Mannesmann:Die Übernahmeschlacht

Monatelang wehrte sich Mannesmann gegen Vodafone - und kümmerte sich schon während der Verhandlungen um die finanzielle Absicherung seiner Führungsetage.

Von Daniela Kuhr

28. Mai 1999: Klaus Esser löst Joachim Funk als Vorstandschef von Mannesmann ab, Funk ist fortan Vorsitzender des Aufsichtsrats.

1. November 1999: Für umgerechnet mehr als 30 Milliarden Euro übernimmt Mannesmann den drittgrößten britischen Mobilfunkbetreiber Orange. Damit will Esser nicht nur die Marktchancen des Düsseldorfer Unternehmens verbessern, sondern auch potenzielle Aufkäufer abschrecken - schon zu diesem Zeitpunkt gibt es Gerüchte über das Interesse des britischen Konkurrenten Vodafone an einer Übernahme.

Die Deutschen zahlen den Topmanagern von Orange Anerkennungsprämien in Millionenhöhe. Nach dem Aktientausch ist der Chinese Li Ka Shing, Inhaber des Mischkonzerns Hutchison Whampoa und bis dato Orange-Großaktionär, der größte Mannesmann-Einzelaktionär.

14. November 1999: Vodafone-Chef Chris Gent schlägt Mannesmann eine Fusion vor. Esser lehnt ab.

16. November 1999: Gent kündigt eine feindliche Übernahme an, falls keine freundliche zu Stande kommen sollte.

19. November 1999: Der Vodafone-Chef veröffentlicht die Bedingungen seines Übernahme-Angebots, das vom 24. Dezember bis 7. Februar 2000 gelten sollte: Gent bietet 53,7 Vodafone-Aktien je Mannesmann-Papier, das sind insgesamt rund 124 Milliarden Euro - das bislang größte Übernahmeangebot der Wirtschaftsgeschichte.

Dezember 1999: Parallel zum Abwehrkampf gegen das Vodafone-Angebot laufen bei Mannesmann Gespräche darüber, wie man die Führungsmannschaft bei einer Übernahme finanziell absichern kann. Dabei geht es auch um die Abfindung von Pensionären.

3. Dezember 1999: Aktionärsvertreter beantragen beim Landgericht Düsseldorf eine einstweilige Verfügung: Der Mannesmann-Vorstand solle keine Maßnahmen ergreifen, die dem Interesse der Aktionäre zuwiderlaufen. Das Landgericht weist den Antrag zurück.

Anfang Januar 2000: Das Mannesmann-Management plant, zumindest den Mitarbeitern des Projekts Friedland einen "Shareholder-Value-Bonus" zu gewähren. Das Projekt Friedland war Ende der 80er Jahre initiiert worden, als die Thyssen AG vergeblich versucht hatte, die Mehrheit an Mannesmann zu erlangen. Seit 1998 entwickelten die Mitarbeiter des Projekts mit externen Beratern Abwehrstrategien für den Fall eines feindlichen Angriffs.

10. Januar 2000: Die Mannesmann-Aktie steigt nach Gerüchten, der französische Mischkonzern Vivendi, mit dem Esser offenbar schon länger verhandelt, werde den Düsseldorfern zu Hilfe kommen. Am selben Tag schlägt Esser dem Aufsichtsratschef Funk vor, einen Fonds in Höhe von fünf bis 10 Millionen Euro zu bilden, um bei erfolgreicher Abwehr der Übernahme die Leistung der Mitarbeiter des Projekts Friedland zu honorieren. Für den Fall dagegen, dass Vodafone erfolgreich sein sollte, sollten nur anteilige Boni ausgezahlt werden.

30. Januar 2000: Am Vormittag sprechen Gent und Esser am Pariser Flughafen erneut über eine freundliche Übernahme - ohne Ergebnis. Am Nachmittag geben stattdessen Vivendi und Vodafone bekannt, dass sie künftig kooperieren.

31. Januar 2000: Esser bestätigt dem Aufsichtsrat, dass die Vereinbarung zwischen Vodafone und Vivendi die Position von Mannesmann geschwächt habe. Als Verbündeter kommt jetzt nur noch der Medienkonzern AOL/Bertelsmann in Betracht, mit dem Esser ebenfalls seit längerem verhandelt.

1. Februar 2000: Gent und Esser treffen sich im Industrieclub in Düsseldorf. Esser fordert für die Mannesmann-Aktionäre einen Anteil von 52 Prozent an einem vereinigten Unternehmen, Gent bleibt bei den bereits Ende Januar angebotenen 49 Prozent.

