Luftverkehr:"Das wahre Gesicht von Air France"

French Airports Disrupted By Volcanic Ash Cloud

Air-France-Maschinen auf dem Flughafen in Paris: Der Airline geht es ziemlich schlecht.

(Foto: Pascal Le Segretain/Getty)

Nach den Tumulten und den hässlichen Bildern versucht die Airline ihr Image zu retten - doch die Probleme bleiben.

Von Jens Flottau, Frankfurt

Anzug, ein neues Hemd, Krawatte: Xavier Broseta war für seinen zweiten großen Auftritt innerhalb einer Woche wieder ordentlich angezogen. Er ließ sich in einem Büro seiner Fluggesellschaft Air France filmen, im Hintergrund Mitarbeiter, die offenbar mit Kunden sprechen. "Was sie am Montag gesehen haben, das ist nicht das wahre Gesicht von Air France", sagte der Personalchef des Fluggesellschaft. Was Air France in Wirklichkeit darstelle, das zeigt die Airline im Youtube-Video mit Broseta als Moderator: engagierte Mitarbeiter, mit Herz bei der Sache, den Kunden im Blick.

Es ist Imagewerbung in eigener Sache. Broseta hatte sich wenige Tage zuvor, die Kleidung in Fetzen gerissen, die Krawatte um den Hals baumelnd, über einen Zaun in letzter Minute vor den eigenen Leuten in Sicherheit bringen müssen, nachdem er und andere Topmanager dem Betriebsrat Details des neuesten Sparprogrammes hatten erklären wollen. Ein wütender Mob hatte die Sitzung gestört, die Bilder verbreiteten sich in Windeseile und beschädigten das sowieso schon angekratzte Image der Airline so sehr, dass diese sich zum Gegensteuern gezwungen sah: auf Youtube und per Massenbrief an alle Vielflieger. "Ich bin sicher, dass Sie wie wir alle geschockt waren", schreibt Air-France-Chef Frederic Gagey. Die Ausschreitungen spiegelten nicht die Realität und die Ziele von Air France wider.

Immerhin: Es wird wieder gesprochen und nicht mehr geprügelt

Die Aufräumarbeiten dauern an. Am Montag wurden sechs Mitarbeiter von Air France festgenommen, die im Verdacht stehen, maßgeblich an den Angriffen auf Broseta beteiligt gewesen zu sein. Kurz vor dem Wochenende hatte sich Air-France-KLM-Chef Alexandre de Juniac sogar noch mit Vertretern der Pilotengewerkschaft SNPL zu Sondierungen getroffen, ohne konkretes Ergebnis und offenbar ohne einen neuen Gesprächstermin zu vereinbaren. Am Montag waren die Flugbegleiter an der Reihe. Aber immerhin: Es wird gesprochen und nicht geprügelt.

Doch nach einer Woche im Ausnahmezustand ist Air France inhaltlich keinen Schritt weitergekommen, im Gegenteil, es stehen im besten Fall zähe Verhandlungen an, im schlimmsten Fall wohl neue Streiks und Stillstand. Anlass für die Tumulte war, dass Air France und SNPL sich nicht auf die Ziele für das "Perform 2020" genannte Sparprogramm einigen konnten. Darin forderten Gagey und de Juniac von den Piloten, die Zahl der jährlichen Flugstunden von derzeit unter 700 auf bis zu 780 anzuheben. Die Gehälter sollten gleich bleiben. Jeder Pilot käme damit unter Berücksichtigung von Urlaubszeiten rechnerisch auf etwa 16 Flugstunden pro Woche. Das reicht, um einmal von Paris nach New York und zurückzufliegen. Auch die Zeiten zwischen den Einsätzen sollten verringert werden, derzeit haben die Piloten mindestens fünf Tage frei, um sich von den Langstreckenflügen zu erholen. Künftig sollen es nur noch vier sein.

Air France hat dabei aktuell mit dem gleichen Dilemma zu kämpfen wie ihr Konkurrent Lufthansa. Der Reformbedarf ist weitgehend unstrittig. Allerdings dienen die aktuellen wirtschaftlichen Ergebnisse nicht gerade als Argumentationshilfe. Der Sommer ist, wie auch Lufthansa-Chef Carsten Spohr schon angedeutet hat, deutlich besser gelaufen, als das ursprünglich vorherzusehen war. Auch bei Air France ist mittlerweile, wie in weiten Teilen der Branche, von einem sehr erfreulich verlaufenden Sommergeschäft die Rede, und das dürfte sich auch in den wirtschaftlichen Ergebnissen niedergeschlagen haben.

Es stellen sich strukturelle Fragen, die alle noch gar nicht angegangen wurden

Nachdem die Pilotengewerkschaft SNPL die Forderungen abgelehnt hatte, machte sich Gagey an den Plan B: Die Langstrecke wird um zehn Prozent reduziert, 2900 Stellen sollen gestrichen werden, darunter 300 bei den Piloten. Das will die SNPL unbedingt verhindern. Air France-Flugbetriebschef Gilles Laurent bemüht sich in einem Interview mit der französischen Zeitung Les Echos um moderate Töne: "Die Piloten sind sich dessen absolut bewusst, dass man sich in einer sich verändernden Welt anpassen muss", so Laurent. "Das Ziel, die Stückkosten unserer Konkurrenten zu erreichen, ist eine wirtschaftliche Notwendigkeit, damit Air France auf Kurs bleiben kann." Man müsse aber zwischen kurzfristig möglichen Schritten und längerfristigen Initiativen unterscheiden.

Tatsächlich aber stellen sich bei der Airline strukturelle Fragen, die weit über die geplanten Schritte hinausführen. Zwar sind Teile des verlustreichen Kurz- und Mittelstreckengeschäfts in eine eigene Gesellschaft ausgegliedert. Air France könnte sich sogar gefahrloser als Lufthansa aus dem dezentralen Geschäft zurückziehen, weil sie im zentralisierten Frankreich mit Zubringer- sowie Langstreckenflügen von den beiden Pariser Flughäfen den Markt weitgehend abdecken könnte. Doch dies und weitere Verkäufe stehen immer noch nicht auf der Agenda.

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