Manipulierte Abgaswerte?:Viele Fragen offen

Manipulierte Abgaswerte?: Alles sauber? Auch bei Fahrzeugen von BMW wurden überhöhte Abgaswerte festgestellt.

Alles sauber? Auch bei Fahrzeugen von BMW wurden überhöhte Abgaswerte festgestellt.

(Foto: Alessandra Schellnegger)

Auch die Grünen werfen nun BMW Diesel-Betrug vor. Der Münchner Autohersteller weist dies entschieden zurück.

Von Joachim Becker und Max Hägler, Berlin/München

Das Misstrauen gegen BMW hält sich hartnäckig. Irgendwas stimmt doch nicht bei dem Autohersteller und dessen Dieselautos, so das Gerede dieser Tage, auch in der Bundespolitik. Die Indizien und Aussagen scheinen ja recht eindeutig, heißt es. Am Freitag erst mussten die Münchner eingestehen, dass bei einigen tausend hochmotorisierten 5er- und 7er-Limousinen eine falsche Abgassoftware aufgespielt wurde und die Autos viel mehr Stickoxid ausstoßen als gedacht. Da sei ein "Irrtum" passiert, heißt es beim Hersteller. Das klingt in der Tat merkwürdig. Bei Spiegel Online steht dazu die Schlagzeile: "Bundesregierung geht bei BMW von systematischer Manipulation aus".

Vielleicht ist es banaler: vielleicht geht es nicht um Betrug, sondern um Pfusch und Billigteile in der Abgasreinigung, vermuten Branchenkenner. Das mit der falschen Software für den 5er und den 7er-BMW ist so ein Fehler, über den die Kollegen anderer Hersteller auf einem gerade laufenden Kongress des Branchenverbandes VDA in Berlin nur den Kopf schütteln. Nach derzeitigem Wissensstand scheint das jedoch nichts mit bewusstem Manipulieren zu tun zu haben, sondern mit Versagen der Qualitätssicherung: BMW dürfte an keiner Stelle davon profitiert haben, dass diese 11 700 Wagen eine falsche Software erhalten haben, die dadurch mehr Stickoxide ausstießen als gedacht. Grünen-Politiker Oliver Krischer entgegnet indes, BMW erhalte den Preis für die beste Ausrede, dass sie angeblich die illegalen Abschalteinrichtungen "irrtümlich" aufgespielt haben." Bei BMW sagen sie: Das ist peinlich.

BMW versichert: "Wir setzten und setzen keine illegalen Abschalteinrichtungen ein."

Doch Krischer, Verkehrsexperte der Grünen im Bundestag, sieht da nicht nur ein peinliches Versehen: "Es kann niemanden verwundern, dass jetzt auch BMW im Fokus steht. Es gibt keine weißen Schafe in der Branche." Alle Hersteller würden "immer noch illegale Abschalteinrichtungen bei ihren Neuwagen" einsetzen. Und BMW sei da noch mal ein Sonderfall, habe einen landsmannschaftlichen Vorteil: Das von der bayerischen CSU geführte Bundesverkehrsministerium halte über die Bayerischen Motoren-Werke "seine schützende Hand".

Tatsächlich gab es immer wieder hohe Abgaswerte bei BMW-Autos. Das Kraftfahrtbundesamt hatte etwa einmal einen sehr dreckigen 1er identifiziert. Und das Diesel-Flagschiff 750d - fünf Meter Länge und 380 PS - wurde in den Jahren 2014 und 2015 auch mit einem einfachen Speicherkatalysator ausgeliefert. Das Testergebnis der Deutschen Umwelthilfe (DUH): Ein durchschnittlicher Sickoxidwert von 646 mg/km, weit über den Grenzwerten. Auch beim BMW 320d wurde DUH-Forschungschef Axel Friedrich im vergangenen Jahr fündig: Wenn dieser Wagen nur zehn Prozent mehr leisten müsse als beim behördlichen Prüfzyklus vorgesehen, stoße er deutlich mehr Stickoxide aus. Friedrich ist vom Fach, war früher Abteilungsleiter im Umweltbundesamt. Seine Untersuchungen haben ergeben, dass der Diesel des 320d die Abgasrückführung ab einer Drehzahl von 3500 Umdrehungen pro Minute komplett abschaltet. Dann gehen die Stickoxidemissionen durch die Decke. Denn der relativ billige Speicherkatalysator ist mit der Abgasmenge schlicht überfordert. Wirksamer wäre eine teurere Anlage, eine die per Harnstoff filtert. Beim Technologiekongress des VDA steht Friedrich inmitten der Branchenexperten und pocht auf die Richtigkeit seiner Messergebnisse: Gravierende Grenzwertüberschreitungen, verbotene Abschalteinrichtung! Aber diese günstige Version ist zulässig, das bescheinigt das Kraftfahrtbundesamt. Wobei sich weder das KBA noch das Bundesverkehrsministerium zu der ganzen Angelegenheit BMW äußern. Im Feuer stehen nun ausgerechnet diejenigen, die immer betont haben, dass sie eine weiße Weste hätten. Ein ums andere Mal haben die BMW-Vorstände um Harald Krüger wiederholt, dass der Konzern nichts Illegales getan habe. Mit Wucht haben sie sich abgegrenzt von Volkswagen, die des Dieselbetrugs überführt wurden, aber auch vom Stuttgarter Wettbewerber Daimler, an dem die Staatsanwaltschaft derart zweifelt, dass sie wegen Betrugsverdacht ermittelt. Und sie bleiben dabei: "Wir setzten und setzen keine illegalen Abschalteinrichtungen ein, um das Emissionsverhalten gezielt zu manipulieren", heißt es bei BMW. Wobei es "natürlich" zulässige Abschalteinrichtungen gebe, "denn auch bei BMW gelten Naturgesetze". Das führe dazu, "dass unsere Motoren bei 95 Prozent der Fahrzustände die Abgasrückrührung laufen lassen, beim sehr starken Beschleunigen aber etwa nicht mehr". Diese Abschaltung als illegal zu deklarieren, das sei jedoch eindeutig "eine Kampagne", sagen sie bei BMW. Es gehe offensichtlich darum, "den Endgegner in Sachen Diesel um jeden Preis zur Strecke bringen". Andererseits kann man das Insistieren auch als Versuch werten, endlich einmal Klarheit in diesen Graubereich der Dieselreinigung zu bringen: Welche Abschalteinrichtungen habe das KBA dem Hersteller BMW bei der Typenzulassung für den 320d genehmigt? Diese und andere tatsächlich offene Fragen haben die Grünen gerade der Bundesregierung gestellt.

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