Luftverkehr:Turbulenzen am Boden

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Sechs Flughäfen gibt es im Großraum London bereits. Trotzdem wollen die Betreiber das Angebot weiter ausbauen. (Foto: Peter Macdiarmid/Getty Images)

Nach der Allianz prüft nun Benetton ein Angebot für den Flughafen London-City. Dessen Ausbau ist umstritten. Die britische Hauptstadt hat bereits sechs Airports.

Von Björn Finke, London

Jetzt auch noch Benetton: Eine von dem schwerreichen Modeklan beherrschte Firma prüft, ein Angebot für den Flughafen London-City abzugeben, wie die Sunday Times berichtet. Da sind die Italiener in guter Gesellschaft. Schon vier andere Bietergruppen äußerten Interesse am Airport neben Londons modernem Bankenviertel Canary Wharf. Unter anderem soll sich der Münchner Versicherer Allianz mit dem kanadischen Infrastruktur-Investor Borealis zusammengetan haben, um eine Offerte vorzubereiten.

Bislang gehört London-City zwei amerikanischen Finanzinvestoren, die aber vorigen Monat verkündeten, den Flughafen noch in diesem Jahr verkaufen zu wollen. Das soll ihnen bis zu 2,8 Milliarden Euro einbringen. Vor neun Jahren hatten sie London-City für nur etwas mehr als ein Drittel dieser Summe übernommen, doch seitdem hat sich die Zahl der Passagiere dort verdoppelt. In diesem Jahr sollen hier gut vier Millionen Fluggäste starten oder landen - vor allem Geschäftsleute, welche die Nähe zu den Glastürmen der Banken und die schnelle und pünktliche Abfertigung schätzen.

City ist einer der kleinsten Flughäfen im Großraum London. Insgesamt gibt es sechs Airports, welche die Hauptstadt im Namen tragen: Europas größter Flughafen Heathrow im Westen, City im Osten sowie im Umland Gatwick, Luton, Stansted und Southend, die aber alle 45 bis 65 Kilometer vom Stadtzentrum entfernt liegen. Trotz der etwas abgeschiedenen Lage sind Gatwick und Stansted aber keine unbedeutenden Provinz-Airports. Gatwick verzeichnet fast so viele Passagiere wie München, Deutschlands zweitgrößter Flughafen. Und Stansted spielt in einer Liga mit der deutschen Nummer vier, Berlin-Tegel.

Es ist also einiges los am Himmel über London. Und geht es nach den Betreibern der Flughäfen, sollen noch mehr Jets starten und landen. Die Pläne stoßen allerdings auf erbitterten Widerstand von Anwohnern und Politikern, die den Fluglärm fürchten.

Diese Erfahrung musste auch der heiß umworbene City-Flughafen machen. Das Management will Terminalgebäude und Rollbahn erweitern, sodass größere Maschinen landen und mehr Passagiere abgefertigt werden können - sechs Millionen sollen es im Jahr 2023 sein. Doch Londons konservativer Bürgermeister Boris Johnson lehnte das Vorhaben im Frühjahr ab: wegen der "schädlichen Auswirkungen des Lärms". Der Airport legte Widerspruch ein; eine Entscheidung soll im kommenden Jahr fallen.

Johnson, der als möglicher Nachfolger von Premier David Cameron gilt, kämpft zudem vehement gegen eine dritte Startbahn für Heathrow. Er würde den Flughafen am liebsten abreißen und in der Themsemündung einen neuen errichten. Weil Heathrow ein Drehkreuz von nationaler Bedeutung ist, sind dem exzentrischen Bürgermeister aber die Hände gebunden - die Regierung ist zuständig.

Für die dritte Startbahn müssen 783 Häuser abgerissen werden. Der Bürgermeister ist dagegen

Mit 73 Millionen Passagieren ist der Airport fast komplett ausgelastet. Das führt zu Verspätungen, denn der Flughafen hat keine Reserven, um auf kleine Störungen reagieren zu können. Eine dritte Piste soll Abhilfe schaffen. Doch dafür müssten 783 Häuser abgerissen werden, zudem würde Fluglärm mehr als 150 000 weitere Bürger belasten. Der Rivale Gatwick will ebenso ausbauen, hier geht es um eine zweite Startbahn. Weil Gatwick weit von London entfernt liegt, hätte diese Erweiterung viel weniger negative Folgen für die Menschen. Allerdings ist Gatwick bisher kein internationales Drehkreuz, wo Passagiere in Verbindungen auf andere Kontinente umsteigen. Zudem hat Gatwick keinen U-Bahn-Anschluss.

Die Regierung wird bloß einem der beiden Flughäfen eine neue Startbahn erlauben. Im Juli legte eine Expertenkommission ihren Bericht vor, der Heathrow den Vorzug vor Gatwick gab. Britische Wirtschaftsverbände unterstützen ebenfalls Heathrow. Über den Ausbau muss das Parlament abstimmen; die Entscheidung soll noch in diesem Jahr getroffen werden.

Da der konservative Premierminister Cameron mit knapper Mehrheit regiert, dürfte das spannend werden. Denn nicht nur Londons Bürgermeister Johnson, der zugleich Parlamentsabgeordneter ist, lehnt die dritte Piste in Heathrow ab. Auch andere einflussreiche Konservative mit Wahlkreisen in der Nähe des Flughafens wollen die Erweiterung verhindern, darunter sogar Minister. Und auch Premier Cameron selbst versprach als Oppositionsführer im Jahr 2009 noch, mit ihm werde es die dritte Startbahn nicht geben.

© SZ vom 07.09.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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