Luftverkehr:Lufthansa greift zu

Die größte deutsche Fluglinie übernimmt einen Großteil von Air Berlin und baut so ihre Dominanz aus. Mit dem zweiten Interessenten Easyjet wird weiter verhandelt. Für die Kunden ändert sich einiges.

Von Caspar Busse

Für Carsten Spohr, 50, läuft es derzeit richtig gut. Gerade erst hat der Lufthansa-Chef den jahrelangen Streit mit den Piloten beigelegt, er konnte auch von steigenden Passagierzahlen berichten. An diesem Donnerstag nun hat er in Berlin ein weiteres Großprojekt klargemacht: Lufthansa übernimmt einen Großteil der Flotte und damit auch der Strecken des insolventen Konkurrenten Air Berlin. Jetzt müssen nur noch die europäischen Kartellbehörden zustimmen. Spohr jedenfalls wäre nicht nur einen lästigen Rivalen los, er könnte auch seine ohnehin schon sehr starke Marktposition weiter ausbauen.

Flughafen Düsseldorf International Lufthansa Airbus A 340 und Air Berlin Airbus A 320

Eine Lufthansa-Maschine auf der Rollbahn, ein Jet der Air Berlin wird abgeschleppt – das Foto vom Düsseldorfer Flughafen wirkt wie ein Sinnbild.

(Foto: Jochen Tack/imago)

Die Anleger zeigten sich ziemlich erfreut und kauften Lufthansa-Aktien. Das Papier stieg um mehr als drei Prozent auf über 25 Euro und erreichte damit den höchsten Stand seit Anfang 2001. Lufthansa profitiert auch davon, dass die arabischen Konkurrenten, die den Deutschen in den vergangenen Jahren sehr zusetzten, in einer Krise stecken, Emirates und Etihad müssen bereits eine engere Zusammenarbeit prüfen. Ein Aktienanalyst teilte mit, die anstehenden Veränderungen bei Lufthansa sähen "zu gut aus, um wahr zu sein". Und weiter: "Der Air-Berlin-Deal macht die Lufthansa in ihrem Heimatmarkt stärker, was in den kommenden Jahren zu steigenden Erträgen führen sollte."

Wenn nur noch die Lufthansa eine Strecke bedient, werden die Tickets oft teurer

Wie Lufthansa mitteilte, wurde am Donnerstag ein entsprechender Kaufvertrag unterzeichnet. Danach übernimmt der Frankfurter Konzern insgesamt 81 der zuletzt 130 Flugzeuge von Air Berlin. Dazu gehören auch die 38 Maschinen, die Lufthansa bereits von Air Berlin inklusive Besatzung gemietet hatte und die ohnehin schon für Lufthansa oder für Eurowings fliegen. Der Kaufpreis liegt den Angaben zufolge bei etwa 210 Millionen Euro. Insgesamt will Lufthansa 1,5 Milliarden Euro investieren und etwa 3000 weitere Mitarbeiter einstellen. Die Beschäftigten der nicht insolventen Air-Berlin-Teilgesellschaften Niki und LG Walter werden Konzernkreisen zufolge direkt übernommen, die übrigen rund 1500 Stellen sollen über Neu-Einstellungen bei der Lufthansa-Tochter Eurowings besetzt werden. Darauf könnten sich dann auch ehemalige Air-Berlin-Mitarbeiter bewerben. Die Air-Berlin-Maschinen und -Routen werden sowohl bei Lufthansa als auch bei der Konzerntochter Eurowings eingegliedert.

Spohr sprach von einem "echten Meilenstein in der Geschichte von Lufthansa und Berlin". In der Tat würde der Konzern, der 1926 in Berlin gegründet wurde, sollte die Übernahme bei den Kartellbehörden ohne größere Auflagen durchgehen, das Geschäft deutlich ausbauen. Schon in der Vergangenheit war Lufthansa durch die Übernahmen von Swiss, Austrian Airlines oder Brussels deutlich gewachsen und ist derzeit zusammen mit dem Billigflieger Ryanair nach Passagieren die größte Fluggesellschaft in Europa. Zudem kündigte Lufthansa an, jetzt auch für Teile der schwer angeschlagenen und ebenfalls insolventen Alitalia bieten zu wollen.

