MAN in Russland:Wie einst beim Lopez

Der Lastwagenhersteller MAN will Lkw in Russland herstellen. Vorbild ist die hocheffiziente brasilianische Tochter - das Werk des "Würgers" Lopez.

Michael Kuntz

Der MAN-Konzern will Lastwagen in Russland herstellen. Das sagte Vorstandsvorsitzender Hakan Samuelsson der Süddeutschen Zeitung am Rande der Messe für Nutzfahrzeuge in Sao Paulo. Verhandlungen mit mehreren möglichen Partnern befinden sich bereits in einem fortgeschrittenen Stadium. Wenn alles klappt, könnten die ersten MAN-Lkw von russischen Montagebändern in zwei Jahren rollen.

MAN in Russland: In zwei Jahren könnte MAN seine LKW direkt in Russland bauen

In zwei Jahren könnte MAN seine LKW direkt in Russland bauen

(Foto: Foto: AP)

Geplant ist zunächst eine sogenannte CKD-Fertigung ("Completely Knocked Down"). Dabei werden Teilesätze verschickt und in Russland zusammengebaut. Das wird aber nach SZ-Informationen nur der Einstieg sein in den russischen Markt, der heute von einem vor wenigen Jahren eröffneten Werk in Polen aus beliefert wird.

Werk in Brasilien als Vorbild

Wenn die Nachfrage nach hochwertigen Nutzfahrzeugen sich in Russland nach der Krise wieder so positiv entwickelt, wie es in der Autoindustrie erwartet wird, dann wird MAN dort eine Fabrik bauen.

Vorbild für ein Werk in Russland könnte das Unternehmen im brasilianischen Resende sein, das MAN im Frühjahr von seinem Großaktionär Volkswagen erworben hat. Obwohl es bereits Mitte der 90er Jahre errichtet wurde, gilt es auch heute noch als eine der fortschrittlichsten und profitabelsten Fahrzeugfabriken weltweit. Der Grund dafür ist ein Modularkonzept.

Die Zulieferer, unter anderem auch der Reifenhersteller Continental, übernehmen anders als in den meisten anderen Autowerken die Montage am Fließband selbst. Der Hersteller organisiert nur noch die Abläufe, entwickelt die Lkw-Modelle, überwacht ihre Qualität und verkauft sie. Früher bei VW und nun bei MAN arbeiten weniger als 600 der insgesamt 4500 Mitarbeiter der Fabrik.

Das System sei nicht schlecht, erklärte ein Sprecher der beteiligten Firmen unter Hinweis darauf, daß sich in anderthalb Jahrzehnten lediglich ein Unternehmen aus dem Kreis verabschiedet hat. Gemeinsam lässt sich offenbar gut verdienen, wie die Rendite von MAN Latin America signalisiert. Sie liegt bei knapp zehn Prozent.

Da die beteiligten Hersteller und Zulieferer beim Modularsystem ihre Kalkulation offen legen, galt die Fabrik in Resende in der Autoindustrie lange als eine Art Denkmal des als Kostendrücker legendären Spanier Jose Ignacio Lopez de Arriortua. Dieser hatte sich Mitte der 90er Jahre als Chefeinkäufer zunächst beim damaligen Weltmarktführer General Motors und dann als Vorstand von VW den Ruf des "Würgers von Wolfsburg" erarbeitet. "Er war oft hier" erinnert sich ein brasilianischer Manager, der schon damals dabei war. Lopez war vom damaligen VW-Konzernchef Ferdinand Piëch bei GM abgeworben worden.

Neue Generation von Lastwagen

Piëch ist nach dem Einstieg seines Familienclans Porsche/Piëch heute Aufsichtsratsvorsitzender sowohl bei Volkswagen als auch bei MAN, wo VW mit 29, 9 Prozent der Anteile größter Aktionär ist. Dem Strategen Piech dürfte die Schwellenland-Strategie von Samuelsson gut gefallen.

Der oft leicht unwirsch wirkende Piëch hatte bereits bei der Hauptversammlung von MAN im vorigen Jahr klar gemacht, daß ihm eine Allianz der Lkw-Hersteller MAN, Scania und VW Nutzfahrzeuge nicht schnell genug vorankommt. Denn Piëchs Pläne lassen sich erst verwirklichen bei einer neuen Generation von Lastwagen, "die leider noch weit weg ist bei MAN und Scania", kritisierte er. Mit neuen Modellreihen wird frühestens im Jahr 2012 gerechnet. Die bei Teilen und Modulen der nächsten Generation möglichen Einsparungen veranschlagte Piëch bereits damals auf mindestens eine Milliarde Euro.

Die Lkw-Fabrik in Südamerika spielt bei den Plänen von Piëch eine zentrale Rolle. Ein dort fabrizierter Vierzig-Tonner kostet nur halb so viel wie ein bei Scania hergestellter, rechnete Piech vor. Das Werk in Brasilien sei bereits bei einer Auslastung von nur 25 Prozent rentabel. Piëch: "Das ist eine Bombensache." So ist es wohl kein Wunder, daß heute brasilianische MAN-Manager hinter vorgehaltener Hand damit rechnen, bald mit MAN zu VW zurückzukehren - als elfte Konzernmarke nach Scania und Porsche.

Vorerst aber sind sie froh, bei einem Lkw-Konzern gelandet zu sein. Die Pkw-Manager von VW haben auch noch gern erklären wollen, wie man Lastwagen baut, als ihre lateinamerikanischen Kollegen längst Markführer in Brasilien waren. Bei MAN läuft es umgekehrt.

Die Expertise der Brasilianer bei robusten Lastwagen für Schwellenländer ist gefragt - nicht nur für Russland. Resende könnte Vorbild werden auch für die mühsam anlaufende Fertigung in Indien und die soeben gestartete Kooperation mit Sinotruk, dem größten chinesischen Produzenten von Schwerlastern.

Die von VW zu MAN gewechselten Mitarbeiter sind begeistert von ihrem neuen Arbeitgeber und das nicht nur, als der Schwede Samuelsson in Sao Paulo vor 350 Händlern eine Rede in portugiesischer Sprache hält. Einer sagt: "Die haben uns in Wolfsburg immer gefragt, wo Resende liegt und oft gar nicht gewusst, daß VW dort seit langem ein Werk hatte."

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