Maschinenbau:Gedämpfte Freude

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Wenn es hilft, Mädchen für Maschinenbau zu begeistern. Ein Roboter verteilt am Stand von Bosch Zuckerwatte. (Foto: Julian Stratenschulte/dpa )

Deutschen Herstellern geht es sehr gut. Auf der Hannover-Messe hätten sie Grund zum Feiern - wären da nicht die geopolitischen Spannungen, die den Firmen Sorgen machen.

Von Elisabeth Dostert, Hannover

Eigentlich läuft es gut, für die deutschen Hersteller von Maschinen und Anlagen. 2016 ist ihr Umsatz im dritten Jahr in Folge gestiegen auf den Rekordwert von 228 Milliarden Euro. Die Hannover-Messe, die am Sonntagabend von Bundeskanzlerin Angela Merkel eröffnet wurde, wäre der richtige Ort zum Feiern. Sie ist die weltweit größte Messe für Investitionsgüter. Nirgendwo tritt "Made in Germany" so geballt auf wie in Hannover. Alles gut, wenn da nicht die Kritik an der deutschen Exportstärke und dem Handelsbilanzüberschuss wäre und die wachsenden Tendenzen zu Protektionismus und Isolation. Merkel erteilte Abschottung und Protektionsmus eine klare Absage. Freiheit und Offenheit seien die besten Marschrichtungen, um gemeinsam erfolgreich zu sein, sagte die Bundeskanzlerein. Die Unternehmen im Saal hören das gerne. "Wir sind gefordert zu erläutern, womit wir es geschafft haben, aus dem kranken Mann Europas der Jahrtausendwende eine weltweit erfolgreiche Industrienation mit Überschüssen in der Handelsbilanz zu machen", sagt Dieter Kempf, Präsident des Bundesverbandes der Deutschen Industrie (BDI) in seiner Eröffnungsrede: "Mit Zollbarrieren, mit nicht-tarifären Handelshemmnissen, mit Abschottung wäre dies nicht gelungen." Moderne Wirtschafts- und Handelsbeziehungen hätten nichts mit Deals oder Nullsummenspielen zu tun, sondern könnten sehr wohl die Wohlfahrt aller Beteiligten erhöhen, so Kempf. 2017 soll wieder ein Wachstumsjahr für den Maschinenbau werden. Jedenfalls geht Carl Martin Welcker, Präsident des Maschinenbau-Verbandes VDMA, davon aus. Doch in seinen Worten schwingt wie bei vielen Unternehmern, Lobbyisten, Politikern und Konjunkturexperten ein großes "Aber" mit. Und es wächst. "Bei einem Exportanteil von 77 Prozent der Produktion spüren wir natürlich die Verunsicherung, die von zahlreichen geopolitischen Unsicherheiten ausgeht", erläuterte Welcker: "Das könnte den Auftrieb wieder dämpfen."

Trotz allem rechnen die Firmen auch in diesem Jahr mit höheren Erlösen

Die Sorge Welckers, selbst Unternehmer, teilen viele seiner Branchenkollegen. Das ergibt das jüngste Mittelstandsbarometer des Beratungsunternehmens Ernst & Young. 62 Prozent der Hersteller von Maschinen und Anlagen fürchten eine schwache Konjunkturentwicklung im Ausland. Sie halten eine solche Schwäche für ihr größtes Risiko. Auf Platz zwei der größten Gefahren folgt mit 50 Prozent der Fachkräftemangel vor der Angst vor geopolitischen Spannungen und Kriegen. Die wichtigsten Auslandsmärkte wachsen nicht mehr oder haben mit politischen Untersicherheiten zu kämpfen, heißt es in der Studie, für die Ernst & Young 3000 Mittelständler befragt haben, davon 450 aus dem Maschinenbau. Die Sorgen um das Auslandsgeschäft trüben die Stimmung, sie ist im Maschinenbau schlechter als in anderen Teilen der Wirtschaft, etwa in Elektrotechnik, Bau, Transport oder Handel. Danach sind 54 Prozent der Maschinenbauer mit der aktuellen Geschäftslage zufrieden, im gesamten Mittelstand sind es 59 Prozent der Firmen. Auch die Stimmung mit Blick auf die nächsten sechs Monate ist im Maschinenbau etwas schlechter als in vielen anderen Branchen.

Trotz der Sorge um den Export erwarten die Firmen 2017 im Schnitt ein Umsatzwachstum von 1,8 Prozent. Für den deutschen Maschinenbau heißt es "auf Sicht fahren", sagt EY-Partner Stefan Bley. Ausgerechnet in den vier wichtigsten Exportmärkten gibt es Probleme. Die US-Regierung hat Zölle auf Produkte aus Deutschland ins Spiel gebracht. Die Wachstumsraten in China sind längst nicht mehr so groß wie noch vor Jahren, wenngleich das absolute Niveau immer noch sehr hoch ist, so Bley. Frankreich wählt, und Großbritannien bereite den Ausstieg aus der EU vor.

In dieser Situation komme auf die Maschinenbauer eine der größten Umwälzungen der jüngeren Vergangenheit zu: Die Unternehmen müssen sich auf die Digitalisierung der Wirtschaft und Gesellschaft einstellen. Wie wichtig digitale Technologien für ihr Geschäft sind, haben viele Firmen im Maschinenbau erkannt. 59 Prozent messen ihnen eine mittelgroße bis sehr große Bedeutung bei. Und sie wird mittelfristig noch zunehmen, das erwarten 86 Prozent der Maschinenbauer. Dazu passt, dass drei von vier die Digitalisierung als Chance sehen. Als Bedrohung empfinden sie nur sieben Prozent der Unternehmen.

Maschinen "Made in Germany" genießen Bley zufolge einen guten Ruf. Sie seien eindeutig im Premiumbereich anzusiedeln und teuer im Vergleich zur Konkurrenz, beispielsweise aus China. Der hohe Preis lasse sich künftig nur dann weiter am Markt durchsetzen, wenn die Unternehmen innovativ seien und technologisch vorangingen. Umso gefährlicher sei es, wenn manche Maschinenbauer nötige Investitionen in die Digitalisierung verpassten, "weil ihnen das Geld oder das Personal fehlt".

© SZ vom 24.04.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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