Markenstreit zwischen Bild-T-Online und Volkswagen:Dein Volk? - Mein Volk!

Volks-Handy, Volks-Waschmaschine, Volks-Bibel: Die Bild im Internet wirkt eher wie ein Basar, kaum mehr wie eine Online-Zeitung. Wegen dieser Warenflut gibt es Krach mit dem Volkswagen-Konzern - vor allem wegen des Namens der Produkte.

Sebastian Krass

Schon zur Zeit der Weimarer Republik gab es so genannte "Volks"-Produkte. Mit dem Etikett "Volks-" ließ - und läßt sich - sich trefflich werben.

Bibel; AP

Bild-Chef Kai Diekmann übergibt Papst Johannes Paul II. eine "Volksbibel".

(Foto: Foto: AP)

Die Nationalsozialisten entdeckten nach der Machtübernahme 1933 schnell das ideologische Potenzial des Begriffs und ließen ihn schützen. Volksprodukte sollten ein Bindeglied zwischen Konsumwünschen und dem erhofften "völkischen" Bewusstsein der Deutschen schaffen. So entstanden Volksempfänger, Volkskühlschrank - und der Volkswagen.

Adolf Hitler beauftragte schon 1933 Ferdinand Porsche mit der Entwicklung eines billigen Autos für unter 1000 Reichsmark. Doch die Sache zog sich jahrelang hin, und am Ende ging das Auto nicht mal in die Serienproduktion.

Die Herstellungskosten wären zu hoch gewesen. Erst nach dem Krieg schaffte Hitlers Wunschwagen - entnazifiziert als "Käfer" - den Durchbruch und wurde zum meistverkauften Auto der Welt.

Der heutige VW-Konzern aus der im "Dritten Reich" groß gewordenen Autostadt Wolfsburg hat sich allerdings erst Ende des vorigen Jahres den Begriff "Volks" markenrechtlich sehr umfassend schützen lassen - und liegt nun in einem skurrilen Rechtsstreit mit einem Medium aus zwei mächtigen Kommunikationshäusern: Axel Springer und Deutsche Telekom.

Patent zum Populismus

Dem einen gehört die Boulevardzeitung Bild, dem anderen das Internet-Angebot T-Online - und beiden zusammen im Netz Bild-T-Online.de. Und diese Internetplattform bietet seit drei Jahren selbst - ökonomisch höchst erfolgreich - allerlei "Volks"-Produkte an. Da wollte man sich von Volkswagen die Chancen auf künftige Vermarktung nicht einschränken lassen.

Es geht gewissermaßen um ein Patent zum Populismus, und das ist viel Geld wert. Der Markenschutz des VW-Konzerns sei zu umfassend ausgefallen, fand Bild-T-Online und klagte vor der Zivilkammer 15 des Landgerichts Hamburg. Dort wurde Mitte der vorigen Woche ausgiebig argumentiert. Die Vertreter des Medienunternehmens haben präzise Vorstellungen, welche Produkte vom VW-Markenschutz ausgenommen werden sollen.

Bei Gericht reichten die Anwälte eine Liste ein, die 14 "Warenklassen" aufführt. Darunter sind Versicherungen, Kleidung, Möbel, Bettdecken und Kaffee, aber auch Wasch- und Bleichmittel sowie orthopädische Artikel. Was aber kann Bild-T-Online-Chef Walter Gunz mit "Volks"-Stützstrümpfen anfangen?

Dein Volk? - Mein Volk!

Andererseits hat seine Firma seit September 2002 allerlei geboten: Es ging los mit einem "Volks-PC", später kamen zum Beispiel Volks-Spüler, Volks-Burger, Volks-Zahnbürste, Volks-Bett - stets in "Medienpartnerschaft" mit Unternehmen wie Media-Markt, Burger King oder Quelle.

Bildzeile; AP

Nur zu gerne spielt die Bild-Zeitung die nationale Karte: Schlagzeile am 20. April 2005, einen Tag nach der Wahl Benedikts des XVI.

(Foto: Foto: AP)

Volks-Spüler, Volks-Burger, Volks-Zahnbürste, Volks-Bett

Für solche Produkte wird ausgiebig in der Samstags-Ausgabe von Bild geworben. Die "Volksbibel" des Trägermediums Bild-Zeitung jedoch hat mit diesem Warenkorb nichts zu tun. Chefredakteur Kai Diekmann förderte die Heilige Schrift im Pakt mit der Weltbild-Gruppe der katholischen Kirche. Höhepunkt der Mission war ein Besuch im Vatikan beim inzwischen verstorbenen Papst Johannes Paul II.

Diekmanns merkantile Kollegen hatten pikanterweise auch mit dem VW-Konzern gemeinsame Sache gemacht. So wurden der Volks-Seat, der Volks-Bus und der Volks-Caddy zu einem großen Verkaufserfolg für den Wolfsburger Autobauer. Der von VW erst kürzlich gesicherte juristische Schutz gehe "quer durch viele Marken- und Dienstleistungsgruppen", bestätigt Konzernsprecher Hartwig von Saß.

Annette Kur vom Max-Planck-Institut für Geistiges Eigentum in München hat Zweifel, ob wirklich ernsthafte Interessen hinter dem Justizstreit stecken: "Es ist bedenklich, wenn Markennamen nur geschützt werden, um potenzielle Konkurrenten fern zu halten."

Man könne sich nur schwer vorstellen, sagt die Expertin, wann das Unternehmen VW davon Gebrauch machen werde. Im Markenrecht gehe es eigentlich darum, Verbraucher zu schützen - sie sollen keine Sachen kaufen, die sie eigentlich gar nicht wollen, nur weil sie beispielsweise durch einen Produktnamen irregeführt wurden. Davon könne in diesem Prozess aber keine Rede sein.

Verhandlungen wird es in Hamburg nicht mehr geben. Das Urteil wird am 6.April verkündet. Der Komiker Bernhard Hoëcker, der derzeit auf der Homepage von Bild-T-Online.de für ein Volks-Handy wirbt, weiß schon mehr: "Hier klingelt die Musik!", verkündet er frohgemut.

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