Die Kunden müssen sich jedenfalls umstellen. Statt wie bisher die Auswahl zwischen zwei großen Airlines zu haben, gibt es künftig auf vielen Strecken nur noch Lufthansa. Der Marktanteil der Lufthansa-Gruppe wird beim Flugverkehr innerhalb Deutschlands und mit Europa jetzt schon auf 50 Prozent geschätzt. Das könnte durchaus auf einigen Verbindungen zu steigenden Preisen führen. Schon in der Vergangenheit hatte sich gezeigt, dass die Flugtickets teilweise deutlich teuer werden, wenn nur noch Lufthansa die Strecke bedient. Das war etwa der Fall auf der Verbindung zwischen Münster und München, nachdem Konkurrent Air Berlin die Strecke im Jahr 2013 eingestellt hatte. Oder Flüge zwischen München und Zürich, die nur von Lufthansa und Swiss durchgeführt werden: Sie sind deutlich teurer als etwa solche zwischen Frankfurt und London, die Strecke wird von mehreren Airlines bedient. Auf der anderen Seite sind die Ticketpreise insgesamt in den vergangenen Jahren im Durchschnitt deutlich nach unten gegangen.

In den vergangenen Wochen haben die Flugtickets bereits angezogen, nachdem Air Berlin einige Verbindungen eingestellt hatte. Lufthansa hat daraufhin bereits die Flugfrequenz erhöht. Zwischen Tegel und Frankfurt wird etwa von November an auch das Großraumflugzeug Boeing 747 eingesetzt, der Jumbo bedient sonst nur Interkontinentalstrecken.

Air Berlin hatte am 15. August Insolvenz angemeldet, nachdem Großaktionär Etihad seine Unterstützung eingestellt hatte. Der Flugbetrieb war mit einem Staatskredit von 150 Millionen Euro zunächst aufrecht erhalten worden. Air Berlin hatte bereits in den Jahren davor regelmäßig hohe Verluste eingefahren und keine klare Strategie verfolgt. So wollte sich Air Berlin sowohl auf Charterlinien als auch auf der Langstrecke behaupten. Zudem wollte man attraktiv für Geschäftskunden in Deutschland und Europa sein. Air Berlin hatte zuletzt etwa 8000 Mitarbeiter, Piloten und Flugbegleiter können nun bei Lufthansa unterkommen, wenn auch zu teilweise schlechteren Bedingungen. Düster sieht es dagegen für die Beschäftigten in Verwaltung und Technik aus. Für Air Berlin Technik wird noch ein Käufer gesucht, die Bieterfrist wurde zuletzt verlängert.

Was nun mit dem Rest der Flugzeuge von Air Berlin passiert, ist weiter offen. Als Interessent gilt nach wie vor die Billigairline Easyjet, die dem Vernehmen nach zwischen 20 bis 30 Flugzeuge übernehmen will. Offenbar aber stocken die Verhandlungen. Insider berichten, dass diese "noch Wochen" dauern könnten. Anfang Oktober hatte überraschend die britische Charter-Linie Monarch ihren Flugbetrieb eingestellt. Nun wird erwartet, dass Easyjet auch an diesem insolventen Unternehmen Interesse haben könnte. Das hat die Verhandlungen mit Air Berlin nicht gerade einfacher gemacht. Nicht ausgeschlossen, dass nun Condor, eine Tochterfirma des Reisekonzerns Thomas Cook, und Niki Lauda wieder ins Spiel kommen könnten.

Stichtag ist der 15. August

Am 28. Oktober ist endgültig Schluss, dann werden alle Air-Berlin-Flüge eingestellt. Betroffen davon sind rund 200 000 Passagiere, die in Besitz eines Air-Berlin-Tickets sind, deren Verbindung aber gestrichen ist. Etwa die Hälfte der betroffenen Kunden hat eine Langstrecke bei Air Berlin gebucht, die anderen Kurzstrecken innerhalb von Deutschland oder Europa. Ob Anspruch auf Erstattung des Ticketpreises besteht, hängt davon ab, wann der Flugschein gekauft wurde.

Alle, die vor dem 15. August - dem Tag des Insolvenzantrags von Air Berlin - gebucht haben, gehen wahrscheinlich leer aus. Ihr Anspruch fällt dann nämlich in die Insolvenzmasse. Angesichts der enormen Schulden der Airline ist nicht damit zu rechnen, dass etwas erstattet wird. Ob Lufthansa diesen Air-Berlin-Kunden auf Kulanzbasis entgegenkommt, ist noch offen.

Ist der Flug mit Air Berlin allerdings Teil einer Pauschalreise, ist der jeweilige Reiseanbieter verpflichtet, den vollen Kaufpreis zurück zu erstatten. Hoffnung gibt es auch, wenn der Flug bei Air Berlin gebucht und mit einer Kreditkarte bezahlt wurde. "Dann besteht die Möglichkeit, belastete Beträge im Konkursfall wieder gutzuschreiben. Dazu muss der jeweiligen Kreditkartenfirma ein Dokument zugeschickt werden, das die erfolglose Geldforderung bei der Fluggesellschaft bescheinigt", sagt Adrian Kreller von Air-Help, einem Portal für Fluggast-Entschädigungen. Alle, die nach dem 15. August gebucht haben, bekommen dagegen den vollen Kaufpreis automatisch erstattet. Caspar Busse

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