Luxusartikel:Der Teufel bei Prada

Die Luxuskonzerne hofften lange, die Finanzkrise würde an ihnen vorbeiziehen - sie haben sich schwer getäuscht.

Thomas Fromm und Ulrike Sauer

Es ist noch gar nicht so lange her, da tanzten sie noch ausgelassen. Bei der Luxusmesse für Superreiche "Millionaire Fair" im vergangenen Herbst in München war Partystimmung pur angesagt. Maseratis und Lamborghinis fuhren vor, Champagnerkorken knallten, und die Hersteller von Luxusuhren suchten und fanden ihre wohlbetuchte Kundschaft. Weltweite Finanzkrise? Nur etwas für Arme, hieß es damals.

Mode Der Teufel bei Prada Getty

"Qualität und Ideen kosten nun mal", sagt Miuccia Prada. Die Modemacherin hält nichts davon, die Preise ihrer Kollektion dem Geldbeutel der Kunden anzupassen.

(Foto: Foto: Getty)

Luxus und Reichtum gehen immer, Krise hin oder her - das war ein vornehmer Traum. Er hatte ja auch jahrelang funktioniert. Anfang der Woche aber war er dann endgültig ausgeträumt. Ausgerechnet der erfolgsverwöhnte Schweizer Luxusgüterkonzern Richemont war es, der mit seinem Umsatzeinbruch die Branche aus ihren Träumen zurück in die Realität holte. Dabei waren die schlechten Quartalszahlen des Herstellers von Cartier-Schmuck, Jaeger-LeCoultre-Uhren und Montblanc-Schreibfüllern gar nicht mal das Schlimmste. Schlimmer noch war, was der weltweit zweitgrößte Luxusgüterhersteller seiner Zunft mit auf den Weg gab. "Die Nachfrage nach Luxusgütern ist dramatisch gefallen", schrieben die Schweizer. Man erlebe zurzeit die "härtesten Marktbedingungen seit der Gründung vor 20 Jahren". Da sich die Lage in der nächsten Zeit nicht verbessern werde, sehe man "keinen Grund für Optimismus".

Gewinnrückgänge und Einsparungen beim Personal

Der Schock saß tief, denn er zerstörte ein liebgewonnenes Weltbild. Bislang hatte die Branche alle Wirtschaftsabschwünge gut überstanden. Doch in Zeiten, in denen die Superreichen aus Europa, den USA und Russland an den Kapitalmärkten so viel Geld wie lange nicht mehr verlieren, sind selbst Haute-Couture-Kollektionen, edle Uhren oder Diamanten nicht mehr automatisch krisenresistent. Egal ob in München oder Moskau: Mal eben schnell ein Diamantenkettchen für die Gattin oder Geliebte kaufen, das war gestern. Zu spüren bekommen das alle. Die Granden der Branche, Richemont und die französische LVMH-Gruppe, haben innerhalb weniger Monate 40 Prozent ihres Werts an der Börse eingebüßt. Der römische Nobel-Juwelier Bulgari stellt sich auf einen schmerzhaften Gewinnrückgang ein, der US-Wettbewerber Tiffany steht offenbar vor einer Entlassungswelle, der französische Parfümier Chanel spart bereits kräftig am Personal.

Auch das britische Traditionslabel Burberry hat ein "massives Restrukturierungsprogramm" angekündigt. Hunderte Stellen sollen abgebaut werden. Der italienische Yachthersteller Ferretti wiederum, ein Nischenproduzent für die oberen Zehntausend, soll Medienberichten zufolge finanziell klamm sein und muss angeblich ein millionenschweres Schuldenpaket mit seinen Banken nachverhandeln. Allein der Umsatz der italienischen Modeindustrie brach im Oktober 2008 um zehn Prozent ein. Viele Unternehmen denken schon mit Grauen an die Zahlen für das vierte Quartal. "Die Konsumeiszeit im letzten Quartal, die durch die Finanzkrise im Oktober ausgelöst wurde, hat uns gezwungen, unsere Prognosen für 2008 zu revidieren", sagt der Chef der Mailänder Modekammer, Mario Boselli. Der Umsatz der italienischen Mode- und Textilbranche sei wohl um vier Prozent auf 66,5 Milliarden Euro gefallen. Für 2009 rechnet man in Mailand mit einem weiteren Rückgang. Es ist die Zeit der Durchhalteparolen. Die italienische Modeindustrie sei "gesund" und verstehe es, "auf die Krise zu reagieren", macht sich Boselli Mut. Alles sei "nicht so schlimm wie befürchtet", war dann in den vergangenen Tagen auch ein oft zu hörender Kommentar auf der Florentiner Pitti-Modemesse und an den Mailänder Laufstegen.

