MAN-Chef im Gespräch:"Gewinnen und weiterkommen"

Georg Pachta-Reyhofen, der neue Chef von MAN, über seine Fecht-Karriere, die Situation des Konzerns - und das Verhältnis zu VW-Patron Piëch.

C. Busse u. M. Kuntz

Georg Pachta-Reyhofen, 54, empfängt in seinem Büro im fünften Stockwerk der frisch renovierten MAN-Zentrale in München-Schwabing. Hier sind die Wände aus Glas, mit seinem Vorstandskollegen hat der neue Chef des MAN-Konzerns Blickkontakt. Das Büro hat eine kleine Dachterrasse, auf dem Schreibtisch stehen Laptop und Aktenlocher. Pachta-Reyhofen wirkt sportlich, in seiner Jugend war er erfolgreicher Fechter. Gerade freut er sich über einen Großauftrag aus Brasilien: 120 Motoren für Kraftwerke für 300 Millionen Euro. Deshalb wird es im Werk Augsburg bald Überstunden statt Kurzarbeit geben.

Georg Pachta-Reyhofen, Foto: dpa

Der neue MAN-Chef Georg Pachta-Reyhofen war früher einmal Profi-Fechter und Mitglied der österreichischen Nationalmannschaft.

(Foto: Foto: dpa)

SZ: Herr Pachta-Reyhofen, sie waren früher Mitglied der österreichischen Fecht-Nationalmannschaft. Sie bevorzugten den Degen, nicht das Florett. Was sagt das über Sie?

Georg Pachta-Reyhofen: Ich habe als Kind Handball und Fußball gespielt, später in Heidenheim das Fechten entdeckt. Der ganze Körper wird stark trainiert. Dazu gehören Koordination, Psychologie und Kopfarbeit. So ein Gefecht geht über fünf oder zehn Minuten. Man hat nicht mehr als eine Minute, um die Stärken und Schwächen des Gegners herauszufinden. Erst tastet man ihn ab und dann geht es blitzartig. Da müssen die Kombinationen nach gewissen Schemen ablaufen. Man kann nicht mehr lange nachdenken. Es ist ein sehr spannender und faszinierender Sport.

SZ: Warum der Degen, nicht das Florett?

Pachta-Reyhofen: Beim Degen gibt es weniger Regeln als beim Florett. Die Trefferfläche geht von der Zehenspitze bis zum Kopf. Wer schneller trifft, der trifft. Beim Doppeltreffer müssen beide Fechter innerhalb einer Fünfundzwanzigstel Sekunde treffen.

SZ: Fechten Sie heute noch?

Pachta-Reyhofen: Ich mache das schon lange nicht mehr, weil ich einfach die Zeit dafür nicht mehr habe.

SZ: Wie erfolgreich waren Sie?

Pachta-Reyhofen: Ich wurde in Österreich Junioren-Staatsmeister, gehörte sechs Jahre zur Nationalmannschaft. Ich habe drei Weltmeisterschaften und zwei Universiaden mitgefochten und war dabei auch mal unter den ersten 30.

SZ: Haben Sie auch an einer Olympiade teilgenommen?

Pachta-Reyhofen: Nein. Ich war 1979 und 1981 bei der Weltmeisterschaft. Die beste Form hatte ich 1980. Da hat Österreich die Spiele in Moskau boykottiert. Die Fechter blieben zu Hause, die Reiter sind hingefahren, das war bitter.

SZ: Dann mussten Sie vier Jahre warten?

Pachta-Reyhofen: Meine letzte Weltmeisterschaft habe ich 1984 gefochten. Seit 1981 war ich berufstätig als Assistent am Institut für Verbrennungskraftmaschinen in Wien. Das steht man nicht durch, so nebenbei eine Olympiaqualifikation.

SZ: Also sind Sie kämpferischen Einsatz gewohnt?

Pachta-Reyhofen: Beim Fechtkampf kommt man in Situationen, wo man nicht einmal mit den Augen zwinkern kann. Es könnte der andere mit der Attacke beginnen. Man ist unglaublich konzentriert, sehr stark auf den Moment der eigenen Chance ausgerichtet. Der Leistungssportler gibt sich nie mit dem Mittelmaß zufrieden, sondern will gewinnen und weiterkommen.

SZ: Hilft Ihnen das jetzt?

Pachta-Reyhofen: Es hat mir sicherlich in meiner Karriere geholfen, das Positive zu sehen, zu kämpfen und Dinge immer neu zu versuchen.

SZ: Ist das Berufsleben auch ein dauernder Kampf?

Pachta-Reyhofen: Man kämpft natürlich auch im Berufsleben. Aber wichtiger ist mir ist das Moderieren und Motivieren: Jeder Mensch hat positive Energie. Die muss er vorwärts richten, andere begeistern und überzeugen. Wenn es sein muss, einen Kompromiss eingehen, in jedem Fall ein Ergebnis erzielen. Da kann man nicht den Degen nehmen.

SZ: Sie sind in München geboren, entstammen aber einer einflussreichen österreichischen Adelsfamilie?

