Markt:Wie lange geht das noch gut?

München: Reportage GÄRTNERPLATZVIERTEL

Ansicht der Baaderstraße im Münchner Gärtnerplatzviertel. Gerade in Großstädten wie München warnen Experten vor einer Überhitzungsgefahr.

(Foto: Johannes Simon)

Das Interesse der Menschen am Eigenheim ist ungebrochen - und das, obwohl die Immobilienpreise steigen und steigen. Experten sind besorgt über diese Entwicklung. Denn das Ende der günstigen Zinsen ist absehbar.

Von Markus Zydra

Der Boom am deutschen Immobilienmarkt geht nun ins siebte Jahr. Das Interesse der Menschen am Eigenheim ist riesengroß, Makler können sich kaum retten vor Anfragen, und das obwohl die Preise in den vergangenen Jahren um bis zu 50 Prozent gestiegen sind. Mancher Experte spricht schon von einer gefährlichen Preisblase am Immobilienmarkt. Die Finanzmarktaufseher bei der Bundesbank möchten in ihrer Lagebeschreibung noch nicht so weit gehen. Doch tief im Innern quält sie die bange Frage: Wie lange geht das mit der Nachfrage noch so weiter?

Wie lange geht das noch gut?

Die Nullzinspolitik der Europäischen Zentralbank (EZB) hat den Hauskauf so günstig wie nie gemacht. Viele Menschen können sich nun ein Eigenheim auf Pump leisten. Gleichzeitig lösen viele Bürger ihre Ersparnisse auf, um ein Haus zu kaufen. Das gilt als sichere und beständige Geldanlage, während Sparbücher und Anleihen fast nichts mehr abwerfen.

Doch nun ist ein Ende der Niedrigzinsphase abzusehen. Der Termin steht noch nicht fest, aber aufgrund der guten wirtschaftlichen Daten im Euro-Raum kann die EZB mit der Zinswende nicht mehr allzu lange warten. Womöglich erhöht die Notenbank noch in diesem Jahr den Einlagenzins für Banken, der derzeit bei minus 0,4 Prozent liegt. Das wäre der erste Schritt: Immobilienkredite könnten dann im Vergleich zur letzten Zeit deutlich teurer werden.

Wenn die Zinsen steigen, sinkt tendenziell der Wert der Immobilien

"Man wähnt sich in falscher Gewissheit", hat die Vizepräsidentin der Bundesbank, Claudia Buch, vor einigen Monaten gesagt. "Es besteht die Gefahr, dass Marktteilnehmer Risiken unterschätzen und nicht berücksichtigen, dass Vermögenspreise fallen und die Zinsen steigen können." Wenn die Zinsen steigen, sinkt tendenziell der Wert der Immobilien, weil höhere Kreditkosten die Nachfrage dämpfen. Durch sinkende Häuserpreise sind die Immobilienkredite plötzlich weniger abgesichert, Banken müssten womöglich mehr Kapital als Verlustpuffer zurücklegen, was wiederum die Kreditkosten erhöhen könnte.

Eine Zinswende könnte auch die Gesamtwirtschaft schwächen und zu höherer Arbeitslosigkeit führen. Das wiederum führt zu Kreditausfällen bei den Banken, weil manche Hausbesitzer ihr Darlehen nicht mehr bedienen können. Es kommt zu Notverkäufen, was die Häuserpreise weiter drücken könnte.

Doch all das ist bislang nur eine schlimme Vorahnung. Im vergangenen Jahr sind die Preise für Wohnimmobilien wieder stark gestiegen. Nach Angaben des Verbandes deutscher Pfandbriefbanken erhöhten sich die Preise für selbst genutztes Wohneigentum insgesamt in Deutschland im vergangenen Jahr um sechs Prozent. "Die Preisübertreibungen in den Städten betrugen gemäß aktuellen Schätzergebnissen im vergangenen Jahr zwischen 15 Prozent und 30 Prozent", schrieb die Bundesbank in ihrem Monatsbericht vom Februar. Die Preisabweichungen hätten vor allem bei Eigentumswohnungen in den Großstädten zugenommen. Dort seien die Preise für Wohneigentum um acht Prozent geklettert, während sie sich zwischen den Jahren 2010 und 2015 um durchschnittlich sechsdreiviertel Prozent erhöht hätten, so der Immobilienspezialist Bulwiengesa. Die Nachfrage übersteigt das Angebot. Angaben des Bundesamtes für Bau-, Stadt- und Raumforschung zufolge standen in einigen Großstädten im Jahr 2015 nicht mehr als ein Prozent der Wohnungen leer.

"Während die Preise von Wohnimmobilien in den letzten drei Jahren schneller stiegen als das durchschnittliche verfügbare Haushaltseinkommen, entlasteten die nach wie vor außerordentlich günstigen Finanzierungskonditionen die Haushalte beim Erwerb von Wohneigentum", so die Bundesbank. "Die bereits zuvor historisch niedrige durchschnittliche Rate für Hypothekendarlehen ermäßigte sich im Jahr 2016 weiter auf 1,6 Prozent."

Das Angebot für Wohnraum ist 2016 weiter gestiegen. Es seien, so die Bundesbank, wohl mehr Wohnungen fertiggestellt worden als im Jahr zuvor. Damals betrug der Zuwachs knapp 250 000 Wohnungen. "Die Anzahl geplanter Wohnungsbauvorhaben übertraf mit annähernd 380 000 Einheiten um fast ein Viertel die Genehmigungen im Vorjahr", so die Bundesbank. Die geplante Bautätigkeit spiegele auch Wohnungsbedarf aufgrund der Flüchtlingsmigration wider: In der Kategorie der Wohnheime, die auch die Unterkünfte für Flüchtlinge umfasse, seien allein im ersten Quartal des abgelaufenen Jahres weit mehr als doppelt so viele Bauanträge gestellt worden wie 2015.

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