Magna-Einstieg bei Opel:Merkel bejubelt Durchbruch

Ein Telefonat mit Barack Obama brachte die Erlösung: Angela Merkel feiert die Rettung Opels mit Steuergeldern - und erklärt, warum sie anderer Meinung war als ihr Wirtschaftsminister.

Opel hat mit dem ausgehandelten Rettungskonzept nach Ansicht von Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) eine "Perspektive für die Zukunft" bekommen.

Magna-Einstieg bei Opel: Bundeskanzlerin Angela Merkel: "Es ist die Aufgabe und das Recht des Wirtschaftsministers, die Finger in die Wunde zu legen."

Bundeskanzlerin Angela Merkel: "Es ist die Aufgabe und das Recht des Wirtschaftsministers, die Finger in die Wunde zu legen."

(Foto: Foto: dpa)

Dies sei eine Chance, die die Arbeitnehmer verdient hätten, sagte Merkel in Berlin. Denn nicht die Mitarbeiter seien Schuld an der entstandenen Situation, sondern das "Missmanagement" des Mutterkonzerns General Motors (GM) in den USA.

Die Kanzlerin zeigte sich optimistisch, die noch offenen Fragen rasch lösen zu können. Zwar gebe es noch eine Vielzahl auch schwieriger Details zu klären, sagte die CDU-Politikerin. Sie sei aber zuversichtlich, dass es gelingen könne, bereits über Pfingsten die "vertraglichen Einzelheiten" zu lösen und die juristischen Feinheiten zu klären.

"Sicher noch viele schwierige Aufgaben"

Merkel verwies allerdings auch darauf, dass die Arbeit für Opel und den österreichisch-kanadischen Investor Magna jetzt erst beginne. Es seien sicher noch viele schwierige Aufgaben zu lösen.

"Die Verhandlungen waren wegen ihrer besonderen Struktur auch eine Bewährungsprobe für das transatlantische Verhältnis", sagte Merkel. "Die transatlantische Gemeinschaft hat diese Bewährungsprobe bestanden, trotz sehr viel schwieriger zäher Verhandlungen, in denen natürlich jeder seine Interessen vertreten musste", sagte die Kanzlerin. Sie sei davon überzeugt, dass die Lösung auch nicht nur von den Mitarbeitern, sondern auch von der Bevölkerung insgesamt honoriert werde.

Sie habe am Freitag vor der entscheidenden Spitzenrunde in Berlin mit US-Präsident Barack Obama telefoniert. Man sei sich einig gewesen, die "komplexe Aufgabe" zu einem guten Ergebnis zu führen. Nun sei es möglich, ein europäisches Unternehmen unter dem Dach von Adam Opel zu schaffen.

Merkel betonte, dass es keine staatliche Beteiligung an Opel gebe. Die Bundesregierung und die Länder stünden dem Unternehmen mit Bürgschaften bei.

Die Kanzlerin nahm die Staatshilfe für Opel zudem zum Anlass, grundsätzlich die Hilfen des Staates in der gegenwärtigen Wirtschaftskrise zu verteidigen. In dieser Krise müsse der Staat stärker helfen, "als er das normalerweise tut", sagte Merkel.

Sie versicherte zugleich, dass kleine und große Betriebe gleichermaßen wichtig seien. Viele Menschen hätten die Angst, die Regierung helfe nur den Großen und nicht den Kleinen. "Das ist absolut nicht richtig. Jeder Arbeitsplatz ist für uns gleich viel wert", sagte Merkel.

Merkel lobt Guttenbergs hervorragende Arbeit

Merkel stellte sich ausdrücklich hinter Bundeswirtschaftsminister Karl-Theodor zu Guttenberg (CSU), der bis zuletzt gegen die in der Nacht getroffene Einigung auf einen Einstieg des Autozulieferers Magna gewesen war. Es sei die Aufgabe und das Recht des Wirtschaftsministers, "die Finger in die Wunde zu legen".

Lesen Sie auf der zweiten Seite, wie die SPD die Haltung Guttenbergs beurteilt.

In der Großen Koalition knirscht es

Guttenberg habe hervorragende Arbeit bei der Vorbereitung der Lösung geleistet und trage das Ergebnis auch mit, sagte Merkel. Sie komme allerdings zu einer anderen Risikobewertung als der CSU-Minister, der bis zuletzt eine Insolvenz nicht ausschließen wollte. Für sie sei entscheidend gewesen, "dass die Risiken einer Alternative politisch absolut nicht verantwortbar sind", betonte sie.

Die geplante Rettung bezeichnete Merkel als alternativlos. "Die Bundesregierung hat das getan, was sie tun konnte und meiner Ansicht nach auch tun musste."

Guttenberg habe allerdings auch die Grundlage für die Entscheidung gelegt. Dies gelte vor allem für die Treuhandlösung, die die Grundlage für die Abtrennung der Adam Opel GmbH von GM überhaupt ist.

Merkel: "Regierung steht geschlossen hinter Rettungskonzept"

Trotz Guttenbergs kritischer Haltung zu dem Kompromiss stehe die Bundesregierung aber geschlossen hinter dem Rettungskonzept. In der Gesamtschau gebe es eine einheitliche Meinung, so Merkel.

Im Verhältnis zum Koalitionspartner SDP sorgte die Haltung Guttenbergs aber für weiteren Konfliktstoff.

Guttenberg habe versucht, die Verhandlungen mit seinen Vorstößen für eine Opel-Insolvenz zu unterlaufen, sagte SPD-Generalsekretär Hubertus Heil im "RBB-Inforadio".

