Marketing von Red Bull:Die Extremsportler unter den Marketing-Strategen

Red Bull ist ein sonderbares Unternehmen. Es produziert im Grunde nichts. Außer Bilder und Worte. Und hat doch Milliarden, um gewaltige Summen in den Sport zu stecken. Wie funktioniert das? Die Brausefirma im Überblick.

Hans von der Hagen

Der Extremsportler Felix Baumgartner springt aus 39 Kilometern Höhe. Während des Flugs hatte er nichts zu trinken dabei. Ihn mit einer Red-Bull-Dose in der Hand springen zu lassen, hat sein Sponsor dann doch nicht verlangt. Red Bull ist bekannt als Geldgeber für viele Sportevents - was ist das für ein Unternehmen?

Der Anfang

Hätte Red-Bull-Chef Dietrich Mateschitz 1982 nicht eines Abends in der Bar des Hongkonger Mandarin-Hotels in einer Newsweek die Liste der größten Steuerzahler Japans entdeckt - es wäre alles anders gekommen. Er entdeckte, so weiß es jedenfalls das Manager-Magazin, dass ganz oben "kein Honda, kein Toyota, sondern ein Herr Taisho" stand. Der produzierte ein Aufputsch-Getränk mit Namen Lipovitan.

Mateschitz, damals noch bei dem Zahnpasta-Hersteller Blendax als Marketing-Manager beschäftigt, wusste, was zu tun war: Blendax hatte eine Partnerfirma in Thailand, den Pharmakonzern TC Pharmaceuticals. Der produzierte ebenfalls eine Art Energie-Drink unter dem Namen Krathing Daeng. Auf Englisch: Red Bull. Mateschitz kannte es, weil er auf dem Weg vom Flughafen angeblich stets sein Taxi anzuhalten pflegte, um das Getränk zu kaufen. "Ein Glas, und der Jet-Lag war vorbei", zitierte ihn der Economist einst.

Der Erfinder

Red Bull hat also mit dem gleichnamigen österreichischen Unternehmen zunächst mal wenig zu tun, dafür viel mit Chaleo Yoovidhya, der das Getränk in den siebziger Jahren erfand. Erstaunlicherweise drängte er sich aber nie in den Vordergrund, obschon seine Familie mit 51 Prozent die Mehrheit am Unternehmen hält. Red Bull - das war für viele immer Mateschitz, aber nicht Chaleo Yoovidhya. Gedacht war die Brause ursprünglich übrigens vor allem für Arbeitende, nicht für Feiernde.

Chaleo Yoovidhya verkaufte seine Variante zunächst ohne Kohlensäure in kleinen braunen Glasflaschen. Im Frühjahr 2012 starb er im Alter von 89 Jahren. Er soll nach Angaben des Magazins Forbes der zweitreichste Mann Thailands gewesen sein. Mateschitz gilt mit einem Vermögen von 4,1 Milliarden Euro laut Forbes als reichster Mann Österreichs.

Das Marketing-Genie

Unabhängig davon, ob sich nun die ganzen Geschichten rund um die Entdeckung von Red Bull tatsächlich so zugetragen haben oder nicht - in der Vermarktung von Red Bull zeigt Mateschitz außerordentliches Geschick. Er war zur richtigen Zeit am richtigen Ort, zog die richtigen Schlüsse und kannte die richtigen Leute. Auch für die Vermarktung des Produkts gibt es wieder so eine schöne Begebenheit, von der man nicht so ganz genau weiß, ob sie wahr ist oder nicht. Interviewanfragen dazu laufen in der Regel ins Leere, Mateschitz redet nicht gerne mit der Presse.

Jedenfalls soll Mateschitz der Ansicht gewesen sein, dass ein so unklassisches Produkt wie Red Bull auch ungewöhnlich beworben werden müsse, wusste der Spiegel. Just als 1987 in Österreich die ersten Dosen ausgeliefert worden seien, habe das österreichische Fernsehen ein Porträt des damaligen Ferrari-Piloten Gerhard Berger gebracht, ein Freund von Mateschitz. Der sei am Strand von Brasilien entlang gejoggt und habe dabei Red Bull getrunken. Daraufhin seien die Verkäufe in Österreich stark angezogen.