Pachta-Reyhofen: Das "a" bei Pachta statt einem "er" am Namensende weist auf unseren böhmischen Ursprung hin. Bekanntlich gehörte die Region auch einmal zur österreichischen Monarchie.

SZ: Ihr Vater war bei Siemens in Österreich im Vorstand?

Pachta-Reyhofen: Daher kam ich auch 1968 nach Wien.

SZ: So wurden Sie österreichischer Staatsangehöriger?

Pachta-Reyhofen: Ja, aber ich habe mich immer als süddeutscher Österreicher gefühlt, weil wir schon als Kinder oft über die Grenze Bayern-Österreich gefahren sind. Heute sehe ich mich eher als Europäer.

"Fühle mich in einer starken Position"

SZ: Warum gibt es so viele Österreicher in den Vorständen von Dax-Firmen?

Pachta-Reyhofen: Ich glaube nicht, dass Österreich da überrepräsentiert ist. Dort gibt es eine gute Ausbildung gerade im technischen Bereich. Vielleicht hat der Österreicher auch eine Gabe, verschiedene Kulturen gut zu moderieren.

SZ: Seit wann wussten Sie, dass Sie Chef des MAN-Konzerns werden?

Pachta-Reyhofen: Ich wurde überrascht. Auf dieses Ziel habe ich nicht hingearbeitet. Ich habe meine Rolle im Vorstand gesehen und immer versucht, meine Aufgabe so gut wie möglich zu erledigen. So wächst man hinein, auch in etwas, was mit dem Maschinenbau-Studium und dem Entwickeln von Fahrzeugen direkt nicht mehr viel zu tun hat.

SZ: Sie sind Sprecher des Vorstands, Ihr Vorgänger Hakan Samuelsson war Vorsitzender. Fühlen Sie sich schlechter behandelt, wurden sie degradiert?

Pachta-Reyhofen: Nein, die Organverantwortung gibt es in beiden Fällen. Unser Vorstand ist ein Team, für das dann einer nach außen spricht. Ich führe auch den größten Bereich: die Nutzfahrzeuge. Ich fühle mich in einer starken Position.

SZ: Haben Sie noch Kontakt zu Samuelsson?

Pachta-Reyhofen: Wir telefonieren ab und zu.

SZ: Ihr Aufsichtsratschef Ferdinand Piëch, auch ein Österreicher, bastelt an einem integrierten Autokonzern vom Kleinwagen bis zum Schwerlaster. VW will Toyota als Weltmarktführer überholen. Was werden Sie dazu beitragen?

Pachta-Reyhofen: Ich habe ein sehr gutes Verhältnis zu Professor Piëch. Er ist Techniker so wie ich, hält Vorlesungen an der TU Wien. Wir finden schnell eine gemeinsame Sprache. Mein Job ist es, MAN nach vorne zu bringen. Dann sind wir auch attraktiv für Investoren. Mit Volkswagen als Großaktionär fahren wir bisher sehr gut.

SZ: Sind Sie Erfüllungsgehilfe für Herrn Piëch, den Großaktionär Volkswagen? Bringt Sie das in einen Interessenkonflikt mit den anderen Aktionären?

Pachta-Reyhofen: Nein, warum? Wir wollen als MAN erfolgreich sein, da gibt es keinen Konflikt. Wir müssen technische Plattformen ermöglichen und dabei die Identität der Marken erhalten. Und wenn VW dies ebenfalls so sieht, unterstützt das unsere Arbeit.

SZ: Der MAN-Großaktionär Volkswagen besitzt mit Scania bereits einen zweiten Lkw-Hersteller. Da wäre eine Fusion doch naheliegend, wie sie Ihr Vorgänger 2006 vergeblich angestrebt hatte?

Pachta-Reyhofen: Es war damals logisch, diesen Übernahmeversuch zu machen. Es gab ja weltweit nicht mehr viele Spieler. Jetzt kümmern wir uns erst einmal mit unseren neuen Firmen um die Schwellenländer. Alles andere hat zweite Priorität.

SZ: Muss MAN den Wert seiner 20-Prozent-Beteiligung bei Scania berichtigen? Könnte dies für 2009 zu einem Jahresverlust führen?

Pachta-Reyhofen: Man darf die Kursentwicklung der Scania-Aktie in den letzten Jahren nicht unberücksichtigt lassen. Insgesamt betrachtet hat MAN mit dem Aktienerwerb keinen finanziellen Verlust erlitten. Aber grundsätzlich gilt, dass wir unsere Bilanzpositionen klar bewerten.

SZ: Wird es MAN in fünf Jahren noch als selbständiges Unternehmen geben?

Pachta-Reyhofen: Auch in vielen Jahren werden wir unsere Lkw und Omnibusse weiter unter dem Namen MAN verkaufen. MAN ist und bleibt auch nach 250 Jahren eine sehr starke Marke.

SZ: Dann sind Sie also nicht der Totengräber von MAN?

Pachta-Reyhofen: Nein, ganz bestimmt nicht. Im übrigen: Wir sind börsennotiert. Erfolg macht uns attraktiv. Dann reißen sich die Investoren um uns. Es ist nicht neu, dass wir einen Großaktionär haben. Wir haben ja schon einmal einem Konsortium aus Banken und Versicherungen gehört. Das hat uns auch nicht geschadet.

