Luftverkehr in Europa:Den Wandel verschlafen

Eine halbe Milliarde Euro Gewinn soll der Lufthansa-Konzern in diesem Jahr machen. Doch im Flugverkehr schreibt das Unternehmen rote Zahlen. Zu lange hat das Unternehmen am eigenen Prestigedenken festgehalten.

Jens Flottau, Frankfurt

Nicoley Baublies hat am Donnerstag einen bemerkenswerten Satz gesagt. Im Moment der Stärke sei es an der Zeit, Größe zu zeigen, sagte der Sprecher der streikenden Flugbegleiter. Und so griff er zum Handy, als feststand, dass Lufthansa am Freitag mehr als 1000 Flüge würde absagen müssen, und bot neue Verhandlungen an. Ein Moment der Stärke? Wirklich?

An aerial view shows Lufthansa planes parked on the tarmac of the closed Frankfurt's airport

Schon lange ist klar, dass der Europaverkehr sich dauerhaft strukturell verändert hat. Teure, komplexe Premium-Angebote sind kaum noch gefragt.

(Foto: Reuters)

Auf den ersten Blick mag das tatsächlich so aussehen. Man brauchte am Freitagmorgen nur einen Blick auf das Vorfeld des Frankfurter Flughafens zu werfen. Ein paar wenige Lufthansa-Jets waren da irgendwo am Rand geparkt, der Rest war an Airports abgestellt, wo er die anderen Airlines nicht störte. Einst waren es nur die Piloten, die den Flugbetrieb bei der Lufthansa lahmlegten, nun also hat die lange unterschätzte und vom Management hinter vorgehaltener Hand als Chaos-Truppe bezeichnete Ufo bewiesen, dass sie professionell arbeiten kann.

Dadurch ist nun, von neutraler Warte aus betrachtet, der Schlimmste aller Fälle eingetreten. Eine vor Selbstbewusstsein strotzende Gewerkschaft verhandelt einen neuen Tarifvertrag mit einem Unternehmen, das zwar nicht mit dem Rücken zur Wand steht, aber die Wand zumindest schon in der Ferne sehen kann.

Zwar betonen Flugbegleiter und Piloten immer wieder, dass es der Lufthansa gar nicht so schlecht geht, sie werde ja immer noch eine halbe Milliarde Euro Gewinn machen dieses Jahr, wenn die Prognose stimmt. Doch diese Betrachtung ist zu einfach: Eine halbe Milliarde ist zu wenig, und das Geld stammt obendrein aus anderen Konzernbereichen, der Lufthansa Technik vor allem, dem Frachtgeschäft und ein bisschen auch vom Catering. Der reine Flugbetrieb schreibt derzeit rote Zahlen.

Dafür gibt es externe Gründe - die schwächelnde europäische Wirtschaft, das teure Öl, die Billigkonkurrenz, mit denen die ganze Branche zu tun hat und die für viele Airlines tatsächlich die Pleite bedeuten. Und es gibt Lufthansa-interne Gründe, die dazu führen, dass jetzt für den Umbau nicht mehr so viel Zeit bleibt.

In den guten Zeiten hat das Unternehmen vieles verschlafen: Es hat nicht schnell genug in die Flotte investiert und die eigenen Strukturen kaum verändert. Es entstand ein komplexer Konzern, zu dem plötzlich immer mehr Airlines wie Austrian, Swiss und Brussels Airlines gehörten, die aber kaum integriert wurden.

Zu lange im Prestigedenken verharrt

Schon lange ist klar, dass der Europaverkehr sich dauerhaft strukturell verändert hat. Teure, komplexe Premium-Angebote sind kaum noch gefragt. Das Geschäftsmodell der Billigfluggesellschaften hat sich wegen einer Effizienz und, weil es den Zeitgeist trifft, als überlegen erwiesen. Die Lufthansa hat sich aus dem Prestigedenken nie wirklich gelöst und hat geglaubt, die eigene Marke werde schon stark genug sein, um weiter mitmischen zu können.

Diese Einschätzung hat sich längst als falsch erwiesen. Und deswegen hätte sie schon längst die eigene Strategie in Teilen umstellen müssen, den Europaverkehr ausgliedern und viel effizientere Prozesse einführen sollen, die auf den beiden Langstrecken-Drehkreuzen in Frankfurt und München nicht funktionieren würden.

Lufthansa hat damit ernsthaft erst vor zwei Jahren begonnen und ein bisschen etwas erreicht, der große Wurf soll die Gründung der neuen Sparte für den europäischen Direktverkehr im Jahr 2013 sein. Das ist sehr spät, womöglich zu spät. Vielleicht wäre es möglich gewesen, den Flugbegleitern weniger Zugeständnisse zuzumuten als heute, wenn solche strategischen Weichenstellungen schon vor fünf Jahren stattgefunden hätten.

Der Vorwurf, am Ende müssten immer die Mitarbeiter für die Fehler der Chefs büßen, stimmt deswegen zum Teil, andererseits stimmt er auch wieder nicht. Denn auch ein neues, effizienteres Flug-System kann dauerhaft nicht funktionieren, wenn Flugbegleiter und Piloten nicht einen Teil der alten Errungenschaften aufzugeben bereit sind.

Konkurrent British Airways hat aus dem Strukturwandel längst die Konsequenzen gezogen und konzentriert sich auf die Langstrecken. Das ist riskant, mag in London aber noch eher funktionieren. Im Europageschäft spielt BA kaum eine Rolle mehr. Lufthansa kann sich so einen Weg schon deswegen nicht leisten, weil es in Deutschland nicht einen einzigen zentralen Flughafen gibt. Die Lösung aller Probleme wäre es sowieso nicht. Die Lufthansa-Reformen dürfen sich nicht auf ein Verkehrsgebiet beschränken, nur weil das gerade besonders schlecht läuft.

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