Kein "selbstzerstörerisches Verhalten" im Schlussverkauf

Und doch rücken auch in Italien die Einschläge spürbar näher. Es ist die Summe der Details, die aufhorchen lässt: Die Leitmesse Pitti Uomo gab den teuren Samstag als Ausstellungstag auf. Die Russen, bislang die große Hoffnung der Anbieter, waren diesmal gleich zu Hause geblieben. Ein Ausfall der kaufkräftigen Neukunden aus dem Osten wird schmerzlich. Er kann sich mit Umsatzeinbußen von bis zu 20 Prozent bemerkbar machen, warnen Brancheninsider. Der Showkalender wurde von fünf auf vier Tage verkürzt. Modekammerchef Boselli lud gar dazu ein, über "alternative und preisgünstigere Darstellungsformen nachzudenken". Und der Edel-Schneider Gildo Zegna wettert gegen das "selbstzerstörerische Verhalten" im Schlussverkauf und gegen die teure Manie immer früherer Vorabkollektionen.

Hat das Geschäftsmodell Luxus endgültig ausgedient? Lesen Sie mehr dazu auf der nächsten Seite.

Der Teufel bei Prada

Im Grunde aber geht es vor allem um die eine, die bange Frage, die sich viele stellen. Sie lautet: Wird es jemals wieder so sein wie früher? Oder hat ein Geschäftsmodell nach Jahrzehnten endgültig ausgedient? Luxus ist gerade deswegen Luxus, weil der Preis hoch ist und das Produkt damit automatisch für den Massenmarkt ausscheidet. Wer Luxus kauft, will sich abheben und schließt dabei andere aus. Für viele Käufer offenbar ein gutes Gefühl, das aber seinen Preis hat. Deswegen ist es in der Luxusindustrie normalerweise ein Tabu, beliebig mit Preissenkungen auf Krisen zu reagieren, dies würde ihr Selbstverständnis aushöhlen. Doch lässt sich der Kurs in diesen schweren Zeiten durchhalten?

Preissenkungen verwässern das Image

Marketing-Experten warnen: Wer jetzt die Preise für Luxusartikel in großem Stil senkt, verwässert sein Image - und es dauert Jahre, bis man für den eigenen Namen wieder höhere Preise bekommt. "Wer in der Luxusbranche einmal nach unten geht, kommt so schnell nicht wieder nach oben", sagt ein Insider. Trotzdem sehen viele Anbieter offenbar keine andere Lösung: So räumt man beim Auftragshersteller Lardini ein, die Preise "von der gehobenen Mittel- bis zur Luxusklasse um über 10 Prozent" herabgesetzt zu haben. "Das drückt 2009 leider auf die Margen", geben Andrea und Luigi Lardini offen zu.

Andere Luxusfirmen gehen subtiler vor: Der Herrenausstatter Ermenegildo Zegna oder die Modemacherin Alberta Ferretti ergänzen ihre Edel-Kollektionen mit erschwinglicheren Stücken - und werden dafür von der Konkurrenz scharf angegangen. Miuccia Prada hält nichts davon, in Krisenzeiten Preise und Kollektionen den Geldbeuteln der Kunden anzupassen. "Der Moment ist schwierig, aber die Preise im Luxussegment sind nicht aus der Luft gegriffen. Qualität und Ideen kosten nun mal", sagt Prada. Allerdings verkaufte das Mailänder Kult-Label schon im Dezember Lederstiefel zum halben Preis. Designer wie der Mailänder Giorgio Armani versuchen es derweil mit Aktionismus. Mitte Februar eröffnet der italienische Luxusunternehmer in New York auf der Fifth Avenue ein Kaufhaus mit 3500 Quadratmetern.

Optimistisch gibt sich auch Diesel-Gründer Renzo Rosso: Er glaubt an die Wende. Der Querdenker aus Venetien hat gerade sein weltweit größtes Geschäft über drei Etagen mitten an der Mailänder Shopping-Kreuzung Piazza San Babila eröffnet. Rosso sucht das Besondere, um der Krise zu begegnen. Im neuen "Diesel Planet Store" hängt ein elektronischer Spiegel, mit dem die Kunden die Passform ihres neuen Outfits im 360-Grad-Blickwinkel begutachten können. Die selbst entwickelte Software soll zum Standard in den 300 Diesel-Läden weltweit werden. Zusätzlich soll eine computergesteuerte Beduftungsanlage die Sinne betören und so zum Kaufen einladen. Das Bezahlen geht dann ganz nebenbei - an mobilen Stationen überall im Laden.

So ganz geschlagen gibt sich die Modewelt also nicht. Die Farbe des Winters 2009/2010 soll übrigens Grün sein. Grün wie die Hoffnung.

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