Management:Neue Kraft voraus

Für einen Strategiewechsel brauchen Unternehmen Manager von außen. Ihnen fällt der Umbau meist leichter. Doch beliebt sind die Seiteneinsteiger nicht.

Von Karl-Heinz Büschemann

Sobald es in einem Unternehmen schlecht läuft und der Chef zur Eile mahnt, wird es schnell zäh. Die quälende Langsamkeit im Notfall hat lässt sich derzeit bei Volkswagen und bei der Deutschen Bank beobachten. Beide international agierenden Konzerne haben sich einen Kulturwandel verordnet. Beide wollen ihre Vergangenheit abschütteln, eine Krise beenden und den richtigen Kurs für die Zukunft finden. Die Bank sucht bereits seit drei Jahren nach dem neuen Kurs. VW steht noch ganz am Anfang und zeigt kaum Eile mit dem Neubeginn.

Kultur- oder Strategiewechsel sind in der Theorie leicht zu planen, in der Praxis aber meist schwer umzusetzen. Und sie funktionieren in der Regel nur mit Managern, die nicht im Unternehmen aufgestiegen sind.

Die Deutsche Bank hat drei Jahre gebraucht, bis sie begriff, dass es ein Fehler war, die Vorstandsmitglieder Jürgen Fitschen und Anshu Jain 2012 zu Chefs zu machen. Beide waren schon lange in der Bank, als sie die Nachfolge des umstrittenen Josef Ackermann antraten, und beide haben es nicht geschafft, das größte deutsche Geldhaus aus den Schlagzeilen zu holen.

Das Aufräumen könne mit dem alten Personal nicht gelingen, sagt ein Experte

Erst nach langem Ringen machte der Aufsichtsrat den Schnitt - übrigens unter der Führung von Paul Achleitner, der selbst erst im Mai 2012 aus dem Vorstand der Allianz an Spitze der Aufsichtsgremiums gewechselt war. Präsentiert wurde im Frühsommer ein Seiteneinsteiger, um die unselige Affären-Vergangenheit zu beenden: Am 1. Juli 2015 trat der Brite John Cryan an die Spitze des Geldhauses, zunächst noch als Co-Chef mit Jürgen Fitschen, vom kommenden Jahr an soll er die Bank dann allein führen. Cryan hatte zuvor für die Schweizer Bank UBS gearbeitet. Vor wenigen Tagen stellte er eine neue Organisation für Deutschlands größte Bank vor - mit einer nahezu komplett veränderten Führungsmannschaft.

Management: Illustration: Stefan Dimitrov

Illustration: Stefan Dimitrov

In Wolfsburg glaubt man dennoch, den Kurswechsel aus eigener Kraft schaffen zu können. Bei VW war Ende September Vorstandschef Martin Winterkorn wegen der Abgasaffäre zum Rücktritt gedrängt worden. Der neue Vorstandsvorsitzende Matthias Müller, der im Konzern Karriere gemacht hat und seit 30 Jahren dabei ist, zuletzt als Chef des Sportwagenbauers Porsche, traut sich die Wende zu. "Wir werden diese Krise bewältigen", sagt er. VW habe "die beste Auto-Mannschaft, die man sich wünschen kann".

Das aber sei kaum möglich, sagen Management-Experten. "Das Aufräumen kann mit den alten Kräften nicht stattfinden, weil sie Teil des Problems sind", urteilt Hermann Sendele von der Personalberatung Board Consultants. "VW wird zum Neubeginn ohne neue Kräfte von außen nicht fähig sein". Nur auf Manager mit dem gewohnten Stallgeruch zu setzen, führe "zum Weiter-so". Zu einem ähnlichen Urteil kommt Personalberater Michael Oberwegner von Heidrick & Struggles. In den USA, sagt der Headhunter, gebe es in großen Krisenfällen "eine Art Reflex". Dort werde sofort das Management ausgetauscht, um dann "jemanden von draußen zu holen".

In Deutschland ist das oft anders. Die großen Energiekonzerne Eon und RWE, die sich durch kapitale Management-Fehler und mangelnde Voraussicht von der politischen Energiewende der Bundesregierung haben überraschen lassen, kämpfen seit der Atomkatastrophe von Fukushima im März 2011 und dem deutschen Atom-Ende ums Überleben. Einen überzeugenden Ausweg haben die Chefs bisher nicht gefunden. Trotzdem wollen sie die Lösung unbedingt selbst herbeiführen.

Firmen tun sich schwer damit, Top-Leute mit einem anderen Hintergrund zu akzeptieren

Ähnlich Thyssen-Krupp: Der Essener Stahlhersteller und Maschinenbauer hatte sich in eine extreme Schieflage manövriert und stand vor dem Ende. Der Aufsichtsrat brauchte Jahre, bis er den neuen Vorstandsvorsitzenden Heinrich Hiesinger installierte, der von Siemens kam und die Wende brachte. Auch Siemens brauchte nach dem Auffliegen der Korruptionsaffäre im Jahr 2006 rund sechs quälende Monate, bis der Aufsichtsratsvorsitzende Heinrich von Pierer die Konsequenzen zog und ausschied - und damit den Weg für einen Umbau der Führungsmannschaft freimachte. BMW benötigte sechs Jahre, um den Fehler zu korrigieren, den der Vorstand mit dem Kauf des britischen Konkurrenten Rover gemacht hatte. Erst dann wurde Vorstandschef Bernd Pischetsrieder entlassen und durch Joachim Milberg ersetzt.

Ironischerweise ist der bei BMW geschasste Pischetsrieder aber später ein Beleg dafür geworden, wie schwer es ist, als Seiteneinsteiger Fuß zu fassen und etwas verändern zu können. Nach dessen Ende bei BMW hatte VW-Patriarch Ferdinand Piëch den Ex-BMWler nach Wolfsburg geholt: als seinen Nachfolger. Das Experiment ging schief. Nach vier Jahren an der Konzernspitze musste der Bayer wieder gehen. Später scheiterte bei VW auch der in Stuttgart zeitweilig in Ungnade gefallene Daimler-Manager Wolfgang Bernhard. Auch er wurde in Wolfsburg nicht heimisch. Nach gut zwei Jahren sah er für sich dort jedenfalls keine Zukunft mehr. Heute ist er wieder bei seinem alten Arbeitgeber Daimler.

Neuanfänge brauchen Manager mit unverstelltem Blick. Doch der ist nicht immer gewünscht. Querdenker gelten als störend. Personalberater Michael Oberwegner weiß aus seiner Erfahrung bei der Suche nach Führungskräften: "Unternehmen tun sich schwer damit, Manager von außen zu akzeptieren." Man will eben unter sich bleiben.

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