Lufthansa:Das Dilemma der Lufthansa

  • Die Lufthansa hat mit vielen Problemen zu kämpfen: hohe Kosten, eine veraltete Flotte und häufige Streiks.
  • Und die Airline steht vor einem Dilemma: Sie will Geld mit mehr Premium-Plätzen verdienen. Doch die sind schlecht für die Umweltbilanz.

Von Jens Flottau, Frankfurt

Das International Council on Clean Transportation (ICCT) hat bezüglich der Deutschen Lufthansa zuletzt ein vernichtendes Urteil gefällt. Die Organisation, die einen möglichst umweltfreundlichen Verkehr fordert, hat jüngst einmal untersucht, wer auf den Langstrecken über den Nordatlantik am effizientesten fliegt, und kam zu folgendem Ergebnis: Unter den 20 größten Anbietern landete Lufthansa gemeinsam mit British Airways auf dem letzten Platz. Der Kohlendioxidausstoß der beiden lag, pro Passagier und Kilometer gerechnet, 50 Prozent über dem des effizientesten Konkurrenten, der Billig-Airline Norwegian.

Das Ergebnis der Studie passt so gar nicht zum Selbstbild der Lufthansa, die sich gern als Vorreiter von Nachhaltigkeit rühmt. Doch die Untersuchung zeigt nicht unbedingt auf, dass Lufthansa ihre Umweltverantwortung sträflich vernachlässigen würde. Sie macht indirekt deutlich, wo die Grenzen der Nachhaltigkeit in der Flugbranche und der Diskussion darüber liegen. Einerseits kann Luftverkehr per Definition nicht umweltfreundlich sein, da Flugzeuge schädliche Emissionen verursachen und dies auch noch ungünstigerweise in großer Höhe tun. Andererseits findet Wirtschaftswachstum erwiesenermaßen vor allem dort statt, wo Luftverkehr die Voraussetzungen dafür geschaffen hat.

Der Konzern hat nicht nur in Umweltfragen Probleme damit, Nachhaltigkeit zu sichern

Nachhaltigkeit zu sichern, ist für Lufthansa nicht nur in Umweltdingen ein schwieriges Thema. Es stellt sich die Frage, in welcher Form und in welcher Größe sie angesichts der hohen in Jahrzehnten gewachsenen strukturellen Kosten überlebensfähig ist. Seit vier Jahren schrumpft die Lufthansa-Flotte, weil der Durchbruch zu einem akzeptablen Kostenniveau nicht gelungen ist. Stattdessen baut Lufthansa Tausende Arbeitsplätze vor allem in der Verwaltung ab. Gleichzeitig muss es das Unternehmen aber irgendwie hinbekommen, Dutzende Milliarden Euro in eine modernere Flotte zu investieren, die die Basis werden kann für so etwas wie nachhaltige Entwicklung.

Den Kostennachteil zu beseitigen, und das möglichst sozialverträglich und konfliktarm, ist eine Aufgabe, an der das Unternehmen bislang gescheitert ist. Wochenlange Streiks der Flugbegleiter und Piloten haben Lufthansa im vergangenen Jahr etwa eine halbe Milliarde Euro und zeitweise ihren guten Ruf als zuverlässiges Transportunternehmen gekostet. Vor allem die Piloten, vertreten von der Gewerkschaft Vereinigung Cockpit (VC), haben den Konzern angesichts der steigenden Gewinne als unsozial dargestellt. Indes ist von den ursprünglichen Forderungen des Managements - der Umstellung der Altersversorgung auf garantierte Beiträge anstatt eines garantierten Auszahlungsniveaus, einem Ende für die Frühpensionierung mit 55 und mehr Produktivität im laufenden Geschäft, nicht mehr viel übrig. Bei der Frühpensionierung etwa hat sich das Unternehmen so weit von den ursprünglichen Forderungen entfernt, dass sich für die heutigen Lufthansa-Piloten praktisch nichts ändert. Und bei den Gehältern geht es nur noch um das Maß der Steigerung, nicht etwa um Kürzungen.

Lufthansa bekommt die Kosten also weiterhin nicht in den Griff. Im Gegenteil: Im Jahr 2015 sind die Personalkosten sogar um ziemlich genau zehn Prozent gestiegen. Sie versucht nun, mit dem Billigableger Eurowings ein zweites Standbein aufzubauen, das diese strukturellen Nachteile nicht hat. Doch die Probleme im Unternehmenskern bleiben bestehen.

