflex ein: Der Aktienkurs der Media-Saturn-Mutter Ceconomy AG schnellte um bis zu 6,7 Prozent nach oben. Das kann man moralisch bedenklich finden. Erklärbar ist es. Denn in diesem Fall erwarten Anleger, dass mit dem Ableben von Erich Kellerhals auch der jahrelange Machtkampf bei Media-Saturn endet.

Wenn sie sich da mal nicht täuschen. Unbeirrbar stemmte sich der alte Herr jahrelang gegen alle Versuche, seine Rechte als Minderheitsgesellschafter mit einem Anteil von knapp 22 Prozent auszuhöhlen. Ein Vertrag garantiert ihm eine Sperrminorität in der Gesellschafterversammlung, die der Konzern zwar im Lauf der Jahre juristisch aufweichen, aber nicht wirklich aushebeln konnte. Früher der Metro, heute Ceconomy gehören zwar 78 Prozent von Media-Saturn, doch an Kellerhals vorbei durchregieren kann der Konzern nicht.

Media-Markt historische Fotos

So begann eine bemerkenswerte Erfolgsgeschichte: TV-Abteilung des Media-Markts im Gründungsjahr 1979.

(Foto: Media-Markt/PR)

Gerne wurde von seinen Gegnern das Bild vom störrischen Alten gezeichnet, der vom modernen Wirtschaften keine Ahnung hat. Erich, der sture Bremser. Doch so einfach ist die Sache nicht. Kellerhals kämpfte schließlich bis zuletzt um seine verbrieften Rechte - und sein Lebenswerk.

Im Alter von 24 Jahren eröffneten der Sohn eines Fahrradhändlers und seine Frau Helga in Ingolstadt ein Geschäft für Öfen, Herde und Fahrräder. Wenig später kamen Fernseher hinzu. Es waren die Sechzigerjahre, und nicht nur die Gesellschaft geriet in einen Umbruch, sondern auch der Einzelhandel. Radios, Fernseher, Tonbandgeräte wurden bis dahin in meist überschaubaren Geschäften verkauft, die nur eine oder zwei Herstellermarken führten.

Bei Kellerhals heuerte seinerzeit ein junger Verkäufer an, der sich als ehrgeizig, fleißig und gewieft erwies und sein kongenialer Partner werden sollte: Leopold Stiefel. Und dann war da noch Walter Gunz, Abteilungsleiter im Münchner Karstadt-Kaufhaus Oberpollinger, den Kellerhals über eine Kleinanzeige gefunden hatte und der sich als Marketinggenie entpuppen sollte.

Das Quartett entwarf ein Konzept, das den Handel mit Elektrogeräten auf den Kopf stellen sollte. Grob zusammengefasst sah das so aus: Eine große Auswahl an Unterhaltungselektronik und Hausgeräten auf großen Flächen in spartanisch eingerichteten Märkten, zu möglichst günstigen Preisen. Das Ganze statt in engen Innenstädten lieber an der Peripherie mit vielen Parkplätzen, garniert mit frecher, einprägsamer Werbung. Man ist ja nicht blöd, oder?

Im November 1979 eröffnete in München der erste Media Markt. "In der Anfangszeit war ich bei jeder Eröffnung dabei", erzählte Kellerhals einmal. Dann aber wurden es zu schnell zu viele. 1998 stieg die damalige Metro-Tochter Kaufhof in das Unternehmen ein und brachte die Saturn-Märkte mit. Aus jener Zeit rührt der umstrittene Gesellschaftervertrag. Heute zählt die 2011 um den Online-Händler Redcoon erweiterte Media-Saturn-Gruppe weltweit etwa 1000 Märkte und 65 000 Beschäftigte, die 2016/17 einen Umsatz von 22 Milliarden Euro erwirtschafteten.

Media Saturn: Händler mit Leib und Seele: Erich Kellerhals starb am ersten Weihnachtstag im Alter von 78 Jahren.

Händler mit Leib und Seele: Erich Kellerhals starb am ersten Weihnachtstag im Alter von 78 Jahren.

(Foto: Catherina Hess)

Gunz und Stiefel verabschiedeten sich im Lauf der Jahre als reiche Männer aus dem Unternehmen. Das Ehepaar Kellerhals wurde auch sehr reich, blieb aber. Von Salzburg aus kümmerte sich der - gemessen an seiner Internet-Streitlust - im persönlichen Umgang erstaunlich gelassene und unprätentiöse Patriarch bis zuletzt täglich ums Geschäft, zu dem außer den Media-Saturn-Anteilen auch Einkaufszentren und viele Immobilien gehören. "Ich habe die Firma immer als Hobby gesehen", sagte er einmal in einem SZ-Interview.

Gut, ab und zu spielte er Golf, ging ein wenig wandern oder besuchte mit seiner Frau Konzerte, zuletzt im Sommer die Aida-Premiere bei den Salzburger Festspielen. Lieber aber analysierte er Statistiken und brütete Geschäftsideen aus. "Ein Unternehmer wie er sein muss", sagt sein langjähriger Partner Leopold Stiefel. "Wenn er von etwas überzeugt war, hat er seine Ziele ohne Wenn und Aber verfolgt. Erst recht, wenn er sich ungerecht behandelt fühlte."

Stiefel würdigte den Verstorbenen als "aufrechte, ehrliche Person", und auch die Geschäftsführung von Media-Saturn zollte Anerkennung für die Lebensleistung der "bemerkenswerten Unternehmerpersönlichkeit, der wir alle viel zu verdanken haben". Kein Wort freilich über die jahrelangen Auseinandersetzungen.

Diese haben die Entwicklung von Media-Saturn, den Umbau vom rein stationären zum Auch-Online-Händler, zwar nie blockiert, wohl aber schwieriger gemacht. Der Dauerstreit war lästig und anstrengend. Das Tagesgeschäft wurde komplizierter, etwa weil Manager Angst befiel, zwischen die Fronten zu geraten und sie sich lieber doppelt und dreifach absicherten. Manche gingen entnervt, andere wurden gefeuert.

Zuletzt hatte man sich in der Media-Saturn-Zentrale in Ingolstadt weitgehend arrangiert mit dem Dauer-Zoff der Gesellschafter. Vor einigen Monaten hieß es, Erich Kellerhals würde seine Anteile an Ceconomy verkaufen. Doch der mit Hilfe des Mediators Clemens Vedder aufgerufene Preis war Ceconomy zu hoch. Jetzt soll es Vedder ein zweites Mal versuchen.

Die Spitzen von Media-Saturn und Ceconomy hoffen nun auf eine Lösung mit den Erben, Ehefrau Helga, Sohn Jürgen und Enkel Julian. Niemand traut sich seriös einzuschätzen, was sie planen. Bis Klarheit herrscht, haben sie sich in Ingolstadt vorgenommen, zu warten - auf Signale. Ein erstes, kleines Signal gibt es schon: Am Donnerstag wurden alle Attacken von Erich Kellerhals von seiner Homepage gelöscht.

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