SZ: Wenn VW seine Pläne für einen Großkonzern verwirklicht und das Lkw-Geschäft darin einbaut, was bleibt dann von MAN übrig?

Pachta-Reyhofen: Warum sollte man über die Zerlegung eines erfolgreichen MAN-Konzerns nachdenken? Transport, Energie und Umwelttechnologie - das sind genau die Märkte der Zukunft. Daran zweifelt niemand.

"Wir wollen saubere Geschäfte machen"

SZ: Sie sind Konzernchef und leiten anders als Ihr Vorgänger auch die Nutzfahrzeuge. Zwei Jobs, ein Mann. Ist das auf die Dauer zu viel?

Pachta-Reyhofen: Es ist viel, aber faszinierend. Turbo und Diesel sind soeben fusioniert und neu ausgerichtet. Jetzt müssen die Schwestergesellschaften des Lkw-Bereiches in drei Kontinenten miteinander verzahnt werden.

SZ: Wird die Holding in ihrem schönen Neubau mit 200 Leuten in München-Schwabing noch gebraucht?

Pachta-Reyhofen: In der Zentrale werden wichtige Aufgaben gebündelt: Hier werden die Zahlen konsolidiert, die Strategien entwickelt und nachgehalten. Wir müssen uns um die Führungskräfte und die Personalentwicklung auch bei Diesel und Turbo kümmern. Das geht nicht aus dem Bereich Nutzfahrzeuge allein heraus.

SZ: Wann kommt das Lkw-Geschäft wieder in Schwung?

Pachta-Reyhofen: Wir werden 2010 noch das niedrige Niveau von 2009 bekommen. Aber in den letzten Monaten war der Auftragseingang schon besser als ein Jahr zuvor. Ich gehe von einer Erholung in der zweiten Jahreshälfte aus. Brasilien ist bereits auf dem Rekordniveau zurück.

SZ: Wie lange wird es in Deutschland Kurzarbeit geben?

Pachta-Reyhofen: Wir werden das ganze Jahr 2010 Kurzarbeit fahren müssen. In der zweiten Jahreshälfte kann es vielleicht eine etwas differenziertere Regelung geben als zur Zeit. Wir sind sehr froh, unsere Leute halten zu können. Das sind Spezialisten, die wir nach der Krise wieder brauchen.

SZ: Drohen Entlassungen?

Pachta-Reyhofen: Nein, wir haben nicht vor, betriebsbedingt zu kündigen. Wir haben bei Nutzfahrzeuge Betriebsvereinbarungen mit Garantien bis 2012 geschlossen und zu denen stehen wir auch.

SZ: Ist die Korruptionsaffäre, der Sie ja indirekt Ihren neuen Job verdanken, abgeschlossen?

Pachta-Reyhofen: Mit dem Bußgeld von 150,6 Millionen Euro sind die Fälle für das Unternehmen abgeschlossen. Es gibt noch Verfahren der Staatsanwaltschaft gegen einzelne Personen. Darauf haben wir natürlich keinen Einfluss.

SZ: Ist damit das Thema Korruption abgehakt?

Pachta-Reyhofen: Natürlich nicht. Wir bauen eine Compliance-Organisation auf, die direkt an mich berichtet. So eine Korruptionsaffäre darf uns nicht wieder passieren. Wir wollen saubere Geschäfte machen. Langfristig kann man nur so Geld verdienen. Es wird unter anderem Schulungen geben und ein Help- Desk, das Mitarbeiter in konkreten Situationen berät, wie er korrekt handelt.

SZ: Gibt es Regressforderungen gegen ehemalige Manager?

Pachta-Reyhofen: Diese Prüfungen sind Pflicht. Mit ihnen sind Kanzleien befasst. Der Aufsichtsrat wird entscheiden müssen, ob er den Regress anwendet.

SZ: Der Scania-Vorstandsvorsitzende geht demnächst in den Ruhestand. Hakan Samuelsson ist weg. Stefan Schaller ist gerade abgetreten als Chef der VW Nutzfahrzeuge. Allen drei wurde die Führung eines Volkswagen Lkw-Konzerns zugetraut. Wäre ein solcher Job nicht auch etwas für Sie?

Pachta-Reyhofen: (lacht) Das ist schon deshalb eine sehr theoretische Diskussion, weil es diesen Lkw-Konzern nicht gibt. Ich konzentriere mich ganz auf MAN. Ich will mit unserem Unternehmen erfolgreich sein und wenn ich mich dabei für andere Aufgaben qualifiziere, dann sollen das Andere beurteilen.

SZ: Was hat sich für Sie geändert, seit Sie Chef eines Dax-Konzerns sind?

Pachta-Reyhofen: Ich komme deutlich später nach Hause, so zwischen neun und zehn. Meistens wartet meine Familie mit dem Abendessen auf mich. Diese Runde gibt mir einen enormen Rückhalt. Als Ehemann und Vater von drei Töchtern bin ich mit vier Damen gesegnet. Damit bin ich auch ein guter Zuhörer geworden.

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