Luxemburgs Außenminister:Asselborn kritisiert deutsches "Hegemoniestreben"

Bevormunden große EU-Staaten die kleinen Finanzplätze? Nach den harten Auflagen für Zypern verbittet sich Luxemburgs Außenminister Asselborn eine Einmischung in das Geschäftsmodell seines Landes. Zudem warnt er Deutschland davor, dauerhaft von der Euro-Krise profitieren zu wollen.

In scharfen Worten hat sich Luxemburgs Außenminister Jean Asselborn gegen ein deutsches Diktat in der Euro-Krise verwahrt. Angesichts sehr harter Auflagen für die Rettung des Finanzplatzes Zypern wies Asselborn im Interview mit der Nachrichtenagentur Reuters zudem Forderungen zurück, nun auch andere EU-Finanzplätze unter Druck zu setzen. "Ich kann das Wort 'Geschäftsmodell' sehr schwer ertragen", sagte der Sozialdemokrat mit Blick auf die Äußerung von Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble, dass Zypern sein "Geschäftsmodell" ändern müsse.

Angesichts der Sorge am Finanzplatz Luxemburg, nun selbst ins Visier der EU-Partner zu geraten, sagte Asselborn: "Deutschland hat nicht das Recht, die Geschäftsmodelle für andere Länder in der EU zu fixieren. Es darf nicht soweit kommen, dass unter dem Deckmantel von finanztechnischen Fragen andere Länder erwürgt werden." Er verwies darauf, dass auch die großen deutschen Banken allesamt in Luxemburg aktiv seien.

Der Außenminister des Großherzogtums erwähnte außerdem, dass das Land 150.000 Pendler aus Deutschland und Frankreich beschäftige. Im übrigen seien viele nicht-europäische Banken und Fonds in Luxemburg tätig. Wenn nun versucht werden sollte, den Finanzsektor in seinem Land zu schrumpfen, schade dies ganz Europa.

Luxemburg wird seit Jahren vorgeworfen, dass es mit seinem Finanzplatz mithelfe, Steuerzahlungen von Firmen und Anlegern etwa in Deutschland zu unterlaufen. Das EU-Land betont dagegen immer wieder, dass es sich an alle OECD- und EU-Vorgaben halte und keine Steueroase sei.

Druck der großen Länder

Asselborn sieht einen generellen Trend der großen EU-Staaten, aus Wettbewerbsgründen Druck auf die kleinen Finanzstandorte in der Union auszuüben. "Es kann nicht sein, dass Deutschland, Frankreich und Großbritannien sagen: Wir brauchen Finanzplätze in diesen drei großen Ländern und alles andere muss weg." Das sei fundamental gegen den europäischen Geist, gegen den Binnenmarkt und die Solidarität. "Das ist ein Hegemoniestreben, das falsch und uneuropäisch ist", kritisierte er.

Zwar räumte Asselborn ein, dass auch in Paris der Finanzstandort Luxemburg oft als sehr negativ beschrieben werde. Eine Hauptverantwortung für die derzeitige Debatte sieht er aber bei Deutschland. Denn die Bundesregierung sei federführend bei der Idee gewesen, dass auch die Nutznießer des zyprischen Finanzplatzes zur Rettung herangezogen würden und der Bankensektor dort verkleinert werde. Und es seien deutsche Politiker, die die Debatte über andere Finanzorte vorantrieben. "Ich werde deshalb hellhörig, wenn aus Berlin durchdekliniert wird, wie das Geschäftsmodell eines Landes sein soll."

Man habe in Europa lange Zeit daran gearbeitet, ein europäisches Deutschland zu schaffen - aber es dürfe in der Union mit 27 Mitgliedern nicht zu einem deutschen Europa kommen, mahnte Asselborn. Jedes EU-Land habe seine Geschichte, seine Traditionen und Stärken. Gerade die kleineren EU-Staaten müssten eben Nischen besetzen und Spezialitäten suchen. So habe Luxemburg sich erst in den 1960er Jahren zum Finanzplatz entwickelt, zugleich aber auch eine substanzielle Satellitenbranche aufgebaut. Deshalb sei er besorgt, wenn er nun die Wertung "überdimensioniert" mit Blick auf den Bankensektor höre, betonte Asselborn. "'Ein kleines Land, aber eine große Satelliten- und Stahlindustrie und große Banken' - dieser Vorwurf ist das, was so wehtut."

Der Sozialdemokrat warnte Deutschland zudem vor der Versuchung, dauerhaft von der Euro-Krise profitieren zu wollen. "Auf lange Zeit kann es nicht gutgehen, dass Deutschland sich Geld zu 1,5 Prozent leihen kann und andere in der Euro-Zone das Vier- oder Fünffache zahlen müssen", sagte Asselborn mit Hinweis auf die historisch günstigen Refinanzierungsbedingungen der Bundesrepublik. "Das muss auch in die Köpfe der Deutschen hinein." Nötig sei ein Mentalitätswechsel.

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