Hygieneartikel-Hersteller Reckitt Benckiser:Rausgeputzt für das Finanzamt

Inside A Poundland Group Plc Discount Store

Produkte von Reckitt Benckiser in einem britischen Supermarkt

(Foto: Bloomberg)

Wie der Konzern einer sehr reichen deutschen Industriellen-Familie noch reicher wird. Eine Fallstudie aus den Luxemburg-Leaks.

Von Christoph Giesen, Klaus Ott, Jan Strozyk und Benedikt Strunz

Es ist eine gewaltige Summe, die an einem einzigen Tag im Jahr 2008 hin- und hergeschoben wird: 5,5 Milliarden Euro, und das bei einem Konzern, der mit seinen Produkten damals 8,5 Milliarden Euro im Jahr einnimmt. An nur einem Tag wird also mehr als die Hälfte des Jahresumsatzes transferiert - vom Steuerschlupfloch Luxemburg zur Steuersparinsel Jersey im Ärmelkanal.

Welche Gründe mag das haben?

Reckitt Benckiser, der Konzern, um den es hier geht, steht für Sauberkeit. Für Produkte wie Calgon, das Waschmaschinen vor Kalk und Schmutz schützt. Wie Clearasil, das eine reine Haut verspricht. RB, wie der Konzern seit einigen Monaten offiziell heißt, bezeichnet sich selbst als ein weltweit führendes Unternehmen für Hygiene und Haushalt. "Wir bieten innovative Produktlösungen für ein gesünderes Leben und ein glücklicheres Zuhause."

Wie klar, wie transparent aber sind die Finanzverhältnisse bei RB, wenn mithilfe der Berater von Pricewaterhouse Coopers (PwC) ein Konstrukt ersonnen wird, das von außen kaum zu durchschauen ist - und möglicherweise dazu dient, die Steuern auf ein Minimum zu senken? So ist es jedenfalls bei anderen Konzernen zu beobachten, die PwC in Luxemburg engagiert haben.

Der Clan lebt im Ausland, wo die Steuern niedrig sind

Fragen dazu könnte sicherlich die Familie Reimann beantworten, einer der reichsten Industriellen-Clans aus Deutschland. Und einer der geheimnisvollsten zugleich. Die Familienmitglieder treten nicht öffentlich auf, es gibt kaum Fotos von ihnen, selbst ihre Facebook-Profile haben sie angeblich unter fremden Namen angelegt.

Einer der Vorfahren, Ludwig Reimann, hatte im 19. Jahrhundert gemeinsam mit Johann Adam Benckiser eine Chemiefabrik in Ludwigshafen aufgebaut. Das war die Keimzelle des Konzerns. Inzwischen ist die fünfte und sechste Generation im Unternehmen zugange, allerdings im Hintergrund. Das operative Geschäft wird von angestellten Managern gesteuert. Die Reimanns beschränken sich darauf, ihr Milliardenvermögen zu vermehren. Über eine Gesellschaft in Luxemburg hält die Familienholding Agnaten SE noch etwa zehn Prozent am RB-Mutterkonzern. Ein Vertrauter der Familie sitzt im RB-Aufsichtsrat, er ist der stellvertretende Vorsitzende.

Außerdem sind die Reimanns auch am Kosmetikspezialisten Coty mit Marken wie Davidoff, Joop oder Jil Sander beteiligt, ihnen gehört Labelux, ein Unternehmen, das erst kürzlich den High-Heels-Schuster Jimmy Choo an die Börse brachte. Und sie halten Anteile an einem großen Kaffeeunternehmen, das in diesem Jahr mit einem Konkurrenten fusionierte. Seitdem verdient die Familie an jedem Senseo-Pad genauso wie an dem Verkauf von Jacobs, Tassimo oder Carte Noir.

Da bleibt insgesamt mehr als genug hängen, um auskömmlich zu leben. Aber nicht genug, um nicht doch auch nach Steuersparmodellen Ausschau zu halten?