Der CSU-Politiker habe in den zurückliegenden Tagen die Insolvenz als Königsweg dargestellt, obwohl dies mit erheblich größeren Risiken für alle Beteiligten verbunden gewesen wäre. "Ich bin froh, dass dieser Weg nicht gegangen wurde", sagte Heil.

Guttenberg: "Insolvenz derzeit nicht völlig risikofrei"

Eine Insolvenz hätte nach Heils Einschätzung nicht nur die betroffenen Regionen, sondern auch die Zulieferer und die Opel-Pensionskassen getroffen.

Guttenberg bekräftigte hingegen seine Bedenken gegen die gefundene Lösung nochmals. "Ich habe eine unterschiedliche Risikoeinschätzung als die an den Opel-Verhandlungen beteiligten Kollegen. Ich konnte daher dem Magna-Konzept bis zuletzt nicht zustimmen und habe eine Planinsolvenz als Neustart für Opel vorgezogen", heißt es in einer am Samstag in Berlin verbreiteten Erklärung des Ministers.

Er räumte ein, "dass auch eine Insolvenz derzeit nicht völlig risikofrei" wäre. "Die Bundesregierung kam in einer Gesamtschau auf alle - auch meine abweichenden - Risikoeinschätzungen zu anderen Ergebnissen, an deren Umsetzung ich mich gleichwohl verantwortungsvoll beteiligen werde."

Lesen Sie auf der dritten Seite, wie sich Gewerkschaften, Opel-Betriebsrat und die betroffenen Ministerpräsidenten zur Opel-Rettung äußerten.

Allseites Erleichertung

Erleichtert reagierte die IG Metall auf die Einigung: Der Bezirksleiter der Gewerkschaft in Frankfurt und Opel-Aufsichtsrat Armin Schild sieht nach der in der Nacht getroffenen Einigung die Gefahr einer Insolvenz des Rüsselsheimer Autobauers gebannt.

Mit der erreichten Investorenvereinbarung sei nun die Tür offen für die Gründung des sechsten Automobilunternehmens mit Sitz in Deutschland, der Opel Europa AG, sagte Schild am Samstag. Eine Insolvenz des US-Mutterkonzerns General Motors werde damit nicht zur Insolvenz von Opel führen.

"Da ist ein Riesenstein von uns gefallen"

Freude löste die Rettung von Opel auch beim Betriebsrat des Autoherstellers aus. "Da ist ein Riesenstein von uns gefallen", sagte Opel-Gesamtbetriebsrat Klaus Franz. "Das war natürlich ein unglaublicher Druck über ein halbes Jahr hinweg."

Franz betonte, der Einstieg des Zulieferers Magna sei die richtige Lösung: "Wir werden hart an unserer Zukunft arbeiten müssen. Aber ich sehe eine hervorragende Zukunft zusammen mit Magna und General Motors in der Minderheitenbeteiligung für dieses Traditionsunternehmen."

Es sei aber noch unklar, wo welche Fahrzeuge in Zukunft gebaut werden. Zugleich sei es nicht zu vermeiden, dass die derzeitige Zahl der Beschäftigten von rund 26.000 nicht gehalten werden könne: "Es wird ohne Personalabbau nicht gehen", sagte Franz.

Der Gesamtbetriebsrats-Chef zeigte sich erleichtert, dass es nicht zu einer Fusion mit dem italienischen Autohersteller Fiat kommen wird. "Diese Megafusionen in einem Markt, in einer Industrie, die an Überkapazitäten leidet, kann nicht funktionieren", sagte Franz. Er kenne keine große Fusion in der Autobranche, die in den vergangenen Jahren funktioniert habe.

"Dem Steuerzahler Kosten erspart"

Erleichtert über die Einigung zur Opel-Rettung äußerten sich auch die Ministerpräsidenten der Länder mit Opel-Standorten. Der hessische Landeschef Roland Koch (CDU) zeigte sich zufrieden, dass der Treuhandvertrag in Kraft getreten sei und Opel damit eine eigenständige Einheit sei, unabhängig von General Motors.

Das neue Unternehmen sei damit "geschützt vor den Entwicklungen, die in Amerika möglicherweise noch stattfinden". In Abwägung mit einer Insolvenz habe man dem Steuerzahler mit größter Wahrscheinlichkeit am Ende Kosten erspart, sagte Koch weiter.

Zum möglichen Stellenabbau sagte er, dass in Europa etwa 10.000 bis 11.000 Arbeitsplätze nicht zu halten sein werden. "Wir haben aber die Erwartung, dass das in Deutschland ohne den Einsatz von betriebsbedingten Kündigungen geht", fügte er an.

"Kein großes Risiko"

Der rheinland-pfälzische Ministerpräsident Kurt Beck (SPD) äußerte ebenfalls Genugtuung über den Magna-Einstieg. "Auf diese Weise können die Opel-Standorte in den deutschen Bundesländern gerettet werden", sagte er am Rande einer Wahlkampfveranstaltung in Ludwigshafen. Dies sei vor allem für die Familien der rund 25.000 deutschen Opel-Beschäftigten eine gute Nachricht.

Der thüringische Ministerpräsident Dieter Althaus (CDU) bezeichnete den gefundenen Kompromiss als guten Grund, "dankbar zu sein." "Ich sehe im Moment kein großes Risiko", fügte er hinzu.

Nordrhein-Westfalens Regierungschef Jürgen Rüttgers (CDU) betonte, dass durch den Rettungsplan für Opel auch dessen Werk in Bochum gesichert sei. Der Politiker räumte im Westdeutschen Rundfunk aber ein, dass die Belegschaft in Bochum von jetzt mehr als 5000 auf 3200 Mitarbeiter verkleinert werde.

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