Die Flotte ist veraltet

Was das zweite strukturelle Problem angeht, die zum Teil veraltete Flotte, so steckt Lufthansa wie andere Fluggesellschaften auch in einem Dilemma. Flugzeuge werden in der Regel für 20 bis 30 Jahre angeschafft und sind so teuer, dass sie nicht ohne Weiteres ausgetauscht werden können. Auch der Fokus auf Sicherheit und Zuverlässigkeit hat zur Folge, dass technologische Neuerungen sehr lange brauchen, um schließlich eingesetzt zu werden. Der Produktzyklus ist leicht drei- bis viermal so langsam wie in der Autoindustrie.

Dennoch versucht die Lufthansa, Milliarden Euro in eine neue Flotte zu investieren, ohne die Verschuldung massiv in die Höhe zu treiben, sprich: Sie muss höhere Gewinne erreichen. Zwar hat der Konzern 2015 so viel verdient wie noch nie zuvor, aber das lag im Wesentlichen an den geringeren Kosten für Treibstoff und dem Verkauf von Anteilen an der amerikanischen Fluggesellschaft Jet-Blue. Je nachdem, wie sich der Ölmarkt in den kommenden Jahren entwickelt, kann die Lage auch wieder schnell in die andere Richtung kippen. Allerdings öffnet der zeitweise Rückgang ein Zeitfenster, welches das Unternehmen nutzen will.

Der Lufthansa-Konzern hat derzeit insgesamt 223 neue Flugzeuge bestellt, darunter fast 100 für die Langstreckenflüge. Nur 35 Bestellungen beziehen sich auf Modelle, die nicht der neuesten Technik entsprechen. Die weit überwiegende Zahl entfällt aber auf Flugzeuge der neuesten Generation, die wie der Airbus A350 und der A320neo für Lang- respektive Kurz- und Mittelstrecken gerade erst entwickelt worden sind und etwa 20 Prozent weniger Treibstoff verbrauchen. Vor allem bei der Langstreckenflotte muss dringend etwas passieren: Insbesondere die 38 viermotorigen Airbus A340 gelten mittlerweile als unwirtschaftliche Spritschlucker.

Bis 2020 will das Unternehmen den Treibstoffverbrauch um 25 Prozent reduzieren

Lufthansa hat bei der ICCT-Studie vor allem deswegen so schlecht abgeschnitten, weil sie als eine von relativ wenigen Fluggesellschaften auf Langstrecken weiterhin neben der Economy eine First und eine ziemlich große Business Class anbietet. Die First- und Business-Class-Sitze verbrauchen naturgemäß viel mehr Platz pro Passagier als bei einer reinen Economy-Kabine. Es passen also weniger Passagiere in ein Flugzeug, und damit steigt der Energieverbrauch pro Sitz. Den Kontrast liefern die Billig- und Ferienflieger Norwegian und Air Berlin, die in dem Ranking auf Platz eins und zwei gelandet sind. Aus Sicht des Umweltschutzes ist es also wünschenswert, möglichst viele Sitze in die Flugzeuge zu stecken, so wie es beim morgendlichen Pendeln ins Büro vorteilhaft ist, wenn sich Fahrgemeinschaften bilden. Das Problem ist nur: Lufthansa hat ein wirtschaftliches Interesse daran, möglichst viele Passagiere in den Premium-Klassen zu befördern, denn angesichts ihrer hohen Kosten kann sie nur mit ihnen richtig Geld verdienen.

Und nur wenn die Marge stimmt, kann sich der Konzern all die neuen Flugzeuge leisten. Mit Norwegian und Air Berlin führen ausgerechnet zwei Fluggesellschaften das ICCT-Ranking an, die wegen der ruppigen Behandlung ihrer Mitarbeiter respektive ihrer finanziellen Lage in Verruf geraten sind, also auch nicht gerade Vorbilder an Nachhaltigkeit abgeben. Wegen all dieser Widersprüche ist die Studie selbst in Umweltkreisen ziemlich umstritten.

Lufthansa selbst hat sich Effizienzziele gesetzt: Seit 2006 hat der Konzern den durchschnittlichen Spritverbrauch laut Nachhaltigkeitsbericht "Balance" um 12,3 Prozent gesenkt, bis 2020 sollen es 25 Prozent werden. Außerdem unterstütze das Unternehmen die von der International Air Transport Association (IATA), dem Verband der Fluggesellschaften, definierten Ziele: Die Treibstoffeffizienz soll jedes Jahr um mindestens 1,5 Prozent steigen, und von 2020 an soll der Luftverkehr trotz weiteren Wachstums überhaupt keine zusätzlichen Emissionen verursachen - das Prinzip des "Carbon Neutral Growth". Lufthansa verweist darauf, dass Emissionsminderung in ihrem eigenen wirtschaftlichen Interesse ist, denn sie ist gleichbedeutend mit niedrigerem Treibstoffverbrauch.

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