Mateschitz, der von sich sagt, er habe das "Wruum-wruum-Syndrom" (Rheinische Post), ist dieser Strategie treu geblieben: Red Bull steht für Sport und Extreme, wobei der Motorsport als die große Liebe von Mateschitz gilt. 2004 kaufte er sich einen eigenen Formel-1-Rennstall - Ford wollte seinerzeit sein Jaguar-Team loswerden. An einem weiteren ist er ebenfalls beteiligt. Der Erfolg: Derzeit führt Doppelweltmeister und Red-Bull-Pilot Sebastian Vettel erneut die Weltmeisterschaft an. Überdies engagiert sich das Unternehmen in Funsportarten wie Basejumping, aber auch in Fußball und Eishockey werden Millionen investiert. 2011 soll der Marketingetat für den Sport bei 1,4 Milliarden Euro gelegen haben, allein die Formel 1 soll davon knapp 200 Millionen Euro verschlungen haben.

Gemessen daran ist der jüngste Sprung von Felix Baumgartner vergleichsweise günstig gewesen. Offizielle Zahlen gibt es zwar nicht, doch die Kosten werden auf rund 50 Millionen Euro geschätzt. Der Lohn: die Werbewirkung. Sie soll bei mehreren hundert Millionen Euro liegen. Ein Marketingexperte nannte Baumgartner eine "fliegende Red-Bull-Dose". All jene, die den Sprung live im Fernsehen verfolgten oder Baumgartner nun auf einem der unzähligen Fotos in den Medien entdecken, sehen Red Bull. Aber auch die Formel 1 oder die Red Bull Air Races, mit denen Länder wie Ungarn am Nationalfeiertag ihr Bürger bespaßen, verschafft sich Red Bull eine Präsenz, die sich am Ende für das Unternehmen auszahlt.

Die Marke

Die Allgegenwärtigkeit von Red Bull verschafft der Brause einen enormen Bekanntheitsgrad, hinter den die Konkurrenzprodukte weit zurückfallen - aber auch die übrigen österreichischen Unternehmen. Laut einer Studie des European Brand Institute ist Red Bull die bekannteste österreichische Marke, weit vor dem Schmuckunternehmen Swarovski. Der Markenwert von Red Bull liegt mittlerweile bei knapp 14 Milliarden Euro - Swarovski kommt gerade auf 3,7 Milliarden Euro.

Im internationalen Vergleich ist das allerdings nicht ganz so viel. In einem der bekanntesten Markenrankings der Gesellschaft Interbrand taucht Red Bull unter den ersten 100 nicht auf. Eine Studie von Eurobrand führt Red Bull hingegen auf Platz 61 der wertvollsten Marken der Welt. Zum Vergleich: In dem Eurobrand-Ranking hat Apple einen Markenwert von 100 Milliarden Dollar und das zweitplatzierte Unternehmen Coca-Cola einen von knapp 60 Milliarden Dollar.

Red Bulls Trick: keine Produktion, dafür Werbung

Die Flügel Es soll anderthalb Jahre gedauert haben, bis Mateschitz den passenden Spruch für sein Produkt hatte. Zahllose Ideen habe der frühere Inhaber einer kleinen Frankfurter Werbeagentur, Johannes Kastner, Mateschitz präsentiert, doch der Red-Bull-Eigner habe sie alle abgelehnt. "Bis eines Nachts Kastner bei Mateschitz anrief und ihm ins Ohr nuschelte: 'Red Bull verleiht Flüüügel...'", schreibt das Manager-Magazin. 1987 habe die Kampagne dann gestartet.

Die Exklusivität

Red Bull ist teuer und gab sich von Anfang an extravagant. Während in den achtziger Jahren Getränke wie Cola in einer 330-Milliliter-Dose verkauft wurden, setzte Mateschitz auf die bis dahin nicht erhältliche 250-Milliliter-Dose. Das Getränk kostete vier- bis sechsmal so viel wie eine Cola, obwohl es in der Herstellung nach Angaben des Manager-Magazins weniger als 20 Cent kostet.