Dieses Kunstwerk entwickelt der Steuerberater

Jedenfalls bekommt Pricewaterhouse Coopers von Reckitt Benckiser eines Tages den Auftrag, ein kompliziertes Konstrukt zu entwickeln. Am 11. Juni 2008 reicht PwC bei der Luxemburger Steuerverwaltung ein Modell ein, das wie ein Kunstwerk aussieht, und eigentlich auch eines ist. In der beigefügten Grafik kreuzen sich geschwungene mit geraden Linien, gestrichelte mit durchgezogenen. Dreiecke, Ovale und Rechtecke ergänzen die Zeichnung. Darin werden 23 Firmen aus sechs Ländern so miteinander verknüpft, dass die Abgaben an den Fiskus am Ende möglichst niedrig ausfallen. Ein Teil der Geschäfte läuft über die Kanalinseln Guernsey und Jersey, an anderer Stelle wird auf ein Abkommen mit der Schweiz verwiesen. Finanzexperten vermuten ein austariertes Steuersparmodell. Der mögliche Grund für das Konstrukt könnten die englischen Gesetze sein.

Seit der Fusion mit dem britischen Reckitt&Colman-Konzern 1999 residiert das Unternehmen in einem Industriepark unweit des Flughafens Heathrow und ist damit ein Unternehmen, das englischen Steuergesetzen unterliegt. Ähnlich wie in Deutschland wird in Großbritannien die sogenannte Hinzurechnungsbesteuerung praktiziert: Tochterfirmen von britischen Unternehmen müssen dem Fiskus nachweisen, wie viele Abgaben sie im Ausland gezahlt haben. Sind es weniger als 22,5 Prozent vom Gewinn, fallen Nachzahlungen an die königlichen Finanzämter an.

Dem liegt eine Entscheidung des Europäischen Gerichtshofes aus dem Jahr 2006 zugrunde. Der Schokoladenkonzern Cadbury hatte wichtige Unternehmensteile nach Irland ausgelagert und dort nur zehn Prozent Unternehmensteuer gezahlt. Die Europa-Richter gaben den britischen Behörden recht, die einen Nachschlag verlangten, da es sich um ein in Großbritannien ansässiges Unternehmen handelte. Um einer solchen Forderung zu entgehen, könnte PwC von RB im Jahr 2008 mit der wirren Grafik beauftragt worden sein. Denn bis Mitte 2009 existierte eine Sonderregel: Wenn 90 Prozent des steuerpflichtigen Gewinns innerhalb von eineinhalb Jahren zurück nach Großbritannien transferiert und dort eingesetzt wurden, dann waren keine nachträglichen Abgaben für die Auslandstöchter fällig. Den Unterlagen zufolge sind bei RB tatsächlich Milliardenbeträge zurück ins Königreich überwiesen worden. Doch ist am Ende wirklich alles angekommen, was hätte ankommen sollen? Oder blieb durch die komplexe Struktur unterwegs einiges hängen? Viele Fragen, wenige Antworten.

Die Reimanns wollen kaum etwas sagen. Eine im Auftrag der Familienholding tätige PR-Agentur teilt mit, der Konzern Reckitt Benckiser bestimme seine Geschäfts- und Standortpolitik selbst. Auf etwaige Steuersparmodelle von RB hätten die Reimanns keinen Einfluss. Auch der Konzern beantwortet Fragen nach den Milliardentransfers via Luxemburg nur spärlich. RB versichert, dass man in jedem Land, wo man Geschäfte mache, die geltenden Steuergesetze einhalte. Das sagen alle Konzerne, die ihre Geschäfte über Luxemburg abwickeln.

Es wäre nicht das erste Mal, dass die Familie mit dem Drang zur Steueroptimierung auffällt. 2012 berichtete das Manager Magazin, dass die fünfte und sechste Generation inzwischen im Ausland wohne, in Österreich, der Schweiz und Italien: vor allem, um Steuern zu vermeiden. Deshalb sei auch Wien als Sitz der Familienholding Agnaten SE gewählt worden. Die für die Reimanns tätige PR-Agentur erklärt, die Holding habe die Rechtsform einer Europäischen Aktiengesellschaft (SE) gewählt. Mit dem Umzug nach Österreich im Jahr 2007 habe man "die Vorteile dieser Rechtsform zur Steuerung ihrer internationalen Beteiligungen" genutzt. Die PR-Agentur bestätigt immerhin, dass die Gesellschafter der Agnaten SE nicht mehr in Deutschland lebten. Die Gründe werden nicht genannt.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: