Luxus:Kaufhäuser sollen wieder zu Tempeln werden

Luxus: Mondäne Neugestaltung: Entwurf des Treppenhauses für das KaDeWe in Berlin

Mondäne Neugestaltung: Entwurf des Treppenhauses für das KaDeWe in Berlin

(Foto: Courtesy of OMA)
  • In Deutschland darben viele Kaufhäuser. Studien besagen, dass jedes dritte Kaufhaus schließen müsse.
  • Ausländische Investoren dagegen glauben an den Mythos Kaufhaus - und statten deutsche Warenhäuser derzeit in großem Stil mit Geld aus.

Von Michael Kläsgen

André Maeder sitzt in der Feinkostabteilung des KaDeWe. Rings um ihn herum sieht man sorgsam hinter Vitrinen ausgestellte Patisserien, Petit Fours und Pralinen-Türmchen. Maeder, Glatze, runde Hornbrille, rundes Gesicht, ist der Herr über drei Luxuswelten: das KaDeWe, den Oberpollinger und das Alsterhaus. Er ist kein Mann großer Worte, eher jemand mit Vorstellungskraft. Er will die Aura vergangener Zeiten einfangen und sie in die Gegenwart katapultieren; die Aura von Kaufhäusern, so wie es sie vor mehr als hundert Jahren gegeben hat, etwa als der Kommerzienrat Adolf Jandorf 1907 das Kaufhaus des Westens gründete.

Kaufhäuser waren damals ein wenig so wie Smartphones heute: Schrittmacher der Moderne, Tore zu einer neuen Welt und ein Muss für alle, die auf dem neuesten Stand sein wollten. Sie waren auch Treffpunkt einer urbanen Avantgarde und Prunkstücke der Architektur. Émile Zola beflügelte das Bon Marché in Paris, das erste Kaufhaus überhaupt, dazu, 1883 den Roman Das Paradies der Damen zu schreiben. Noch heute ist das Bon Marché Kult für Pariser, nicht nur des Angebots wegen. Letzte Woche war der chinesische Künstler Ai Weiwei zu Gast und stellte seine Kreationen vor.

Das Haus war voll. Das Kaufhaus als Magnet für Kunstinteressierte, Stilbewusste und Neugierige, so stellt sich auch Maeder, 57, der Chef der Karstadt-Luxussparte, die Zukunft seiner drei Objekte vor. Die Häuser sollen wieder Geschichten erzählen können. So wie die BBC 130 Jahre nach Zolas Roman den Plot für The Paradise entwickelte, eine Aschenputtel-Story in 16 Episoden rund ums Warenhaus. Maeder kennt die Serie natürlich - ebenso wie die Saga über Mr. Selfridge, den amerikanischen Gründer des gleichnamigen Luxuskaufhauses in London. Sieben Millionen Briten schauten sich das Drama in Spitzenzeiten an. Keine Frage, im Ausland fasziniert die Institution Kaufhaus noch heute, als Kunstprodukt und in echt. Selfridges in London, die Galeries Lafayette und Printemps in Paris, Saks Fifth Avenue und Bergdorf Goodman in New York, sie alle sind Touristenattraktionen.

In Deutschland hingegen gab es einen Bruch, sagt Maeder, vielleicht kriegsbedingt. Luxusmarken unter einem Dach? Höchstens im KaDeWe. Eine Fernsehserie über die Familie Tietz? Der Aufstieg des jüdischen Fuhrmannssohns aus Posen zum Warenhauskönig, dann Nazis, Flucht und Kaufhof und Co. Wäre eine gute Story. Doch denkt man in Deutschland an Kaufhaus, denkt man an: Tristesse, Masse, Einheitsbrei, ausgebreitet auf zu großen Flächen. Dazu der dumpfe Abgesang: Jedes dritte Kaufhaus muss sterben. So heißt es in Studien aus dem vorigen Jahr. Quelle, Hertie, Neckermann, alle hat es dahingerafft. Und jetzt: müssen Karstadt und Kaufhof dran glauben.

Maeder sitzt gelassen auf seinem Stuhl und sagt in sehr gedehntem Schwyzerdütsch: "180 Millionen Euro". So viel wollen die Eigentümer der Karstadt-Luxushäuser, die Central Group aus Thailand und die österreichische Signa, allein in das KaDeWe stecken. Sicher, das KaDeWe ist seit Kriegsende immer anders gewesen als der Rest. 40 Prozent der Kunden sind ausländische Touristen. Schon in den 1980er-Jahren führte es Luxusartikel ein. Vom Kaufhaus des Westens im geteilten Berlin war das auch als politischer Fingerzeig gen Osten zu verstehen. Die 180 Millionen sind aber keine Ausnahme. Ausländische Investoren statten die angeblich vom Aussterben bedrohte Spezies Kaufhaus derzeit in großem Stil mit Geld aus.

