Luftverkehr:Easyjet könnte doch noch zum Rivalen für Lufthansa werden

Lesezeit: 3 min

Air Berlin verhandelt weiter mit Easyjet. (Foto: dpa)
  • Easyjet möchte mit den Jets innerdeutsche Strecken bedienen. Für die Lufthansa wäre das ernsthafte Konkurrenz.
  • Scheitern die Gespräche mit Easyjet noch, könnte Condor zum Zug kommen.

Von Jens Flottau, Frankfurt

Öffentlich macht der Air Berlin-Generalbevollmächtigte Frank Kebekus ganz auf Optimismus: 70 bis 80 Prozent der etwa 8000 Arbeitsplätze würden in der ein oder anderen Form auch nach dem Verschwinden des Unternehmens erhalten bleiben. Und was die Verhandlungen mit den beiden verbliebenen Interessenten für Teile des Flugbetriebes angeht,so hofft Kebekus, "dass wir da in den nächsten Tagen Vollzug melden können".

Air Berlin hat an diesem Freitagabend den Flugbetrieb eingestellt. Der letzte reguläre Flug, ein Airbus A320 mit der Flugnummer AB 6210, sollte um 22.45 Uhr aus München kommend in Berlin landen. Nach 39 Jahren geht damit eine Ära im deutschen Luftverkehr zu Ende. Die Folgen für Branche und Passagiere sind sowohl kurz- als auch langfristig gravierend. Von Samstag an werden zunächst etwa 90 der 144 Maschinen, die vor der Insolvenz noch für Air Berlin flogen, am Boden bleiben. Damit wird im deutschen Luftverkehr das Angebot erheblich knapper, für Reisende wird es auf bestimmten Strecken deutlich schwieriger, günstige Tickets zu buchen.

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Die Chancen, dass es mit Easyjet doch noch einen starken Konkurrenten für die Lufthansa im Inlandsflugverkehr geben wird, waren Insidern zufolge zuletzt deutlich gesunken. Doch in Branchenkreisen heißt es, am Donnerstag hätten sich die beiden Seiten in wichtigen Punkten wieder angenähert, sodass eine Einigung wahrscheinlicher wird. Easyjet würde dann rund 20 ehemalige Air Berlin-Jets übernehmen und am Flughafen Tegel stationieren. Die Fluggesellschaft hat bereits Teams nach Berlin geschickt, um die Bedingungen am Airport zu prüfen.

Easyjet plant dem Vernehmen nach, von Tegel aus vor allem innerdeutsch zu fliegen. Es würden etwa 1000 Arbeitsplätze entstehen, auf die sich die Air Berlin-Mitarbeiter allerdings wie im Fall Eurowings bewerben müssten. Piloten können bei Easyjet mehr verdienen als bei Air Berlin. Konkurrent Lufthansa muss geradezu darauf hoffen, dass die britische Billigfluggesellschaft zum Zug kommt. Denn so würde ein Lufthansa-Monopol auf innerdeutschen Strecken vermieden, die wettbewerbsrechtliche Genehmigung wäre an weniger Bedingungen geknüpft.

Condor würde zum Mittelmeer fliegen

Scheitern die Gespräche mit Easyjet doch noch, könnte auch Condor zum Zug kommen. Die Verhandlungen sind nicht offiziell beendet, sondern nur zurückgestellt worden, solange Easyjet noch im Rennen ist. Die deutsche Ferienfluggesellschaft hat dem Vernehmen nach Interesse an den Air-Berlin-Slots. Die Frage ist jedoch, ob Condor ein so starkes Wachstum in Deutschland gegen die Konkurrenz von Lufthansa finanziell stemmen und den Plan bei ihrer eigenen Muttergesellschaft Thomas Cook durchsetzen kann.

Auch bei Condor geht es um etwa 20 ehemalige Air-Berlin-Flugzeuge, deutlich weniger als einst geplant. Condor flöge nicht innerdeutsch, sondern würde das Ferienflugnetz vor allem im Mittelmeerraum stärken.

Kurzfristig kann die Lufthansa nicht alle Air-Berlin-Flieger einsetzen

Um den Transfer von Slots überhaupt noch möglich zu machen, hat der Flughafenkoordinator der Bundesrepublik, Armin Obert, eine Sonderregelung geschaffen. Die Slots gehen zwar sofort zurück in den allgemeinen Pool, werden von dort aus aber nur ad hoc und nicht dauerhaft an neue Interessenten vergeben. Fest zugeteilt werden sie erst, wenn das kartellrechtliche Verfahren abgeschlossen ist. Obert rechnet damit, dass dies bis zu acht Wochen dauert.

Von der Regelung profitieren vor allem Easyjet oder Condor, aber auch Lufthansa/Eurowings. Denn normalerweise werden die Slots erst dann eingezogen, wenn sie in mindestens 20 Prozent einer Flugplanperiode nicht genutzt worden sind. Auch Lufthansa und Eurowings haben so schon Zugang zu ehemaligen Start- und Landezeiten von Air Berlin.

Lufthansa hat zwar zugestimmt, etwa 80 ehemalige Air-Berlin-Flugzeuge zu übernehmen, doch laut Konzernchef Carsten Spohr werden kurzfristig nur etwa 50 davon eingesetzt werden können. Dabei handelt es sich um die Maschinen der ehemaligen Air-Berlin-Tochtergesellschaften Niki und Luftfahrtgesellschaft Walter (LGW) sowie 13 weitere Jets, die auf LGW übertragen werden sollen. Ein Grund für den Engpass: Der ursprüngliche Mietvertrag für 30 Maschinen ist mit dem Insolvenzverfahren hinfällig. Die Umschreibung von ehemaligen Air-Berlin-Maschinen auf LGW ist extrem kompliziert. Die Niki-Flugzeuge können so lange nicht bei Eurowings integriert werden, bis das Vorhaben durch Brüssel genehmigt ist. Eurowings will deswegen kurzfristig von anderen Fluggesellschaften Maschinen mit Besatzungen anmieten (Wet Lease), um den eigenen Flugplan trotz der Ausfälle noch darstellen zu können.

© SZ vom 28.10.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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