Massentierhaltung in Deutschland:"Die Verbraucher sind hilflos"

Hühner in beengten Käfigen, Kühe ohne Freilauf und Schweine, die sich gegenseitig anfressen - immer wieder sorgt die Tiermast in Deutschland für Negativ-Schlagzeilen. Kann man trotz aller Lebensmittelskandale überhaupt noch mit gutem Gewissen Fleisch essen? Nur wenn man sich als Verbraucher bewusst damit auseinandersetzt, sagt die Ernährungswissenschaftlerin Waltraud Fesser von der Verbraucherzentrale Rheinland-Pfalz.

Frederik Obermaier

sueddeutsche.de: Frau Fesser, hat man als Verbraucher überhaupt Einfluss auf die Art der Tierhaltung?

Waltraud Fesser: Selbstverständlich. Was nicht nachgefragt wird, lässt sich nicht verkaufen - insofern kann man einen gewissen Druck ausüben. Nach wie vor sind Verbraucher aber hilflos, weil sie Qualitätsunterschiede im Supermarkt nicht erkennen können. Da gibt es ein Kilo Schnitzel für zehn Euro und ein anderes für fünf Euro, man sieht aber keinen Unterschied. Hier ist der Handel in der Pflicht, besser über Qualitätsunterschiede zu informieren - damit ich als Verbraucher tatsächlich auch die Wahl habe.

sueddeutsche.de: Und bis es soweit ist, hilft nur der Verzicht auf Fleisch?

Fesser: Wir müssen nicht zwingend alle Vegetarier werden. Man muss aber auch nicht morgens, mittags und abends Fleisch essen. Hier wäre etwas Verzicht angebracht.

sueddeutsche.de: Welches Fleisch kann ich im Supermarkt überhaupt noch mit gutem Gewissen kaufen?

Fesser: Ein Großteil des Fleisches im Supermarkt ist ein No-Name-Produkt. Das heißt, man weiß nicht, wo es herkommt. Deshalb muss man sich als Verbraucher damit befassen, was sich hinter den einzelnen Marken verbirgt.

sueddeutsche.de: Namen wie "Bauernglück" oder "Landfleisch" hören sich ja schon mal gut an.

Fesser: Das hört sich zwar gut an, ist aber lediglich nichts Anderes als ein Firmen- oder Produktname. Mengen und Preis deuten aber meist darauf hin, dass das Fleisch aus der Massentierhaltung kommt. Aussagekräftiger sind Länderzeichen wie "geprüfte Qualität aus Hessen".

Wie die Tiere gehalten wurden, steht meist nicht auf der Packung

sueddeutsche.de: Ist das Fleisch aus Hessen etwa besser als das aus Bayern?

Massentierhaltung Hühner

Hühner im Stall: Die Massentierhaltung in Deutschland ist wegen des hohen Medikamenteneinsatzes stark unter Beschuss geraten.

(Foto: dpa)

Fesser: Nein. Fast jedes Bundesland hat sein Herkunftszeichen, die leider nicht einheitlich sind. Wenn ich aber bewusst Fleisch aus meiner Region kaufe, dann sind zumindest die Transportwege vom Hof zum Schlachter und vom Schlachter in den Supermarkt kürzer.

sueddeutsche.de: Besser gehalten werden die Tiere deswegen aber noch nicht.

Fesser: Nein. Man muss konkret schauen, wie die Haltungsbedingungen sind.

sueddeutsche.de: Ich soll also aufs Land fahren und bei den Bauern auf die Wiesen und in die Ställe schauen?

Fesser: Das wäre gut. Wenn das nicht geht, helfen Gütesiegel auf der Fleischverpackung.

sueddeutsche.de: Die gibt es allerdings zu Dutzenden. Woran kann ich sehen, welches nun besser ist, wenn ich im Supermarkt stehe und mehrere zur Auswahl habe?

Fesser: Beim Metzger können Sie zumindest nachfragen, wo das Fleisch herkommt und wie die Tiere gehalten werden. An der Kühltheke werden Sie das aber nicht sehen, wenn sie sich vorher nicht erkundigt haben.

sueddeutsche.de: Wo kann man sich informieren?

Fesser: Bei den Verbänden, die das Siegel vergeben, im Internet oder bei den Verbraucherzentralen - oder man nimmt gleich Bio-Fleisch.

sueddeutsche.de: Das kostet dann aber auch mehr.

Fesser: Natürlich ist es teurer - weil die Tiere länger gehalten werden, weil sie besseres Futter bekommen und viele Vorschriften eingehalten werden müssen. Wenn man sich aber die Qualität anschaut, ist es in meinen Augen kein Verzicht, nur weil man sich für das gleiche Geld bei Bio-Fleisch weniger Menge bekommt. Im Gegenteil.

sueddeutsche.de: Bio ist in jedem Fall besser?

Fesser: Zumindest sind die Landwirte an die Richtlinien der EU-Ökoverordnung gebunden. Alle Produkte, die bio genannt werden, müssen mindestens diesen Standard erfüllen. An dem gäbe es zwar einiges zu verbessern, aber er ist zumindest höher als der konventionelle Standard bei Massentierhaltung. Und wenn man zusätzlich auf ein Verbandssiegel wie "Bioland" setzt, hat man noch weitergehende Kriterien. Da kann man sich sicher sein, dass bio drin ist, wo bio draufsteht.

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