Die Brause

Kein Ökonom würde so etwas durchgehen lassen: Ein Unternehmen, dessen Umsatz im Grunde nur auf einem einzigen Produkt beruht? Viel zu riskant. Was ist, wenn dieses Produkt einmal ausfällt, die Konkurrenz zu stark wird oder das Interesse daran verflacht? Doch das Unternehmen Red Bull macht es so. Den größten Teil seines Umsatzes erlöst Red Bull mit seinem gleichnamigen Energiegetränk. Es gibt da zwar noch weitere Produkte, etwa Red Bull Cola oder die zum Unternehmenskonglomerat gehörenden Wellnessgetränke der Marke Carpe Diem, doch die spielen nur eine untergeordnete Rolle.

Der Siegeszug von Red Bull ist umso erstaunlicher, wenn man bedenkt, wie die ersten Urteile ausfielen. Immerhin hatten Forscher bei einer ersten Begutachtung der Flüssigkeit der Seite Marke.at zufolge ein vernichtendes Urteil gefällt: "Die durchsichtige Farbe des neuen Getränkes sei 'gänzlich unappetitlich', der klebrige Geschmack im Mund 'abscheulich' und der Aspekt, dass das Getränk Geist und Körper anregen sollte, 'komplett irrelevant'." Noch nie habe ein neues Produkt so überzeugend versagt, hieß es und sie sollen Mateschitz geraten haben: "Geben Sie ihren alten Job nicht auf!"

Doch die Szene liebte das Getränk wegen seiner aufputschenden Wirkung, die wohl vor allem auf den hohen Zucker- und Koffeingehalt zurückzuführen ist. Hilfreich erwiesen sich zudem die Geschichten, die sich im den Inhaltsstoff Taurin rankten. Sie sorgten immerhin vorübergehend zu einem Verbot des Getränks in einigen Ländern, weil unklar war, ob Taurin, das ursprünglich aus der Galle von Ochsen gewonnen wurde, schädlich sein könnte. In Frankreich wurde er zeitweise durch Arginin ersetzt. Die Verbote schreckten freilich nicht ab, sondern erhöhten den Kaufreiz nur noch zusätzlich.

Der Flop

Eigentlich wollte Mateschitz noch mit einem anderen Produkt durchstarten: der Red Bull Cola. Sie sollte einmal ähnliche Umsatzzahlen bringen wie die Energiebrause. Doch daraus ist vorläufig nichts geworden. Aus den USA hat Red Bull seine Cola 2011 zurückgezogen. Die mit Erfolgsmeldungen gestarteten Länder Russland, Belgien und Großbritannien gelten nur noch als eine Art Testgebiet mit "ausgewählten Supermärkten", schrieb das Handelsblatt damals. Im Grund sei die Cola nur noch in den deutschsprachigen Ländern präsent, der Marktanteil habe Anfang 2011 bei 0,2 Prozent unter den Marken-Colas gelegen - "nur halb so viel, wie selbst die abgewirtschaftete Kultmarke Afri schaffte".

Die Zahlen

Zumindest aber mit dem Hauptprodukt verdient Red Bull immer noch glänzend, obschon es 2009 aufgrund sinkender Umsätze die ersten Abgesänge auf das Unternehmen gab: Neuesten Zahlen zufolge erwirtschaftete Red Bull einen Gewinn von 311 Millionen Euro - fast 40 Prozent mehr als im Jahr zuvor. Die Umsätze stiegen gleichzeitig um zwölf Prozent auf 4,25 Milliarden Euro. Und weil das Unternehmen so gut verdient, hat Mateschitz alle Schulden bei Banken getilgt. Das Unternehmen gibt nach Ansicht von Experten mit dem Marketing-Etat von rund 1,4 Milliarden Euro - rund ein Drittel des Umsatzes - mehr für die Vermarktung als für die Herstellung des Produkts aus.

Der Trick

Red Bull produziert übrigens seine Produkte nicht selbst, sondern lässt sie von Dritten herstellen und abfüllen. Überwiegend werden sie vom österreichischen Getränkehersteller Rauch produziert. Red Bull ist im Grunde also nur eine riesige Marketing-Maschine - mit viel Wrum-wrum.

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