Sinnlicher, reizvoller - jetzt schlagen die Geschäfte zurück

Die neuen kanadischen Eigentümer von Galeria Kaufhof haben damit angefangen, die Decken, Böden und Leuchten der Innenstadt-Geschäfte in München, Berlin, Hamburg, Köln, Düsseldorf und anderswo auszutauschen. Die Hudson's Bay Company (HBC) will eine neue Atmosphäre schaffen. Sinnlicher und reizvoller soll alles werden. Die Kanadier sind überzeugt, dass Kaufhäuser eine besondere, eine ikonische Kraft ausstrahlen können, wenn man sie richtig justiert. "The stores will strike back", sagt Gerald Storch, der amerikanische Chef in "Star Wars"-Manier. Online werde nicht gewinnen. Die Geschäfte schlagen zurück. Kaufhof werde "Weltklasse". Das Vorhaben lassen sich die Kanadier angeblich 300 Millionen Euro kosten.

Die ausländischen Investoren lockt vielerlei: die zentrale Lage der Häuser, die steigenden Immobilienpreise, die niedrigen Zinsen und schlicht der Mangel an Anlage-Alternativen. "Das ist kein herausgeschmissenes Geld", urteilt Gerd Hessert, Handelsexperte der Universität Leipzig. Bei einem wie Maeder kommt noch mit Augenzwinkern formulierter Größenwahn hinzu: "Das KaDeWe soll eines der beiden führenden Kaufhäuser der Welt werden", feixt er. "Und ich weiß nicht, wer Nummer zwei sein wird."

300 Millionen Euro

wollen die Central Group aus Thailand und die österreichische Signa in die deutschen Luxus-Kaufhäuser Kadewe, Oberpollinger und Alsterhaus investieren - das meiste davon in das Berliner Kadewe. Die Marken geben ihren Teil dazu. Eine ähnlich hohe Summe will die kanadische Hudson's Bay Company in die Geschäfte von Galeria Kaufhof stecken.

Rem Koolhaas, der niederländische Architekt, wird den 60 000 Quadratmeter großen Koloss von Kaufhaus in vier Würfel teilen und ihm ein Glasdach aufsetzen. Darunter werden in Restaurants Gäste bewirtet werden. Nebenan, im Freien, sollen die Besucher unter dem Himmel über Berlin auch lange nach Geschäftsschluss in einem Dachgarten wandeln können. Außenaufzüge bringen sie dorthin. Maeder hat eine Serviette vor sich glatt gestreift und zeigt mit den Zeigefingern, wie die vier Quadranten im Innern des Hauses miteinander kommunizieren. Der spannendste Hohlraum sei der, in dem Rolltreppen die Besucher wie in einem Schneckenhaus auf das Dach führen.

Dem Oberpollinger in München wird sich der bekannte britische Architekt John Pawson widmen. 1903 schwärmten die Münchner Neuesten Nachrichten vom glasüberdachten Lichthof und den Liften für Kunden und Personal. Jetzt ist geplant, den Luxusboulevard im Erdgeschoss, wo sich Marken wie Louis Vuitton, Gucci und Dior tummeln, zur Einkaufsstraße hin zu öffnen. Im Untergeschoss wird zudem ein Concept-Store errichtet, der sich nicht an eine Zielgruppe, sondern eine "Stilgruppe" wendet: Wearables, Beauty, Fashion und ein kleiner "Book-Corner" für die hippen post-rationalen Shopper sollen eine neue Klientel ansprechen.

Die größte Veränderung hat Maeder aber mit dem Alsterhaus in Hamburg vor. Wo im Moment noch gepflegte Langeweile mit Blick auf die Binnenalster herrscht, will Maeder Luxusmarken platzieren. Das wohl eindrucksvollste Gebäude von seinen drei Objekten soll der "Stolz" der Stadt werden. "Jeder Tourist soll da hingehen", sagt Maeder. 1912 bot das damalige Warenhaus Hermann Tietz seinen Kunden einen Erfrischungsraum, ein Schreibzimmer und einen Lesesaal. So etwas Besonderes will Maeder jetzt wieder schaffen.

Kann das gelingen? Ist das nur PR-Gerede? Unterschätzen sie nicht den Online-Handel? Haben die ausländischen Manager keine Ahnung vom deutschen Verbraucher? Siehe Walmart, Berggruen oder Carrefour - sie alle sind in Deutschland gescheitert. HBC-Chef Storch sagt dazu, Walmart habe den Fehler gemacht, als Walmart aufzutreten. Die Kanadier kämen aber als Kaufhof. Und Maeder sagt, der vor zehn Jahren im KaDeWe eingeführte Luxusboulevard habe ein großes Umsatzplus gebracht. "Die Menschen wollen das." In New York ist es sogar so, dass gleich mehrere Häuser neue Geschäfte eröffnen wollen: Saks in Lower Manhatten, Neiman Marcus, Nordstrom und Macy's. Gegen solche Investitionen kann man ernsthaft kaum etwas einwenden. Egal, was daraus wird.

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