2. Februar 2000: Die Ereignisse überschlagen sich. Der aus Hongkong angereiste Canning Fok, der die Interessen von Großaktionär Hutchison Whampoa vertritt und im Mannesmann-Aufsichtsrat sitzt, strebt eine friedliche Lösung mit Vodafone an. Bislang hatte er Esser beim Abwehrkampf unterstützt.

Der Grund für den Sinneswandel: Seit Beginn der Übernahmeschlacht hat die Mannesmann-Aktie deutlich zugelegt. Der zehnprozentige Anteil, den Hutchison im Tausch gegen die Orange-Aktien erhalten hat, ist inzwischen um acht Milliarden Euro im Wert gestiegen.

Um diese Gewinne zu realisieren, braucht Hutchison jedoch die Zustimmung von Esser zu der Übernahme. Denn beim Kauf von Orange wurde vereinbart, dass Hutchison die Mannesmann-Papiere mindestens ein Jahr lang halten muss. Nur wenn Mannesmann einer Übernahme zustimmt, darf Hutchison einen Teil der Aktien vorzeitig verkaufen. Die Chinesen fürchten nun, dass ihnen bei langen Verhandlungen und einer feindlichen Übernahme erhebliche Verluste drohen.

In dieser Situation greift Hutchison-Vertreter Fok zu einem bewährten Mittel: Nach Rücksprache mit seinem Chef Li Ka Shing schlägt er vor, dass Esser eine Prämie von zehn Millionen britischen Pfund (umgerechnet rund 15 Millionen Euro) als Anerkennung erhält. Weitere zehn Millionen Pfund sollen an Essers Team gehen. Noch am selben Abend einigt sich Esser mit Gent mündlich über die Bedingungen für eine freundliche Übernahme. Die Gespräche mit AOL/Bertelsmann bricht Esser ab.

3. Februar 2000: Den ganzen Tag über verhandeln die Beraterteams von Vodafone und Mannesmann über die Details der Einigung. Die Sonderzahlungen an die Führungsmannschaft von Mannesmann sind dabei nicht das Problem. Denn Gent hat klar gemacht: Vodafone werde nichts zahlen; wenn Prämien oder Boni fließen sollten, sei das Sache von Mannesmann. Sie müssen also vor der Übernahme beschlossen werden; als Zeitpunkt der Übernahme verstehen die Beteiligten die Zustimmung des Mannesmann-Aufsichtsrats zur Einigung mit Vodafone.

4. Februar 2000: Eile ist geboten. Der Aufsichtsrat tagt um 12.30 Uhr. In einem Nebenzimmer entscheidet der Ausschuss für Vorstandsangelegenheiten über die Prämien. Diesem Ausschuss gehören neben Funk auch der heutige Deutsche-Bank-Chef Josef Ackermann, der frühere IG-Metall-Chef Klaus Zwickel und Jürgen Ladberg, Konzernbetriebsratschef von Mannesmann, an. Ladberg fehlt wegen Krankheit, Zwickel ist über Telefon zugeschaltet.

Innerhalb weniger Minuten verteilen Ackermann und Funk "Anerkennungsprämien" in Höhe von rund 30 Millionen Euro. Zwickel erhebt keinen Einspruch. Rund 4,6 Millionen Euro sind für Funk vorgesehen, knapp zehn Millionen Euro für Mitarbeiter des Abwehrteams. Esser selbst bekommt gut 16 Millionen Euro - zusammen mit seiner Abfindung versüßen ihm also mehr als 30 Millionen Euro die Niederlage.

Bei der Sitzung des Aufsichtsrats sind die Millionenprämien kein Thema. Das Gremium stimmt der Vereinbarung mit Vodafone zu: Der britische Konzern übernimmt Mannesmann für rund 180 Milliarden Euro. Die Mannesmann-Aktionäre werden mit 49,5 Prozent am neuen Unternehmen beteiligt. Die zweimonatige Abwehrschlacht hat den Traditionskonzern mindestens 200 Millionen Euro gekostet.

11. Februar 2000: Die Öffentlichkeit erfährt vom Geldsegen für Esser. "60 Millionen DM und tschüss", titelt Bild.

24. Februar 2000: Eine Stuttgarter Anwaltskanzlei erstattet Strafanzeige wegen des Verdachts auf Untreue.

27. März 2000: Der Aufsichtsratsausschuss für Vorstandsangelegenheiten beschließt: Die pensionierten Vorstandsmitglieder und deren Angehörige erhalten Zahlungen in Höhe von rund 32 Millionen Euro.

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